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# taz.de -- Theaterbesuch für Blinde: Mit den Ohren sehen
> Für blinde oder sehbehinderte Menschen wird der Theaterbesuch erst durch
> Audiodeskription zum Genuss. Die fehlt jedoch häufig.
Bild: Audiodeskription funktioniert im Fernsehen immer besser – auf den Bühn…
Nach UN-Behindertenrechtskonvention gehört der Theaterbesuch genauso zur
kulturellen Teilhabe wie der Zugang zu Film und Fernsehen. Doch während
Filme mit einer Audiodeskription bereits weit verbreitet sind, fehlt diese
Form der Barrierefreiheit im Theater häufig noch.
Eine Audiodeskription (kurz: AD) erläutert in knappen Worten die
wesentlichen visuellen Inhalte für blinde und sehbehinderte Personen. Diese
Beschreibungen werden für Bilder, Filme, Sportveranstaltungen oder Theater
erstellt. Sie werden ergänzend zu Musik und Dialogen eingesetzt und sollen
Personen mit Seheinschränkung den Zugang zu visuellen Medien erleichtern
und zu ihrer kulturellen und gesellschaftlichen Teilhabe beitragen. Die
Beschreibungen können vorab produziert und eingesprochen (Film), live
eingesprochen (Theater) oder live erstellt und eingesprochen werden
(Sportveranstaltungen oder andere Live-Events). Die letzte Möglichkeit
erfordert natürlich beim Sprecher ein hohes Maß an Flexibilität, um auf
alle Veränderungen reagieren zu können.
Die Entwicklung des Hörfilms hat sich in den letzten Jahren rasant
verändert. Während es in den 90er Jahren noch wenige Filme im Fernsehen
oder spezielle Vorführungen im Kino waren, die über eine Audiodeskription
verfügten, gehört diese mittlerweile bei den öffentlich-rechtlichen Sendern
zum Standard. Nicht nur Filme, sondern auch Dokumentationen und
Fußballspiele werden beschrieben – sprich: audiodeskribiert. In diesem
Sommer konnten Zuschauer erstmals die Fußball-EM und die Olympischen Spiele
vollständig per Audiodeskription verfolgen. Annähernd 50% ihres
Hauptabendprogramms hat die ARD in diesem Jahr auf diese Weise zugänglich
gemacht. Die zusätzliche Tonspur kann der Zuschauer einfach am eigenen
Fernsehgerät auswählen.
Auch im Kino gibt es bereits unterschiedliche Möglichkeiten, Filme mit AD
zu besuchen. Am einfachsten ist das mit einem eigenen Smartphone und einer
entsprechenden App, über die sich der Zuschauer die Beschreibungen anhören
kann. Während der normale Ton weiterhin über die Kino-Lautsprecher zu hören
ist, hört der Kinobesucher die Zusatzbeschreibungen über die eigenen
Kopfhörer. Das Charmante an dieser Option ist, dass der blinde oder
sehbehinderte Zuschauer selbstständig ins Kino gehen und, mit Ausnahme
eines Smartphones, keine zusätzliche Technik benötigt. Seine Sitznachbarn
im Kino bekommen während des Films nichts von der Flüsterstimme mit.
Zu der großen Verbreitung von Hörfilmen haben auch rechtliche Bestimmungen
beigetragen. Nach Einführung des allgemeinen Rundfunkbeitrags forderten
blinde und sehbehinderte Zuschauer mehr Audiodeskriptionen ein. Seit 2014
muss außerdem für alle Filme, die von der Filmförderungsanstalt (FFA)
gefördert werden, eine barrierefreie Fassung mit Untertiteln und
Audiodeskription erstellt werden. Auch wenn nur Filme mit deutscher
Beteiligung davon profitieren, gibt es bereits einige ausländische
Verleiher (z.B. Universal und Disney), die freiwillig diesem Beispiel
gefolgt sind.
## Theater mit Audiodeskription
Was im Fernsehen und im Kino immer mehr zum Standard gehört, ist im Theater
äußerst selten. Nur wenige Spielstätten bieten zusätzliche
Audiodeskriptionen an. Im Gegensatz zum Kino ist der Aufwand dafür bei
Theateraufführungen auch deutlich höher. Der Saal benötigt eine geeignete
Übertragungstechnik und Empfangsgeräte für die Zuschauer. Zudem muss zu
jeder Vorstellung jemand – möglichst in einem separaten Raum mit gutem
Blick auf die Bühne – die Beschreibungen einsprechen.
Anders als bei Kinos, deren barrierefreier Umbau zur Hälfte von der FFA
unterstützt wird, gibt es für Theater keine staatliche Fördermöglichkeit.
Bisher tragen hauptsächlich Stiftungen und private Spender die Kosten für
die benötigte Technik. Viele Sprecher arbeiten zudem ehrenamtlich. Es gibt
zwar bereits Apps, mit denen die Beschreibungen mit einem eigenen
Smartphone abgerufen werden können, die jedoch bisher wegen der hohen
Kosten für einen Umbau kaum Verbreitung finden.
Anstatt auf dringend nötige, aber zeit- und kostenaufwendige Umbaumaßnahmen
zu warten, ging das britische Tanztheater „The way you look at me“ eigene
Wege. In den Vorstellungen in den Uferstudios in [1][Berlin-Wedding] im
letzten Sommer gab es dort neben einer Audiodeskription auch eine
Bühnenführung für blinde Zuschauer sowie eine Gebärdendolmetscherin – der…
Gesten übrigens ausgezeichnet zur Choreografie der Tänzer passten.
Die Audiodeskriptionen wurden, anders als im Theater üblich, nicht live
gesprochen, sondern von der technischen Leitung eingespielt. Damit waren
sie zwar nicht immer synchron zum Geschehen. Dennoch hat man so mit
einfachen Mitteln viele Besucher erreicht, die sonst außen vor geblieben
wären.
3 Dec 2016
## LINKS
[1] http://www.tanzfabrik-berlin.de/de/events/251
## AUTOREN
Jan Meuel
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