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# taz.de -- Fernsehen in Deutschland und den USA: Selbstverständlich behindert
> Behinderte Charaktere sind in deutschen Serien selten. Eine positive
> Ausnahme: „Der Club der roten Bänder“. US-TV-Macher sind weiter.
Bild: Mehrfach preisgekrönt: der kleinwüchsige Schauspieler Peter Dinklage
„Der Club der roten Bänder“ erzählt die Geschichte von sechs Jugendlichen,
die wegen verschiedener Krankheiten oder Behinderungen im Krankenhaus
aufeinandertreffen. Nach kurzer Zeit verbindet die sechs Protagonisten eine
starke Freundschaft, die jedoch viele Widerstände und Rückschläge aushalten
muss.
Im letzten Jahr wurde die erste Staffel zum Überraschungshit und unter
anderem mit dem Grimme Preis ausgezeichnet. Dieser Erfolg ist aber kein
Zufall, wenn man sich ansieht, wie „Der Club“ mit seinen Mitgliedern
umgeht.
Leo und Jonas teilen sich nicht nur den Posten des Anführers, sondern auch
eine Krebserkrankung. Beide verlieren als Folge der Krankheit ein Bein.
Hugo liegt nach einem Badeunfall im Koma.
Auch Toni landet nach einem Unfall auf der Kinderstation und hat wegen
seines Autismus anfängliche Probleme, sich einzuleben. Alex hat
Herzprobleme und Emma kämpft als einziges Mädchen etwas klischeehaft mit
einer Essstörung.
## Ein Bedürfnis nach Spaß und Beziehungen hat jeder
Jede Figur hätte also – denkt man in traditionellen Mustern – mindestens
einen guten Grund sich zu verkriechen. Die Serie lässt die Jugendlichen
stattdessen mit den Rollstühlen durch die Gänge sausen, im Hof
Basketballkörbe werfen und sich zu Geheimtreffen versammeln. Selbst Hugo,
der in der ersten Staffel im Koma liegt, ist aktives Mitglied des Clubs,
denn in einigen Szenen, die seine Bewusstseinsebene zeigen, dringen die
anderen zu ihm durch.
Die Stärke der Serie liegt darin, das Bedürfnis nach Spaß und Beziehungen
nicht von Krankheiten und Behinderungen unterdrücken zu lassen.
Trotzdem kommt „Der Club der roten Bänder“ nicht ganz ohne Vorurteile aus.
Da mutiert das Leben im Rollstuhl dann doch plötzlich zur
Albtraumvorstellung, die mit allen Mitteln vermieden werden muss.
Anna Grebe, Medienwissenschaftlerin und Disability-Forscherin, forscht zu
Behinderung in Serien. „In den USA ist aufgrund des gesellschaftlichen
Umgangs mit Diversität die filmische Repräsentation von Menschen mit
Behinderung inzwischen selbstverständlicher“, sagt sie. Deutsche Formate
täten sich dagegen noch schwer damit, Geschichten zu erzählen, in denen die
Behinderungen von Protagonisten nicht im Mittelpunkt der Erzählung steht.
## Von Game of Thrones lernen
Eine der US-Serien, der es gelingt, Behinderungen als nebensächlich zu
zeigen, ist „Game of Thrones“. In der weltbekannten Fantasyserie treten
viele Figuren mit ständigen oder vorübergehenden Behinderungen auf.
Etwa der kleinwüchsige Tyrion Lannister, der zwar immer wieder Sprüche über
sich ergehen lassen muss, sich aber davon kaum beeindrucken lässt.
Ansonsten weiß Tyrion sich eher durch seine Intelligenz und sein
Verhandlungsgeschick zu präsentieren.
Sein Bruder Jamie muss den Verlust seiner Hand verkraften, das hindert ihn
aber nicht daran, weiter der glänzende Ritter zu sein. Arya Stark hingegen
erkennt erst als blinde Bettlerin ihre wahren Fähigkeiten und der König von
Dorne kann auch vom Rollstuhl aus regieren, ohne dafür bemitleidet zu
werden.
Natürlich wirken sich Behinderungen auf die Figuren aus. Ansonsten würden
sie für jede Geschichte nur zur nutzlosen Dekoration, die aus dem Drehbuch
gestrichen werden könnte.
„Der Club der roten Bänder“ trägt jedenfalls zu einem besseren und
leichteren Umgang mit dem Thema Behinderung bei. Jetzt sollten die nächsten
deutschen Serien noch folgende Erkenntnis von „Game of Thrones“ umsetzen:
Mag eine Behinderung für eine Figur noch so tragisch sein, es bleibt wenig
Zeit, in Schockstarre und Selbstmitleid zu verharren, wenn eine
Drachenkönigin in See sticht und eine Armee von Untoten an die Tore stürmt.
2 Dec 2016
## AUTOREN
Tanja Kollodzieyski
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