# taz.de -- Computerspiele und Behinderung: Maschine statt Mensch | |
> Blinde, Taube, Muskelkranke? Gibt es nicht. Die Videospielbranche ist im | |
> Umgang mit behinderten Charakteren bislang nicht mutig genug. | |
Bild: Bloß keine Schwäche zeigen: Menschen werden in Videospielen oft durch M… | |
Ob Alter, sexuelle Orientierung, Herkunft oder Geschlechterrollen: | |
Videospiele werden immer diverser. Behinderte Charaktere sind jedoch noch | |
immer die Ausnahme. | |
In den vergangenen zwanzig Jahren gab es hauptsächlich Figuren, denen | |
Gliedmaße fehlten oder die einzelne Sinne verloren haben, deren | |
Behinderungen jedoch meist durch den Einsatz von Technik oder Magie behoben | |
wurde. Etwa bei Barret Wallace aus dem Meilenstein-Titel „Final Fantasy | |
VII“, der anstelle der rechten Hand eine Kombination aus Prothese und | |
Schusswaffe besitzt. | |
Das Problem dabei: Die Figur wird zum Ding. Etwas ist kaputt, also wird es | |
repariert. Im besten Fall ist der Zustand danach weit besser als vorher. | |
Natürlich sind Videospiele eine Kunstform ohne klar definierte Richtlinien. | |
Dennoch geht bei diesem Umgang mit Behinderungen viel Potenzial verloren. | |
Behinderte Charaktere definieren sich meist mit ihrer Behinderung allein | |
dadurch, eine Art Veteranenstatus zu haben, was dem medizinischen Modell | |
der Behinderung nachempfunden ist. | |
## Unterschiede zwischen Japan und Westen | |
Dabei wird die eigene Ansicht von Menschen mit Behinderung außer Acht | |
gelassen und die Behinderung nicht gesondert vom Individuum betrachtet. | |
Dieser Ansatz grenzt behinderte Menschen jedoch beinahe von der Spezies | |
Mensch ab. | |
Die jüngste Videospielgeschichte hat aber auch andere, akzeptablere | |
Methoden im Umgang mit Behinderungen hervorgebracht, wobei es deutliche | |
Unterschiede zwischen Japan und der westlichen Welt gibt. | |
Eine Abwandlung der Prothesenkrieger ist etwa der Virtuose Dunban aus dem | |
japanischen Rollenspiel „Xenoblade Chronicles“ von 2010. Er kann seinen | |
rechten Arm seit einem Zwischenfall nicht bewegen. | |
Anstatt auf eine Wunderprothese zurückzugreifen, trainiert er mit dem noch | |
vorhandenen Arm, bis er mit diesem das Schwert führen kann. Eine positive | |
Entwicklung im Umgang mit Behinderungen in Computerspielen, die gern | |
Vorbild für andere sein kann. | |
Die Nebenfigur Lester Crest aus dem Welterfolg „Grand Theft Auto V“ aus dem | |
Jahr 2013 ist ein prominentes Beispiel westlicher Computerspielfirmen. Er | |
hat eine nicht näher bezeichnete Schwundkrankheit, explizit behandelt wird | |
die Behinderung jedoch nicht. | |
## Nächster Schritt: Behinderte Menschen in Hauptrollen | |
Er ist Unternehmer, das Hirn hinter einigen zwielichtigen Projekten der | |
Protagonisten und hat eher skurrile Vorlieben – im Grunde eine für | |
Spielverhältnisse durchaus natürliche Darstellung eines Menschen mit all | |
seinen Stärken und Schwächen. | |
Eine tatsächlich spielbare Figur taucht in „Sly 3: Honor Among Thieves“ von | |
2005 auf. Bei Bentley handelt es sich um eine vermenschlichte Schildkröte, | |
die seit dem dritten Teil der Reihe auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Sie | |
rüstet sich selbst mit Waffen und Werkzeug aus, um weiterhin am Geschehen | |
teilzuhaben. | |
Sowohl der selbstkritische Umgang Behinderter in japanischen Titeln als | |
auch der Ansatz der Inklusion in westlichen Spielen sind erste Schritte zu | |
mehr Diversität in Hinsicht auf Behinderten in Videospielen, wobei die | |
westliche Variante eher tauglich für das Medium ist. | |
Wieso aber nicht den nächsten Schritt wagen und behinderten Menschen die | |
Hauptrolle überlassen? Nichts spricht dagegen, etwa einen muskelkranken | |
Strategen einzubauen oder einen Horrortitel zu konzipieren, in dem | |
abwechselnd aus der Perspektive einer blinden und tauben Person gespielt | |
wird. Habt mehr Mut, liebe Entwickler! | |
2 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Roberto Czumbil | |
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