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# taz.de -- Bücher in Blindenschrift: „Zugang zum Wissen der Welt“
> Nur ein Bruchteil aller Bücher wird in Brailleschrift übertragen. Thomas
> Kahlisch von der Deutschen Zentralbücherei für Blinde erklärt, warum.
Bild: Mit den Fingern lesen
taz. die tageszeitung: Herr Prof. Dr. Kahlisch, letztes Jahr erschienen auf
dem deutschen Buchmarkt 89.506 neue Titel. Wie viele davon in
Blindenschrift?
Thomas Kahlisch: Etwa 500 neue Titel werden bei uns jährlich in
Brailleschrift übertragen und zur Ausleihe in den Blindenbibliotheken
angeboten.
Warum nur so wenige?
Die Übertragung in Brailleschrift ist aufwändig, das betrifft vor allem
Sach- und Fachbücher. Bilder müssen beschrieben oder als tastbare Reliefs
erstellt werden. Tabellen müssen so formatiert sein, dass sie für blinde
Lesende verständlich sind. Mathematische Formeln oder Musiknoten werden von
Experten in Braillenotationen übersetzt.
Immer mehr Sehende wechseln zum E-Book. Können blinde Menschen E-Books
lesen?
Dank assistiver Technologien wie Sprachausgabe und Braillezeile – ein
kleines Gerät, das den Text des E-Books in Braillezeichen anzeigen kann –
haben diese neuen Wege des Lesens von Büchern und Zeitschriften auf
Smartphone und Co. ein hohes Potenzial für blinde Anwender. Voraussetzung
ist, dass die Inhalte des E-Books barrierefrei gestaltet sind.
Neben den E-Books gibt es auch immer mehr Hörbücher. Wird die
Blindenschrift irgendwann aussterben?
Das denke ich nicht. Viele Bücher werden heute verfilmt und als Hörbuch
produziert. Werden deshalb weniger Bücher gedruckt? Die Entwicklung von
Lesekompetenz und der Spaß am Lesen sind auch für blinde Menschen wichtig
und verbessern die Rechtschreibung. Durch moderne Techniken haben blinde
wie sehende Lesefreunde jetzt die Wahl, sich ein Buch anzuhören oder es
selbst zu lesen.
Die DZB ist nicht nur ein Verlag, sondern vor allem eine Bibliothek. Müssen
blinde Menschen nach Leipzig fahren, um sich ein Buch auszuleihen?
Die DZB versendet ihre Bücher deutschlandweit. Die umfangreichen
Braillebücher werden kostenfrei von der Post transportiert. Hörbücher auf
CD kommen direkt ins Haus oder können im Internet heruntergeladen werden.
Aktuell wird daran gearbeitet, dass barrierefreie E-Books über das Internet
verfügbar sind.
Es gibt nur wenige Bücher in Blindenschrift. Deshalb ist es sinnvoll, Werke
mit anderen Braillebibliotheken auszutauschen – auch über Ländergrenzen
hinweg. Dem stand bisher das Urheberrecht im Weg. Wieso?
Die Blindenbüchereien im deutschsprachigen Raum stimmen schon seit Jahren
ab, welche Titel in Brailleschrift produziert werden. Die Werke werden
unter den Büchereien ausgetauscht, um Doppelproduktionen zu vermeiden.
Wichtig ist, mit einer Änderung des Urheberrechtsgesetzes sicherzustellen,
dass der Austausch von barrierefreier Literatur international möglich wird,
damit blinde Menschen in Deutschland Zugang zu fremdsprachigen Texten
erhalten.
Wie soll das neue Abkommen, der Wipo-Blindenvertrag, dies ermöglichen?
Die Mitglieder der Weltorganisation für geistiges Eigentum Wipo haben 2013
den sogenannten Marrakesch-Vertrag abgeschlossen, in dem der internationale
Austausch von barrierefreier Literatur geregelt wird. Den Vertrag haben
bislang 20 Länder ratifiziert. Aktuell laufen Abstimmungen in der EU, die
die Ratifizierung in Europa und in den einzelnen Mitgliedstaaten
ermöglichen. Damit die Büchernot für blinde und sehbehinderte Menschen
weltweit beseitigt werden kann, ist es notwendig, dass die politischen
Verantwortlichen in Deutschland handeln und der Marrakesch-Vertrag zeitnah
vollständig in deutsches Urheberrecht einfließt.
Sie sind selbst blind. Was bedeutet die Brailleschrift für Sie?
Sie ist der Zugang zum Wissen der Welt in einer eindeutigen und
reproduzierbaren Form. Ohne Brailleschrift hätte ich mein Informatikstudium
nicht abschließen können. Ich wäre nicht in der Lage, meinen Aufgaben als
Bibliotheksleiter und Honorarprofessor in Leipzig gerecht zu werden.
2 Dec 2016
## AUTOREN
Heiko Kunert
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