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# taz.de -- Beziehungen zwischen EU und Türkei: Nur keinen Bruch riskieren
> Trotz der Menschenrechtsverstöße hält die EU an den Beitrittsgesprächen
> mit der Regierung in Ankara fest. Erdoğan zündelt weiter.
Bild: Festgenommen: der HDP-Kochef Demirtaş
BRÜSSEL taz | Von Fortschritt keine Spur, die Türkei hat den Rückwärtsgang
eingelegt. Zu diesem Schluss kommt die EU-Kommission in ihrem jährlichen
„Fortschrittsbericht“ für den EU-Beitritt. Trotz der gut dokumentierten
Menschenrechtsverstöße will die Brüsseler Behörde die Gespräche mit der
Türkei aber noch nicht abbrechen.
Zur Begründung verwies Erweiterungskommissar Johannes Hahn auf die
strategische Bedeutung des Landes. Vor allem in der Flüchtlingskrise würden
Präsident Tayyip Recep Erdoğan und seine Regierung weiter gebraucht. Die
Zusammenarbeit bei der Abwehr „illegaler“ Migranten habe sich bewährt, so
Hahn.
Im den vergangenen sechs Monaten vor dem Abschluss des umstrittenen
Flüchtlingsabkommens mit Erdoğan kamen nach Angaben der Kommission noch
rund 740.000 Migranten von der Türkei über das Mittelmeer nach
Griechenland. Im halben Jahr danach seien es lediglich 18.000 gewesen,
sagte der Österreicher. Dies sein ein Erfolg.
Allerdings geht es bei den Beitrittsverhandlungen nicht um Flüchtlinge,
sondern um die Grundwerte und die Standards der EU. Und da sieht es nach
Angaben der Brüsseler Behörde schlechter aus denn je. Seit dem
gescheiterten Putsch im Sommer hat sich die Türkei weiter von der EU
entfernt, statt sich anzunähern.
## Besorgniserregende Entwicklungen
Als Beispiele für „sehr besorgniserregende“ Entwicklungen nannte Hahn
massive Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die Festnahme von Politikern
der Oppositionspartei HDP sowie die neuerliche Diskussion über eine
Wiedereinführung der Todesstrafe. Im Bericht ist sogar vom Verdacht
“zahlreicher schwerer Verletzungen des Verbots von Folter und Misshandlung“
die Rede.
Angesichts dieser Rückschritte müsse man sich fragen, ob die Türkei
überhaupt noch EU-Mitglied werden wolle, erklärte der Kommissar. „Es ist an
der Zeit, dass uns Ankara sagt, was sie wirklich wollen.“ Die jüngsten
Entwicklungen seien „zunehmend unvereinbar“ mit dem offiziellen
Beitrittswunsch.
Der Österreicher geht damit über die offizielle Linie hinaus, die die 28
EU-Staaten festgelegt hatten. Bei einem Krisentreffen im „Politischen und
Sicherheitspolitischen Komitee“ in Brüssel hatten die Länder bereits am
Dienstag festgelegt, an den Beitrittsgesprächen nicht zu rütteln – im
Gegenteil: Man sei bereit, den „politischen Dialog auf allen Ebenen
fortzusetzen.“
## Erdogan heizt die Spannungen weiter an
Dieselbe Linie hatte zuvor die deutsche Bundesregierung ausgegeben. Berlin
hängt am stärksten an dem Flüchtlings-Deal, den Bundeskanzlerin Angela
Merkel ausgehandelt hatte, und möchte keinen Bruch – und damit einen
möglichen neuen Migrationsschub – riskieren. Erdoğan scheint dies jedoch
nicht als Entgegenkommen zu werten. Vielmehr heizt er die Spannungen weiter
an.
„Ungeniert und ohne Scham sagen sie, die EU-Verhandlungen mit der Türkei
müssen überprüft werden“, sagte Erdoğan am Mittwoch in Istanbul. „Na lo…
überprüft sie so bald wie möglich. Überprüft sie schleunigst. Aber wenn ihr
sie schon überprüft, zögert es nicht noch weiter hinaus, sondern fällt eure
endgültige Entscheidung.“
Was passiert, wenn die EU Ernst machen sollte, sagte er nicht. Allerdings
hat Erdoğan mehrfach mit dem Ende des Flüchtlings-Deals gedroht. Offenbar
möchte er Migranten als „Waffe“ einsetzen – die Beziehungen sind an einem
Tiefpunkt angelangt.
9 Nov 2016
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Schwerpunkt Türkei
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