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# taz.de -- Prozess gegen Aslı Erdoğan: Vorerst freigelassen
> Die Schriftstellerin und acht weitere Angeklagte haben für die
> prokurdische Zeitung „Özgür Gündem“ gearbeitet. Sie werden des
> Terrorismus beschuldigt.
Bild: „Die Freiheit der Autoren ist nicht garantiert“ heißt es auf dem Sch…
Istanbul taz | Mit einer großen Überraschung ist der erste Tag im Prozess
gegen Aslı Erdoğan zu Ende gegangen: Der Richter ordnete am
Donnerstagnachmittag an, die türkische Schriftstellerin und ihre Kollegin
Nicmiye Alpay aus der Untersuchungshaft zu entlassen.
Beide saßen seit dem 19. August im Frauengefängnis in Bakirköy, einem
Stadtteil von Istanbul. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, die
„Terrororganisation PKK“ zu unterstützen. Sowohl Aslı Erdoğan als auch d…
Schriftstellerin Alpay haben [1][gelegentlich Kolumnen für die im August
verbotene Tageszeitung Özgür Gündem] geschrieben. Dafür droht ihnen eine
15-jährige Gefängnisstrafe.
Das prokurdische Blatt Özgür Gündem war wegen angeblicher Propaganda für
die PKK geschlossen worden. Neben den beiden Frauen sind sieben weitere
Redakteure und Journalistinnen angeklagt, die zuvor für Özgür Gündem
gearbeitet hatten.
Noch bevor der Prozess gegen Aslı Erdoğan und Nicmiye Alpay begann, hatte
bereits die Nachricht die Runde gemacht, dass kurz zuvor auch der
[2][prominente Journalist Ahmet Şıkfestgenommen] worden war. Begründung: Er
habe Staatsorgane beleidigt und Propaganda für eine Terrororganisation
betrieben.
Ein Abgeordneter der oppositionellen CHP, Baris Yarkadas, nahm vor dem
Gerichtsgebäude dazu Stellung: Er habe mit Sik telefonieren können. Der
habe ihm gesagt, er werde nun gemäß Ausnahezustandsrecht fünf Tage lang
isoliert, bevor ihn ein Anwalt oder Angehörige besuchen dürften. „Die
Türkei“, so Yarkadas, werde immer mehr zu einer „Hölle für Journalisten�…
## Deprimierender Auftakt
Trotz dieses deprimierenden Auftaktes wirkte der Andrang vor dem Gericht in
Istanbul am Donnerstagmorgen ermutigend. Denn obwohl es stürmte und wie aus
Eimern goss, hatten sich rund 200 Sympathisanten, darunter auch viele
Freunde aus dem europäischen Ausland, zum Prozessauftakt eingefunden. Sie
forderten lauthals Einlass in den Gerichtssaal.
Doch wie häufig bei politischen Prozessen hatte das Gericht für die
Verhandlung keinen ausreichend großen Saal ausgesucht, sondern eher eine
Kammer. Nur knapp 30 Besucher fanden hier Platz. Eine Kette von Polizisten
drängte die übrigen Prozessbeobachter rüde zurück, auch etliche
Journalisten bekamen keinen Zutritt mehr.
Von den insgesamt neun Angeklagten, die entweder der Redaktion der
prokurdischen Özgür Gündem angehört hatten oder der Tageszeitung wie Aslı
Erdoğan als Kolumnistin und Beiratsmitglied verbunden waren, erschienen zum
ersten Prozesstag nur drei Frauen: Eren Keskin, Rechtsberaterin der
geschlossenen Zeitung, die im Gegensatz zu den anderen Angeklagten nicht in
U-Haft saß, und die beiden Schriftstellerinnen Aslı Erdoğan und Necmiye
Alpay. Alle anderen erreichten das Gerichtsgebäude nicht. Der Grund dafür
blieb unklar.
Unter den herrschenden Bedingungen des Ausnahmezustands wird man in der
Türkei nicht nur schnell verhaftet. Angeklagte können auch nur auf eine
eingeschränkte Verteidigung hoffen. So durfte die versammelte Schar von
fast 60 AnwältInnen für die 9 Angeklagten zwar in den Verhandlungsraum,
dort mussten sie aber schweigen.
Nur drei Anwälte durften für alle Angeklagten zu den Vorwürfen der
Staatsanwaltschaft Stellung nehmen. Die las in absolut monotoner Form einen
38-seitigen Schriftsatz vor, in dem es um die Unterstützung, teilweise
Mitgliedschaft und Propaganda für eine Terrororganisation ging.
## Gegen die kurdische Opposition
Für die Anklage ist klar: Wer für Özgür Gündem arbeitet – und sei es auch
nur gelegentlich – oder sich dafür starkmacht, dass auch die kurdische
Opposition eine Stimme haben soll, müsse mindestens ein Unterstützer, wenn
nicht Mitglied der kurdischen PKK-Guerilla sein.
Hintergrund: Seit dem Putschversuch vom 15 Juli geht der türkische Staat
auch gegen die kurdische Opposition wieder massiv vor. Die
Führungsmannschaft der linken-kurdischen Parlamentspartei HDP sitzt seit
Oktober in Haft, kurdische Bürgermeister werden reihenweise ihres Amtes
enthoben oder ebenfalls verhaftet.
Die Schriftstellerin Aslı Erdoğan nahm zu den Vorwürfen des Staatsanwaltes
selbst Stellung. Sie werde sich verteidigen, als gäbe es in der Türkei noch
einen funktionierenden Rechtsstaat, sagt sie eingangs.
Anschließend wies sie die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft entschieden
zurück. In keiner ihrer Kolumnen habe sie der Gewalt das Wort geredet.
Immerhin war der Staatsanwalt so beeindruckt, dass er anschließend die
Forderung der Anwälte nach einer Haftentlassung der schwerkranken Aslı
Erdoğan und deren bereits 70 jährigen Mitangeklagten Necmiye Alpay
unterstützte.
Das Gericht folgte dieser Empfehlung und ordnete für insgesamt drei
Untersuchungshäftlinge die Freilassung an. Allerdings wurde gegen alle
Angeklagten eine Ausreisesperre verhängt. Der Prozess soll am 2. Januar
fortgesetzt werden.
Siehe auch die Stimmen für Aslı Erdoğan: In den vergangenen Tagen hat die
taz [3][Briefe von SchriftstellerInnen an die türkische Autorin]
veröffentlicht.
29 Dec 2016
## LINKS
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[2] /!5370104
[3] http://www.%20taz.de/aslierdogan
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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