# taz.de -- Serie „Wie es sein könnte“ (2): Bitte nicht anfassen! | |
> Blicke, Barrieren, vorschnelle Schlüsse: Auf manches könnten Menschen mit | |
> Behinderung gut verzichten. Ungefragt berührt zu werden etwa. | |
Bild: Blind ist manchmal auch, wer nicht erkennt, wann seine Hilfe nötig ist | |
Am Bahnsteig. Ich steuere nicht sofort auf die U-Bahn-Tür zu, sondern | |
erlausche, ob rechts oder links der nächste Eingang ist. Diese Geduld hat | |
ein Mitbürger nicht. Er greift grob nach meinem Arm, zerrt mich nach | |
rechts. Ich erschrecke mich, zieh den Arm weg. | |
Ich gehe zügig auf eine Treppe zu. Der weiße Stock pendelt vor mir. Ich | |
gehe diesen Weg täglich. Dennoch fasst mir ein Senior beherzt an die | |
Schulter. Er hat wohl Angst, ich könnte hinunterstürzen. Dabei macht sein | |
Eingreifen die Situation erst gefährlich. Ich bin im Fluss, im | |
Gleichgewicht. | |
Werde ich ohne Vorwarnung herausgerissen, steigt die Gefahr zu stolpern. | |
Sehen diese vermeintlichen Helferinnen und Helfer denn ständig blinde | |
Menschen Treppen runterpurzeln, auf stark befahrenen Hauptstraßen | |
herumirren oder unter U-Bahn-Wagen geraten? Sagt ihnen ihre Intuition | |
nicht, dass man niemanden ungefragt berührt? | |
Dabei ist es freundlich, wenn mir Hilfe angeboten wird. Wenn ich sie | |
benötige, ist die Berührung okay. Aber allen, die an blinden Menschen | |
herumzerren, zupfen, sie tätscheln, ihnen eine körperliche Nähe aufdrängen, | |
die sie nicht wollen, rufe ich zu: „Fasst uns nicht an!“ | |
Heiko Kunert, Jahrgang 1976, ist Geschäftsführer des Blinden- und | |
Sehbehindertenvereins in Hamburg | |
2 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Heiko Kunert | |
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