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# taz.de -- Kommentar Prozess gegen Aslı Erdoğan: Gefährliche Wahrheit
> Sie schrieb über Menschenrechtsverletzungen und wird des Terrors
> beschuldigt. Der Prozess richtet sich gegen sie und gegen die
> Pressefreiheit.
Bild: Bei der Leipziger Buchmesse 2008 konnte sie noch frei reden
Die Wahrheit ist unbequem. Die Wahrheit ist verstörend. Sie wird gern mal
verkehrt oder gleich ganz vertuscht, wie etwa derzeit in der Türkei. Dort
beobachten wir seit Monaten ein autoritäres Regime, das aus Angst vor einem
Machtverlust ein Medium nach dem anderen ausschaltet. Und das all jene
verfolgt und wegsperrt, die ihr Lebenswerk der Suche nach Wahrheit
verschrieben haben.
Aslı Erdoğan ist nur eine von über 150 Autor*innen und Journalist*innen,
die derzeit in türkischen Gefängnissen sitzen, weil sie es gewagt haben,
die aktuelle Lage der Türkei in Form von Texten abzubilden. Doch als
international renommierte Schriftstellerin, deren Bücher in zwölf Sprachen
übersetzt wurden, zählt sie zu den prominentesten Insass*innen. Vier ihrer
Kolumnen, die sie zwischen März und Juli 2016 für die inzwischen verbotene
türkisch-kurdische Zeitung Özgür Gündem schrieb, wurden vor Gericht als
Beweise vorgelegt für ihre „Mitgliedschaft in einer terroristischen
Organisation“, namentlich der PKK.
Diese von der Staatsanwaltschaft ausgewählten Texte zeigen nicht nur, was
für eine brillante Denkerin Aslı Erdoğan ist. Sie offenbaren auch, welche
Behauptungen die AKP-Regierung am dringlichsten verbieten will: Es sind
allesamt erschütternde Berichte aus den kurdischen Gebieten, wo seit
Aufkündigung des Waffenstillstands zwischen der bewaffneten kurdischen
Arbeiterpartei PKK und der türkischen Armee im Juli 2015 wieder
kriegsähnliche Zustände herrschen.
Aslı Erdoğan erzählt von der Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung. Von
Folter. Von Menschen, die bei lebendigem Leib in Kellern verbrannt werden.
Von anonymen Massengräbern. Von Dingen, die ansonsten niemand schreibt –
vielleicht aus Angst, vielleicht aber auch, weil es vor Ort, im Südosten
der Türkei, de facto keine Berichterstattung mehr gibt, die nicht vonseiten
der Regierung zensiert wird.
Der Prozess, der am Mittwoch in Istanbul begann, richtet sich also nicht
gegen eine einzelne Schriftstellerin. Er richtet sich gegen die Meinungs-
und Pressefreiheit sowie gegen den universellen Humanismus. Denn Aslı
Erdoğans angeblicher „Terrorakt“ besteht lediglich darin,
Menschenrechtsverletzungen publik zu machen, von denen keiner wissen soll.
Auch das ist eine unbequeme, verstörende Wahrheit.
29 Dec 2016
## AUTOREN
Fatma Aydemir
## TAGS
Aslı Erdoğan
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Pressefreiheit
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Humanismus
Kurden
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Schwerpunkt Türkei
Putschversuch Türkei
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