# taz.de -- Inklusives Internet: Barrierefrei surfen | |
> Behinderte Menschen stoßen im Netz auf Hürden. Eine neue EU-Richtlinie | |
> will diese abbauen. Sie greift aber zu kurz. | |
Bild: Sinnvolles Hilfsmittel für blinde UserInnen: die Braillezeile | |
Das Europäische Parlament hat im Oktober eine Richtlinie zum barrierefreien | |
Zugang zu Webseiten und mobilen Anwendungen verabschiedet. Die Richtlinie | |
sieht vor, dass alle öffentlichen Institutionen wie Verwaltung, Gerichte, | |
Finanzämter, Bibliotheken, Universitäten und Institutionen des | |
Gesundheitswesens ihre Internetseiten und Smartphone-Apps barrierefrei | |
gestalten müssen. Nach Inkrafttreten der Richtlinie haben die | |
EU-Mitgliedstaaten 21 Monate lang Zeit, ihre Bestimmungen in nationales | |
Recht zu überführen. | |
Das Internet in Europa wird also barrierefreier. Doch was heißt das | |
eigentlich? | |
Hilfstechnologie schafft den Zugang zu PC und Smartphone auch für blinde | |
Menschen. Eine Screenreader-Software wandelt den Bildschirminhalt so um, | |
dass er von einer künstlichen Sprachausgabe und auch auf einer Braillezeile | |
ausgegeben werden kann. Eine Braillezeile ist ein schmales Gerät, das | |
unterhalb der Tastatur liegt und auf dem zeilenweise Text in Blindenschrift | |
erscheint. | |
Da blinde Menschen die Maus nicht bedienen können, navigieren sie mit | |
Kurztastenbefehlen. So springen sie mit der Taste H von Headline zu | |
Headline, mit E von Eingabefeld zu Eingabefeld. Damit das gelingt, müssen | |
die Webdesigner die Regeln der Barrierefreiheit berücksichtigen. So sind | |
etwa Überschriften im HTML-Text als Headlines auszuweisen. Es reicht nicht, | |
die Schrift nur zu fetten. | |
## Alternativtext für den Screenreader | |
Wichtig ist auch, dass Grafiken und Fotos über einen Alternativtext | |
verfügen. Dieser ist für sehende Leserinnen und Leser unsichtbar, wird aber | |
vom Screenreader ausgegeben. So erfahren blinde Menschen, was auf Bildern | |
zu sehen ist. Ein Beispiel von taz.de: „Martin Schulz zieht die Stirn in | |
Falten. Sehr nahes Porträt“. | |
Im Gegensatz zu blinden orientieren sich sehbehinderte Menschen überwiegend | |
visuell. Für sie ist es wichtig, dass Websites frei skalierbar sind, sodass | |
sie sie so stark vergrößern können, wie es die Art der Behinderung | |
verlangt. Andere sehbehinderte Userinnen und User stellen Farben und | |
Kontraste individuell ein. Für diesen Fall muss sichergestellt werden, dass | |
nach der Anpassung alle Inhalte zugänglich bleiben. | |
Barrierefreiheit betrifft aber nicht nur blinde und sehbehinderte Menschen. | |
Für gehörlose Userinnen und User ist es wichtig, dass Videos untertitelt, | |
Audiodateien in Textform und dass Inhalte in Gebärdensprache angeboten | |
werden. Menschen mit einer kognitiven Behinderung benötigen Texte in | |
leichter Sprache. Motorisch eingeschränkte Nutzerinnen und Nutzer sind | |
darauf angewiesen, dass sie die Website auch ohne Maus bedienen können. | |
Die EU-Richtlinie bedeutet einen Fortschritt, da sie die Standards der | |
Barrierefreiheit verbindlich regelt. Da die mobile Nutzung einen immer | |
höheren Stellenwert bekommt, ist es außerdem ein positives Signal, dass | |
auch Apps mit einbezogen wurden. | |
Für Deutschland ändert sich aber nur wenig, da hier für Websites | |
öffentlicher Institutionen Barrierefreiheit bereits verpflichtend ist. Auf | |
Bundesebene ist dies in der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung | |
geregelt. Die EU-Richtlinie klammert weiterhin den Privatsektor aus. Dabei | |
spielen Onlineshops, soziale Medien, Websites von Banken und Versicherungen | |
und Nachrichten-Seiten im Surf-Alltag eine größere Rolle als Websites und | |
Apps von Bundesbehörden | |
2 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Heiko Kunert | |
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