# taz.de -- Initiative für barrierefreies Posten: Inklusives Internet | |
> Gehörlose oder blinde Menschen werden in sozialen Medien oft | |
> ausgeschlossen. Eine Initiative möchte helfen, das Internet barrierefrei | |
> zu gestalten. | |
Bild: Auf Instagram können gehörlose Menschen an gesprochenen Storys nicht te… | |
Manchmal kann Heiko Kuhnert im Internet nicht lachen. Das liegt nicht | |
daran, dass er keinen Humor hat. Ein Tweet mit einem besonders lustigen | |
Foto kommt bei Kuhnert so an: „Foto“. Genau das sagt ihm die Sprachausgabe, | |
mit der er Twitter nutzt. Nicht besonders witzig. Dabei könnte es ganz | |
einfach sein. | |
Twittert man ein Foto, kann man eine Bildbeschreibung hinzufügen. Blinde | |
Nutzer*innen können so an einem Tweet mit Foto teilhaben. Doch die | |
Einsicht, dass genau das wichtig ist, fehle noch bei den meisten Leuten, | |
sagt Kuhnert. „Sie haben keinen Bock auf den Mehraufwand.“ | |
Oft wüssten Nutzer*innen auch gar nicht, dass sie andere Menschen | |
ausschließen. Auf Instagram können gehörlose Menschen an gesprochenen | |
Storys nicht teilhaben. [1][Bei Tiktok] konnte sich Heiko Kuhnert nicht | |
einmal anmelden. „Es fühlt sich an wie ein Ausschluss, wenn Plattformen | |
entwickelt werden, die für mich nicht zugänglich sind“, erklärt Kuhnert. | |
Ein Gefühl, dass Menschen mit Behinderungen aus dem Analogen kennen. | |
## Mehr Zugänglichkeit | |
Um das zu ändern und Wissen über [2][Barrierefreiheit in den sozialen | |
Netzwerken] zu vergrößern, hat Heiko Kuhnert gemeinsam mit anderen | |
Aktivist*innen für Inklusion [3][die Initiative | |
barrierefreiposten.de] gegründet. Gemeinsam mit Natalie Dedreux, Clara | |
Belz, Laura M. Schwengber und anderen wollen sie für Inklusion im Netz | |
sensibilisieren. Als gemeinsamen Nenner beschreiben die Initiator*innen | |
den Wunsch nach mehr Zugänglichkeit und „die Symbiose mit unseren | |
Smartphones“. Auf ihrer Website sammeln sie Anleitungen für barrierefreie | |
Postings, auf dem dazugehörigen Twitter- und Instagram-Account teilen sie | |
ihr Wissen. | |
„Füge eine Bildbeschreibung hinzu. Beschreibe GIFs im Text. Untertitele | |
Deine Videos. Schreibe kurze Sätze. Erkläre schwierige Wörter. Verwende | |
Gebärdensprache und Leichte Sprache.“ Wie genau das gehen kann, beschreiben | |
sie selbst im Detail, mit anschaulicher Bebilderung und in einfacher | |
Sprache, also zugänglich für alle. | |
Eine, die schon lange Zeit digital und barrierearm kommuniziert, ist Ninia | |
La Grande. Ihren über 16.000 Follower*innen gibt sie in den Videos | |
ihrer Instagram-Storys regelmäßig Buchtipps, ganz selbstverständlich mit | |
Untertiteln. „Ich bekomme sehr viel Feedback auf die Untertitel und meine | |
Bildbeschreibungen in den Foto-Postings“, erzählt die Autorin aus Hannover. | |
Und auch, dass sich nicht nur Menschen mit Behinderung darüber freuen, | |
sondern alle, die gerade nicht den Ton hören können – weil sie Kopfhörer | |
nicht dabei haben oder gerade ein Kind neben ihnen schläft. | |
## Es ist Bildungsarbeit | |
Barrierefreies Posten ist demnach für alle gut, nicht nur für die Personen, | |
die darauf angewiesen sind. Ninia La Grande ist mittlerweile nicht nur | |
Influencerin für gute Bücher, sondern auch für Untertitel. | |
Kuhnert nennt das Bildungsarbeit. Sie sei auch ein Teil der Initiative. | |
Immer wieder kämen Rückmeldungen von Menschen ohne Behinderungen, die sich | |
noch überhaupt keine Gedanken zur Zugänglichkeit ihrer Tweets, Fotos und | |
Storys gemacht hätten. Und die jetzt versuchen, mit weniger Barrieren zu | |
posten. | |
Doch es gibt auch offene Fragen. „Ein ungeklärter Streit ist die | |
gendergerechte Sprache“, sagt Kuhnert. Zwar sei gendergerechte Sprache an | |
sich bei der Initiative nicht umstritten, die Umsetzung allerdings schon. | |
Blinde Menschen, die Vorlesesoftware benutzen, beschwerten sich | |
beispielsweise manchmal über das Gendersternchen. Aus | |
Mitarbeiter*innen wird dann MitarbeiterSternchenInnen. Kuhnert selbst | |
hat sich längst daran gewöhnt. | |
Die Initiative sieht sich auch wegen der unterschiedlichen Anforderungen an | |
Barrierefreiheit vor allem als „ein Pool für Wissen und Meinungen“. Sowohl | |
Website als auch die Social-Media-Kanäle sollen gefüllt werden nicht nur | |
mit dem Erfahrungsschatz der Initiator*innen, sondern von allen | |
Menschen, die gemeinsam an einem inklusiveren Internet arbeiten wollen. | |
„Das 100-prozentig barrierefreie Social-Media-Posting, das alle Bedarfe | |
abdeckt, gibt es vielleicht nicht“, sagt Kuhnert, „aber es lohnt sich, | |
darüber nachzudenken.“ | |
21 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /TikTok-drosselt-Menschen-mit-Behinderung/!5641647 | |
[2] /Inklusives-Internet/!5362617 | |
[3] https://barrierefreiposten.de/ | |
## AUTOREN | |
Mareice Kaiser | |
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beitragen. |