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# taz.de -- EU-Außenminister zu Trump und Erdogan: Gewisse logische Sprünge
> Die EU-Außenminister können sich weder im Verhältnis zu Donald Trump noch
> zu Recep Tayyib Erdogan auf eine gemeinsame Linie verständigen.
Bild: Der britische Außenminister Boris Johnson lieferte wieder die beste Show…
Brüssel taz | Die Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten hat die
EU-Außenminister tief verunsichert. Bei einem Treffen in Brüssel schwankten
die 28 Chefdiplomaten zwischen Ohnmachts-Gefühlen und Supermacht-Gehabe.
Auch die Frage, ob die EU nun zusammenrücken und eine eigene Armee aufbauen
müsse, war umstritten.
Einigkeit bestand nur darin, dass Europa die Initiative ergreifen soll, um
Trump von „Fehlern“ in der Außenpolitik abzuhalten. Man könne sich “kei…
abwartende Haltung“ leisten, sagte die EU-Außenbeauftragte Federica
Mogherini nach einem hektisch einberufenen Krisentreffen am Sonntag Abend.
Allerdings fehlten die Außenminister Großbritanniens, Ungarns und
Frankreichs bei dem Treffen, das auf Drängen von Bundesaußenminister
Frank-Walter Steinmeier einberufen worden war. Und Steinmeier war auch
nicht so präsent wie üblich – nach seiner Nominierung für das Amt des
Bundespräsidenten sagte er seine Pressekonferenz in Brüssel überraschend
ab.
Stattdessen drängte sich Boris Johnson in den Vordergrund. Ausgerechnet der
umstrittene britische Außenminister, der rund um das Brexit-Referendum im
Juni gegen die EU polemisiert hatte, warb nun für den mindestens ebenso
umstrittenen Trump.
## Asselborn sieht EU als Supermacht
“Es ist wichtig, den designierten Präsidenten oder seine Regierung nicht im
Voraus zu verurteilen“, sagte Johnson. Der neue US-Präsident sei ein
“Dealmaker“, was “eine gute Sache für Großbritannien, aber auch eine gu…
Sache für Europa“ sein könnte. „Wir sollten es als Chance sehen“, freute
sich Johnson.
Die Gegenposition formulierten Federica Mogherini und Jean Asselborn. Die
EU-Außenbeauftragte und der Außenminister Luxemburgs sprachen sich dafür
aus, die EU zu einer „Supermacht“ auszubauen und dafür mehr in die
Verteidigung zu investieren. „Wir sind eine Supermacht“, sagte Asselborn,
der für eines der kleinsten (und militärisch schwächsten) Länder spricht.
Doch die EU hat Mühe, den großen Worten auch Taten folgen zu lassen.
Beispiel Türkei: Die 28 Außenminister konnten sich wieder nicht auf ein
gemeinsames Vorgehen gegen Staatschef Recep Erdogan und dessen zunehmend
repressive Politik einigen. Die Festnahme von Oppositionspolitikern und
Journalisten sei nicht mit den Grundwerten der EU vereinbar, hieß es zwar.
Doch auf die Frage, welche Konsequenzen daraus zu ziehen wären, gab es
keine klare, gemeinsame Antwort. Asselborn hat Wirtschaftssanktionen ins
Spiel gebracht, doch damit steht er ziemlich allein. Es habe einen
“gewissen logischen Sprung“, wenn die EU weiter über den Beitritt der
Türkei verhandele und dann Sanktionen verhänge, sagte Erweiterungskommissar
Johannes Hahn.
## Einigkeit nur beim Thema Iran
Denn auch für ein Ende der EU-Beitrittsverhandlungen gibt es keine
Mehrheit. Österreich fordert dies zwar vehement. Die Türkei habe „keinen
Platz“ in Europa, sagte Außenminister Sebastian Kurz. Er konnte sich aber
nicht einmal mit seinem Vorschlag durchsetzen, dass sich die EU auf ein
Ende des Flüchtlingsdeals mit der Türkei einstellen solle.
Doch wenn sich die Außenminister nicht einmal auf ein gemeinsames Vorgehen
gegen Erdogan verständigen können – wie sollen sie dann gegen Trump
bestehen? Der neue US-Präsident stellt nicht nur die gemeinsame Russland-
und Ukraine-Politik in Frage, er will auch aus dem Klimaschutz aussteigen
und das Atomabkommen mit dem Iran kündigen.
Wenigstens beim Iran dürfte er dabei auf eine geschlossene EU-Front stoßen.
„Alle Seiten“, also auch die USA, müssten ihre vertraglichen
Verpflichtungen einhalten, erklärten die EU-Außenminister. Nur so lasse
sich weiter Vertrauen aufbauen und eine „fortgesetzte, stetige und
schrittweise Verbesserung“ der Beziehungen mit Teheran erreichen, so die
Europäer.
Das ist aber auch so ziemlich die einzige Frage, in der sich alle einig
sind.
14 Nov 2016
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Europäische Union
EU-Ausschuss
Boris Johnson
Frank-Walter Steinmeier
Schwerpunkt Türkei
Donald Trump
Schwerpunkt Iran
Recep Tayyip Erdoğan
Frank-Walter Steinmeier
Schwerpunkt Brexit
Pressefreiheit in der Türkei
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt Türkei
Steuerflucht
Schwerpunkt Rassismus
CETA
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