# taz.de -- Repression in der Türkei: Erdoğan hat Ohrensausen | |
> Nach den Verhaftungen will die Oppositionspartei HDP das Parlament | |
> boykottieren. Staatschef Erdoğan ist immun gegen Kritik. | |
Bild: Die Polizei nimmt am Sonntag Protestierende in Istanbul fest. Die HDP hat… | |
Berlin taz | Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hat am | |
Sonntag Kritik an der Verhaftung von Oppositionsabgeordneten zurückgewiesen | |
und seinerseits Vorwürfe gegen den Westen erhoben.Erdoğanbetonte, Kritik | |
aus dem Ausland sei ihm gleichgültig. „Es kümmert mich überhaupt gar nicht, | |
ob sie mich einen Diktator oder Ähnliches nennen. Das geht zum einen Ohr | |
rein und zum anderen wieder raus. Wichtig ist, was mein Volk sagt.“ Der EU | |
warfErdoğanvor, PKK-Anhängern Unterschlupf zu bieten. | |
Mit einem radikalen Schritt reagierte die kurdisch-linke HDP auf die | |
Verhaftung ihrer Parteichefs und weiterer Abgeordnete vom Freitag: Die | |
drittgrößte Partei der Türkei will künftig das Parlament boykottieren. | |
„Angesichts des schwärzesten Tages in der Geschichte unserer demokratischen | |
Politik stellen wir unsere Mitarbeit im Plenum und den Ausschüssen des | |
Parlaments ein“, sagte ein Parteisprecher am Sonntagvormittag inDiyabakır. | |
HDP-Mitglieder erklärten, angesichts der verschärften Repression sei eine | |
normale Arbeit im Parlament nicht mehr möglich und mache auch keinen Sinn | |
mehr. Das Land bewege sich ohnehin auf eine Einmanndiktatur zu, | |
parlamentarische Entscheidungen spielten da kaum noch eine Rolle. | |
Viele Anhänger der HDP erwarten nun von der anderen Oppositionspartei, der | |
sozialdemokratisch-kemalistischen CHP, dass diese sich dem | |
Parlamentsboykott anschließt. CHP-Chef Kemal Kılıçdaroğlu hat zwar die | |
Verhaftungen der HDP-Führung scharf kritisiert, bislang aber zum Boykott | |
keine Stellung genommen. | |
## Neun Oppositionelle in Untersuchungshaft | |
Das machten am Samstag Hunderte Demonstranten, die sich rund um die Moschee | |
im Istanbuler Bezirk Sisli versammelten, um sowohl gegen die Verhaftungen | |
der HDP-Abgeordneten wie auch der Journalisten der Zeitung Cumhuriyet zu | |
protestieren. Deren Redaktionsgebäude befindet sich nahe der Sisli-Moschee. | |
Nach einer Kundgebung wollten die Demonstranten zur Cumhuriyet-Zentrale | |
marschieren. Doch die Polizei griff die Demonstranten mit Wasserwerfern und | |
Tränengas an. Gruppen von Flüchtenden wurden durch die Straßen des Viertels | |
verfolgt. | |
Unterdessen sind die Festgenommenen aus den Reihen der HDP-Führung wie von | |
Cumhuriyet den Haftrichtern vorgeführt worden, die bei neun von ihnen | |
Untersuchungshaft anordneten. Zu diesen zählen neben Chefredakteur Murat | |
Sabuncu der Karikaturist Musa Kart und der Kolumnist Kadri Gürsel. Die | |
Kolumnisten Hikmet Çetinkaya und Aydin Engin wurden aus gesundheitlichen | |
und Altersgründen freigelassen, stehen aber weiterhin unter Kontrolle der | |
Justiz. Zwei weitere Cumhuriyet-Mitarbeiter kamen frei, nachdem die | |
Vorwürfe gegen sie fallengelassen wurden. | |
## Die „Kurdischen Freiheitsfalken“ bekennen sich | |
In politischen Verfahren wie die, die nun gegen HDP und Cumhuriyet | |
anstehen, kann die Untersuchungshaft jahrelang andauern, bevor es zu einem | |
Prozess kommt. Sabuncu und die übrigen acht verhafteten Journalisten wurden | |
in das Spezialgefängnis für politische Gefangene in Silivre gesteckt, | |
HDP-Chef Selahattin Demirtaş und Kochefin Figen Yüksekdağ kamen in die | |
Hochsicherheitsgefängnisse in Edirne und Kocaeli in der Westtürkei; weit | |
weg von DiyarbakDiyabakırim kurdisch geprägten Osten des Landes, wo ihre | |
Familien und politischen Anhänger leben. | |
Überraschend haben sich am Sonntag die „Kurdischen Freiheitsfalken“ (TAK), | |
eine Unterorganisation der verbotenen kurdischen PKK, zu dem verheerenden | |
Bombenanschlag inDiyabakırvon Freitag bekannt. Das Attentat fand in | |
unmittelbarer Nähe eines Polizeikomplexes statt, in dem sich zur selben | |
Zeit die kurz zuvor festgenommenen SelahattinDemirtaşund | |
FigenYüksekdağaufhielten. Schon am Samstag hatte sich der „Islamische | |
Staat“ zu dem Attentat bekannt. Die Selbstbezichtigung der TAK unterstützt | |
die Auffassung der Regierung, die von Beginn an behauptet hatte, der | |
Anschlag gehe auf das Konto der PKK. | |
6 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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