Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Prozesse gegen türkische Medienvertreter: „Wir sind es leid“
> Erol Önderoğlu von Reporter ohne Grenzen steht in der Türkei vor Gericht.
> Wie vielen Journalisten wird ihm Terrorpropaganda vorgeworfen.
Bild: Bereits im Juni 2016 demonstrierten Aktivisten für die Freilassung Önde…
ISTANBUL taz | „Wir sind es leid, immer wieder vor diesem Gerichtsgebäude
zu stehen und jedes Mal erleben zu müssen, wie die türkische Justiz einen
fairen Prozess verweigert und jedes Mal illegitime Prozesse gegen
Journalisten fortsetzt.“ Christophe Deloire ist der internationale
Vorsitzende von Reporter ohne Grenzen. Er kommt seit Jahren immer wieder zu
Prozessen in die Türkei. Seit aber auch der türkische Vertreter der eigenen
Organisation, Erol Önderoğlu, angeklagt wird, ist Deloire Dauergast am
Bosporus.
Am Mittwoch wurde das Verfahren gegen Önderoğlu, [1][das im November
letzten Jahres begann], fortgesetzt – und wieder verweigerte das Gericht
einen Freispruch. Stattdessen wurde der Prozess nach der Klärung einiger
Verfahrensfragen auf den 19. März vertagt.
Önderoğlu wird vorgeworfen, gemeinsam mit anderen bekannten Journalisten,
Publizisten und Menschenrechtlern „Propaganda für eine Terrororganisation“
betrieben zu haben, nur weil er sich dafür eingesetzt hat, das die
prokurdische Tageszeitung Özgür Gündem nicht geschlossen wird. Mit ihm auf
der Anklagebank sitzt die Vorsitzende der türkischen
Menschenrechtsstiftung, Şebnem Korur Financı, der Cumhuriyet-Kolumnist
Ahmet Nesin und der letzte Chefredakteur von Özgür Gündem, İnan Kızılkaya.
Während Önderoğlu, Financı und Nesin nach heftigen internationalen
Protesten wenigstens aus der U-Haft entlassen wurden, sitzt İnan Kızılkaya
seit August letzten Jahres in Haft. Nun wurde beschlossen, sein Verfahren
von dem der anderen drei Angeklagten abzutrennen, wahrscheinlich, weil ihm
ein noch weit höhere Strafe nicht nur wegen Propaganda, sondern wegen
angeblicher Mitgliedschaft in der PKK droht.
## Im Gerichtssaal nebenan sitzt ein weiterer Journalist
Dass türkische Journalisten in Präsident Erdoğans neuer Türkei mehr Zeit im
Gericht als in der Redaktion verbringen, zeigt der Umstand, dass
gleichzeitig mit Erol Önderoğlu auch der Hauptstadtkorrespondent der
Cumhuriyet, Erdem Gül, in einem anderen Gerichtssaal wenige Türen weiter
gestern antreten musste. Erdem Gül ist gemeinsam mit dem früheren
Chefredakteur Can Dündar, der mittlerweile in Berlin lebt, und dem
ehemaligen Chefredakteur von Hürriyet und heutigem Parlamentsabgeordneten
Enis Berberoğlu ebenfalls der Unterstützung einer terroristischen
Vereinigung angeklagt, nur dass es sich bei Gül, Dündar und Berberoğlu
nicht um die PKK, sondern um die Gülen-Bewegung handeln soll.
[2][In einem ersten Verfahren] waren Dündar und Gül schon im letzten Sommer
zu fünfeinhalb beziehungsweise sechs Jahren Gefängnis wegen Spionage
verurteilt worden. Der jetzige Prozess wurde damals von dem
Spionageverfahren abgetrennt. In der Sache geht es immer um dasselbe. Die
beiden hatten im Juni 2015 eine Geschichte publiziert, in der beschrieben
wurde, wie der türkische Geheimdienst illegal Waffen an Islamistenkämpfer
in Syrien liefert.
## Waffen für Islamisten
Während Dündar die Aberkennung der türkischen Staatsbürgerschaft droht,
weil er nicht zum Prozess erschienen ist, sollen Gül und Berberoğlu für 15
bis maximal 30 Jahre ins Gefängnis. Die Anklage behauptet, sie hätten die
Information über den Waffentransport von der Gülen-Bewegung bekommen und
mit der Veröffentlichung diese „Terrororganisation“ unterstützt. Auch ihr
Verfahren wurde auf März vertagt.
Im Anschluss an die Verhandlung sagte Erol Önderoğlu gegenüber
Prozessbeobachtern aus dem In- und Ausland, beide Verfahren machten
deutlich, dass die gegenwärtige türkische Regierung trotz der massiven
Kritik aus Europa und den USA dabei ist, eine freie Presse endgültig
abzuschaffen.
Darüber hinaus zeige der Prozess, dass auch alle
Menschenrechtsorganisationen, die sich für die Rechte der kurdischen
Minderheit einsetzen, mundtot gemacht werden sollen.
11 Jan 2017
## LINKS
[1] /!5356847/
[2] /!5302238/
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Pressefreiheit in der Türkei
Schwerpunkt Türkei
Journalismus
Prozess
Zeitung
Schwerpunkt Can Dündar
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Ahmet Şık
Aslı Erdoğan
Schwerpunkt Türkei
Stimmen für Asli
Recep Tayyip Erdoğan
## ARTIKEL ZUM THEMA
Internetzensur in der Türkei: Gar nicht so unfrei
Die türkische Regierung blockt das Webportal des Journalisten Can Dündar.
Doch viele in der Türkei juckt das nicht besonders.
Verfassungsänderung in der Türkei: Das Sultanat Erdoğan ist nahe
Die Verfassungsreform wurde vom Parlament beschlossen. Damit nimmt Erdoğans
Diktatur Gestalt an. Das Parlament wird überflüssig.
Demokratieabbau in der Türkei: Das Parlament schafft sich ab
Die Abgeordneten segnen Verfassungsänderungen mit Dreifünftelmehrheit ab.
Jetzt kann Präsident Erdoğan so richtig durchregieren.
Festnahme des Journalisten Ahmet Șık: Er wird weiterschreiben
Für unsere Autorin ist ihr Kollege Ahmet Șık der Inbegriff des mutigen
Journalismus. Sie hat Zweifel, ob ihn ein rechtsstaatliches Verfahren
erwartet.
Kommentar Prozess gegen Aslı Erdoğan: Gefährliche Wahrheit
Sie schrieb über Menschenrechtsverletzungen und wird des Terrors
beschuldigt. Der Prozess richtet sich gegen sie und gegen die
Pressefreiheit.
Pressefreiheit in der Türkei: Autor Ahmet Şık festgenommen
Der Journalist und Autor Ahmet Şık wurde 2014 mit dem Unesco-Preis für
Pressefreiheit ausgezeichnet. Nun hat ihn die türkische Polizei
festgenommen.
Kolumne Stimmen für Aslı Erdoğan: Angst, aber keine Überraschung
Aslı Erdoğan ist in der Türkei inhaftiert. Freunde und Kollegen schreiben
der Journalistin in dieser Serie – die Festnahme überrascht sie nicht.
„Cumhuriyet“-Herausgeber verhaftet: Vom Flugzeug ins Gefängnis
Neun Journalisten der Zeitung sind bereits in U-Haft. Am Dienstag wird
Steinmeier in Ankara sein und Gespräche führen – aber nicht über
Sanktionen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.