# taz.de -- Polizei will Handy-Fotos sammeln: Big Bürger is watching you | |
> BürgerInnen sollen Fotos von Straftaten jederzeit online stellen können: | |
> Das plant Niedersachsens SPD-geführtes Innenministerium. Grüne und | |
> Opposition warnen. | |
Bild: Bei der Strafverfolgung nützlich: private Handy-Fotos | |
HANNOVER taz | Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat mit | |
seinem Vorstoß zur Einrichtung eines Internetportals, in das BürgerInnen | |
Fotos und Videos von Straftaten und Auffälligkeiten stellen sollen, für | |
Irritationen beim grünen Koalitionspartner und der Opposition gesorgt. „Die | |
Diskussion steht noch ganz am Anfang. Ich kenne die Pläne noch nicht im | |
Detail“, sagt der netz- und datenschutzpolitische Sprecher der grünen | |
Landtagsfraktion, Belit Onay. „Wir werden die Vorschläge offen prüfen und | |
dann auf ihre Zweckmäßigkeit hin bewerten“, ergänzt er zu Beginn des | |
Super-Wahljahres 2017 vorsichtig. | |
Unter Verweis auf einen Sprecher von Pistorius hatte die Hannoversche | |
Allgemeine zuvor berichtet, Niedersachsens Polizei wolle Straftäter künftig | |
verstärkt mit Hilfe privater Videodateien identifizieren und überführen. In | |
Zusammenarbeit mit anderen Ländern und dem Bundeskriminalamt (BKA) würden | |
dazu aktuell „grundlegende Strukturen für die elektronische Entgegennahme | |
von Bild- und Videodateien“ geschaffen. | |
BürgerInnen, die mögliche Straftaten festgehalten haben, sollen ihre | |
Dateien der Polizei über das Netz möglichst unkompliziert zur Verfügung | |
stellen können – Telefonate oder persönliche Treffen mit der Polizei sollen | |
nicht mehr zwingend notwendig sein. Zum ersten Mal hatte das BKA ein | |
solches Internetportal nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin | |
im Dezember eingerichtet. | |
Der grüne Netzpolitiker Onay fürchtet dagegen, dass die Polizei mit der | |
standardmäßigen Einrichtung eines solchen Portals zugespamt werden könnte: | |
Es bestehe die „Gefahr, dass Kapazität der Polizei nutzlos gebunden wird – | |
schließlich muss irgendwer die Bilder und Videos auch sichten“, warnt er: | |
„Der Heuhaufen über der Nadel wird so immer größer.“ | |
Außerdem könnten Gaffer motiviert werden, „noch mehr als jetzt zu filmen | |
und damit die Arbeit der Polizei zu behindern“. Wie alle anderen Formen | |
zusätzlicher Überwachung müsse auch dieser Vorstoß auf seine | |
Verhältnismäßigkeit geprüft werden, verlangt der Grüne. | |
Datenschutzrechtlich bestehen dagegen weniger Bedenken. „Grundsätzlich | |
umsetzbar“ sei der Vorstoß des Innenministeriums, bestätigt der Sprecher | |
der Landesdatenschutzbeauftragten Barbara Thiel, Mattias Fischer. | |
Voraussetzung sei allerdings, dass Polizeibeamte die Bilddateien entgegen | |
nehmen und kein privater Dienstleister dazwischengeschaltet werde. | |
Auch dürften die Fotos zunächst nur zur internen Fahndung dienen – eine | |
unmittelbare Veröffentlichung direkt nach dem Hochladen sei nicht denkbar. | |
„Werden diese Voraussetzungen eingehalten, handelt es sich beim Hochladen | |
der Dateien datenschutzrechtlich um eine Anzeige, der ein Foto beigefügt | |
ist“, sagt Fischer. Wie das neue Portal aber genau funktionieren soll, ist | |
aktuell völlig unklar: Eine taz-Anfrage zu Details ließen Pistorius’ | |
Mitarbeiter bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe unbeantwortet. | |
Irritiert zeigt sich deshalb auch die Landtagsopposition aus CDU und FDP. | |
„Offizielle Papiere liegen mir nicht vor“, sagt der innenpolitische | |
Sprecher der Liberalen, Jan-Christoph Oetjen. Unklar sei, „auf welcher | |
Rechtsgrundlage“ das Internetportal aufgebaut werden solle – und innerhalb | |
welcher Fristen die so gewonnene „Datenflut“ gerade bei falschem Verdacht | |
wieder gelöscht werden müsse. | |
Immerhin: Zumindest grundsätzliche Unterstützung bekommt der Sozialdemokrat | |
Pistorius von der CDU-Fraktion im Landtag in Hannover. „Private | |
Handyaufnahmen können dazu beitragen, Straftaten schneller oder überhaupt | |
aufzuklären“, glaubt deren polizeipolitischer Sprecher Thomas Adasch. | |
Den Christdemokraten, die die 2017 anstehenden Wahlen mit dem Thema innere | |
Sicherheit gewinnen wollen, geht der Vorstoß längst nicht weit genug. | |
„Warum jemand Handybilder an die Polizei schicken können soll, während die | |
staatlich geordnete Videoüberwachung von Rot-Grün behindert wird“, poltert | |
Adasch, „muss Minister Pistorius erst einmal erklären.“ | |
23 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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