# taz.de -- „Cumhuriyet“-Herausgeber verhaftet: Vom Flugzeug ins Gefängnis | |
> Neun Journalisten der Zeitung sind bereits in U-Haft. Am Dienstag wird | |
> Steinmeier in Ankara sein und Gespräche führen – aber nicht über | |
> Sanktionen. | |
Bild: Noch erscheint die Oppositionszeitung „Cumhuriyet“ täglich | |
ISTANBUL taz | Die Polizei wartete bereits am Fuße der Gangway. Als Akin | |
Atalay, Herausgeber der oppositionellen Tageszeitung Cumhuriyet, am | |
Freitagvormittag von Deutschland kommend das Flugzeug am Istanbuler Atatürk | |
Flughafen verlassen wollte, nahm ihn ein Kommando der Anti-Terrorpolizei | |
noch auf dem Rollfeld fest und transportierte ihn zur Sicherheitszentrale | |
in Istanbul ab. | |
Als am 31. Oktober 12 Mitglieder die Geschäftsführung und Chefredaktion der | |
wichtigsten türkischen Oppositionszeitung Cumhuriyet festgenommen wurden, | |
stand auch Atalay mit auf der Liste. Aber genauso wie der ebenfalls | |
gesuchte frühere Cumhuriyet-Chefredakteur Can Dündar, befand Atalay sich im | |
Ausland. Doch während Can Dündar es aus gutem Grund vorzieht, in | |
Deutschland zu bleiben, wollte Atalay zurück nach Istanbul. | |
Da gegen ihn ein Haftbefehl in Kraft ist, musste er damit rechnen, | |
festgenommen zu werden. Ob Atalay in Haft bleibt oder freigelassen wird, | |
muss nun ein Haftrichter entscheiden. Unter den gegenwärtigen | |
Ausnahmezustandsbedingungen kann das allerdings dauern. Wenn die Polizei | |
will, wird er zunächst 5 Tage weder einen Anwalt noch einen Angehörigen zu | |
sehen bekommen und kann danach noch weitere 25 Tage festgehalten werden, | |
bevor er einem Haftrichter vorgeführt werden muss. | |
Von den Ende Oktober festgenommenen 12 Cumhuriyet-Journalisten, sitzen nun | |
neun in U-Haft, darunter der Chefredakteur Murat Sabuncu. Die Zeitung | |
Cumhuriyet erscheint allerdings nach wie vor jeden Tag. Die Redaktion | |
befürchtet zwar, dass demnächst ein staatlicher Zwangsverwalter eingesetzt | |
und damit das Traditionsblatt der Republik quasi enteignet wird, doch noch | |
ist das nicht passiert. | |
## Konsequenzen von deutscher Regierung gefordert | |
Während die Cumhuriyet-Journalisten sich noch in U-Haft befinden, hat der | |
Prozess gegen ihre Kollegen von der pro-kurdischen Tageszeitung Özgür | |
Gündem, die bereits am 16. August verboten worden war, bereits begonnen. | |
Unterstützer von Özgür Gündem, wie der türkische Repräsentant von Reporter | |
ohne Grenzen, Erol Önderoglu, der Mathematiker Ahmet Nesin und die | |
Schriftstellerin Sebnem Komur Fincanci, sollen für jeweils 14 Jahre hinter | |
Gitter. | |
Gegen die berühmte Schriftstellerin Asli Erdogan, die lediglich zum | |
Beraterkreis der Redaktion gehörte, fordert die Staatsanwaltschaft sogar | |
eine lebenslängliche Freiheitsstrafe. Für Asli Erdogan, die in einer | |
Frauenhaftanstalt in Istanbul festgehalten wird, halten Frauen aus der | |
feministischen Bewegung vor dem Gefängnis eine Mahnwache. Briefe von ihr | |
aus dem Gefängnis wurden auch in Deutschland gedruckt, wo sie auch von der | |
Schriftstellervereinigung PEN unterstützt wird. | |
Am Sonntag beginnt in Istanbul die jährliche Buchmesse, bei der in diesem | |
Jahr Deutschland als Gastland fungiert. Eine Delegation deutscher Verleger | |
wird zu der Messe anreisen. Sie wollen dort ihre Solidarität mit den | |
verhafteten Schriftstellern und Journalisten zum Ausdruck bringen. | |
Gleichzeitig wird am kommenden Dienstag Außenminister Frank-Walter | |
Steinmeier in Ankara erwartet. Doch während viele deutsche Medien, | |
Journalisten, Schriftsteller und Verlegerverbände fordern, endlich | |
Konsequenzen im Umgang mit der türkischen Regierung zu ziehen, will die | |
Bundesregierung den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen und lehnt eine | |
Beteiligung an einer Diskussion über Sanktionen gegen Präsident Erdogan ab. | |
11 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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