# taz.de -- EU-Flüchtlingspolitik im Sudan: Abschottung im Auftrag Europas | |
> Früher verübten seine Kämpfer Verbrechen in Darfur. Heute jagt | |
> Generalmajor Daglo als Chef der Grenzpolizei Flüchtlinge, die nach Europa | |
> wollen. | |
Bild: Sudanesische Grenzpolizisten im Jahr 2014 | |
„Ich sage ganz klar: Wir sind von den Flüchtlingen nicht gefährdet, denn | |
die Menschen wollen ja nach Europa“, erklärte Generalmajor Mohammed Hamdan | |
Daglo. Stolz präsentierte der Kommandant von Sudans Schnellen | |
Einsatztruppen (RSF) im August auf einer Pressekonferenz in der Hauptstadt | |
Khartum über 800 „illegale Migranten“: Eritreer, Äthiopier und Sudanesen. | |
Sie waren auf dem Weg Richtung Europa, als die RSF sie an der libyschen | |
Grenze aufgriff. „Also arbeiten wir stellvertretend für Europa“, stellte | |
der Generalmajor klar. Berühmt und berüchtigt ist er unter dem Kriegsnamen | |
„Hametti“. | |
Ausgerechnet Hametti. Sudans oberster Grenzschützer gilt als mutmaßlicher | |
Kriegsverbrecher. Als Neffe eines führenden Clanchefs aus Ost-Darfur, wo | |
Kamelhirten und Händler bewaffnet unterwegs sind, wurde seine Reitermiliz | |
2003 von Sudans Regime als Stoßtrupp aufgestellt, um in Darfur Rebellen zu | |
bekämpfen. Bekannt als „Janjaweed“, wurde Hamettis Miliz von | |
Menschenrechtsorganisationen für grausame Verbrechen verantwortlich | |
gemacht. Im Jahr 2009 erließ der Internationale Strafgerichtshof gegen | |
Sudans Präsident Omar al-Bashir Haftbefehl. Der Vorwurf: Völkermord in | |
Darfur. | |
In Sudan gilt Hametti als Held. Im April beförderte Präsident Bashir ihn | |
zum Generalmajor, verteilte Tapferkeitsmedaillen. Hametti erzielte jüngst | |
in Darfur den entscheidenden Sieg: die Zerschlagung der Rebellenarmee JEM | |
(Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit). Während Bashir von der | |
Ladefläche eines Pick-ups herab seine Lobrede auf Hametti hielt, verwesten | |
im Hintergrund aufgedunsene Leichen im Wüstensand. Amnesty International | |
berichtet in ihrem [1][jüngsten Darfur-Bericht] von Giftgasangriffen der | |
Regierung gegen die Bevölkerung. | |
Hametti gilt als persönlicher Garant von Bashirs Macht. 2014 stellte er | |
sich in seinem Hauptquartier in Darfur vor die Kameras des australischen | |
TV-Senders ABC und rühmte sich, er empfange seine Befehle direkt vom | |
Präsidenten. 2013 wurde seine Miliz als Grenzwächtereinheit vom | |
Geheimdienst übernommen, um den Darfur-Rebellen die Rückzugswege | |
abzuschneiden. Hametti heuerte seine Verwandten an. Dafür forderte er | |
Pfründen: Macht, Ausrüstung und Einfluss. | |
## Loyale Truppen, die Hametti ausstatten muss | |
Seit einer Verfassungsänderung 2015 darf Sudans Geheimdienst NISS (National | |
Intelligence and Security Service) eigene Truppen unterhalten. Laut Artikel | |
151 ist er nicht mehr nur zur „Überwachung der Grenzen und Bekämpfung von | |
Schmugglern“ durch das „Sammeln von Informationen“ zuständig, sondern ist | |
als eigenständiges Organ der Armee gleichgestellt. Heute ist Hamettis RSF | |
rund 6.000 Mann stark. Sie alle tragen offizielle NISS-Ausweise. Sie sind | |
besser ausgestattet als die regulären Streitkräfte, fahren schnelle | |
Pick-ups. Sie sind für die Überwachung der Grenzen zu Libyen, Ägypten und | |
Tschad zuständig. | |
Denn das Chaos in Libyen hat auch Rebellen aus Darfur angezogen. Sie | |
rekrutieren Flüchtlinge aus Darfur und rüsten gegen Sudans Regierung. | |
Dagegen soll Hametti einen Puffer errichten: Er versucht, im Grenzgebiet | |
eine Koalition mit der libyschen Miliz „Libya Dawn“ aufzubauen, die im | |
Übergangsrat in Tripolis sitzt und von Sudan und Katar unterstützt wird – | |
loyale Truppen also, die Hametti ausstatten muss. | |
Auf seiner Pressekonferenz vom August erklärte Hametti: Bei der Festnahme | |
der 800 Migranten sei es zu Gefechten gekommen, bei welchen 25 seiner | |
Soldaten getötet, 315 verletzt und 151 Autos zerstört worden seien. „Bei | |
unserem Kampf gegen illegale Migration haben wir schwere Verluste hinnehmen | |
müssen, unsere Fahrzeuge wurden zerstört, während wir durch die libysche | |
Wüste Jagd gemacht haben. Dennoch hat uns bislang niemand dafür gedankt“, | |
beklagte er sich. Ein mutmaßlicher Kriegsverbrecher erpresst die EU. | |
## Die EU will in Afrika Grenzbehörden unterstützen | |
Für ihre neue Migrationspolitik in Afrika hat sich die EU ausgerechnet | |
Sudan als ein Hauptpartnerland ausgeguckt. Das wichtigste | |
Migrations-Rahmenabkommen zwischen der EU und den Staaten Ostafrikas heißt | |
Khartum-Prozess. Sudans Präsident Bashir mag der einzige Staatschef | |
weltweit sein, gegen den ein Haftbefehl des Internationalen | |
Strafgerichtshofs anhängig ist, unter anderem auf europäische Initiative | |
hin – jetzt strecken Europäer dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher die Hand | |
aus. | |
Eine Delegation des Bundestagsausschusses für Wirtschaftliche Entwicklung | |
und Zusammenarbeit staunte nicht schlecht, als sie Anfang Oktober in | |
Khartum den Innenminister traf, Leutnant Esmat Abdulrahman. Neben den | |
Abgeordneten saßen zwei NISS-Agenten mit am Tisch. Am Vortag hatten die | |
Deutschen Bashirs Berater Ibrahim Mahmoud Hamid getroffen, ein enger | |
Vertrauter des Präsidenten, der für ihn die Kontakte zum Westen pflegt. | |
Hamid ist der offizielle sudanesische Ansprechpartner im Khartum-Prozess. | |
Darin arbeiten EU-Staaten mit den afrikanischen Transitländern für | |
Flüchtlinge und Migranten vom Horn von Afrika zusammen, um „Menschenhandel | |
und Schleusertum einzudämmen“ und Migrationsströme „zu regulieren und zu | |
kontrollieren“, wie es heißt. | |
Dafür will die EU in Afrika Grenzbehörden unterstützen. „Training, | |
technische Hilfe und Lieferung angemessener Ausrüstung, um die | |
Migrationspolitik umzusetzen“, heißt es in der Projektbeschreibung zum | |
„Besseren Migrationsmanagement“ im Rahmen des Khartum-Prozesses. Diese | |
Grenzbehörden sind Sicherheitskräfte, die in der Regel der Polizei, der | |
Armee oder im Sudan eben dem Geheimdienst unterstehen. Wird die EU nun also | |
mutmaßliche Kriegsverbrecher wie Hametti ausrüsten? | |
## Haupttransitland für Ostafrikaner | |
Sudan ist das Haupttransitland für Migranten vom Horn von Afrika Richtung | |
Mittelmeer. Für viele Arbeitsmigranten war es bislang Zielland: Geschätzte | |
2,5 Millionen aus Eritrea, Äthiopien, Tschad, Somalia oder Niger, sogar | |
Syrer, da Sudan eines der wenigen Länder ist, für das sie kein Visum | |
brauchen. Es gibt auch rund 365.000 vom UNHCR registrierte Flüchtlinge und | |
Asylbewerber. Viele ziehen nun weiter gen Norden, das Land steckt in einer | |
Wirtschaftskrise. | |
Sudan produziert auch selbst Flüchtlinge. Sie stellen in der EU gleich nach | |
den Eritreern die meisten Asylanträge aus Afrika. Schuld sind die | |
Bürgerkriege in den Regionen Darfur, Blue Nile und Südkordofan, die | |
Verfolgung von Oppositionellen und Minderheiten. Über 3 Millionen | |
Binnenvertriebene hausen laut UNHCR in Lagern. Der Parlamentarische | |
Staatssekretär Thomas Silberhorn besuchte Anfang März die Lager: „Für viele | |
Flüchtlinge im Sudan ist die Lage hoffnungslos. Die gefährliche Weiterreise | |
nach Europa ist oft der einzige Ausweg“, sagte er dort in die Kameras. | |
Doch nur die Hälfte der Asylanträge von Sudanesen in EU-Mitgliedsstaaten | |
wird anerkannt. Die Übrigen sollen abgeschoben werden. Die Rückführungsrate | |
ist im Fall Sudan jedoch „besonders niedrig“, so das | |
EU-Rückführungsabkommen mit Sudan vom März 2016. Sie liege bei nur 12 | |
Prozent. Im Vergleich: Der Durchschnitt bei anderen Ländern beträgt 40 | |
Prozent. Der Grund, so das Rückführungsabkommen: „ein kompletter Mangel an | |
Kooperation von Sudans Seite“. | |
Um die Kooperationsbereitschaft zu steigern, verspricht die EU im nächsten | |
Satz „Kapazitätenbildung“ und unterbreitet Sudan ein unwiderstehliches | |
Angebot: die Wiederaufnahme des geächteten Regimes in die Weltgemeinschaft | |
als „Partner“. Sudans Innenminister erstellte eine Wunschliste: Ausrüstung, | |
Internierungszellen, Zäune, Kampfhubschrauber. | |
Italien wagte im August einen Testlauf mit einem bilateralen Vertrag. | |
Sofort zeigte sich Sudan kooperativ: Drei Wochen später hob ein Flugzeug | |
von Turin ab in Richtung Khartum. An Bord: 40 abgeschobene Sudanesen. | |
Wenige Tage später stellte sich General Hametti vor die Kameras und | |
verlangte europäische Ausrüstung. | |
## Kaum war Merkel aus Afrika zurück … | |
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der EU-Politik mit ihren | |
emsigen Afrika-Reisen und Staatsempfängen eine deutsche Handschrift | |
verpasst. Im Khartum-Prozess sitzt die Bundesregierung im | |
Lenkungsausschuss. | |
Ende 2015 reiste Entwicklungsminister Gerd Müller nach Eritrea, eines der | |
autoritärsten Regime der Welt, und versprach im Auftrag der EU ein | |
200-Millionen-Euro-Paket zur „Fluchtursachenbekämpfung“. Kanzlerin Merkel | |
besuchte in diesem Oktober Äthiopien, wo kurz zuvor Aufstände gewaltsam | |
niedergeschlagen worden waren. Sie griff zwar zu deutlichen Worten und traf | |
sogar Oppositionelle. Doch im selben Zug verkündete sie eine engere | |
Zusammenarbeit mit äthiopischen Polizeikräften. | |
Kaum war Merkel aus Afrika zurück, kam eine Polizeidelegation aus Sudan | |
nach Berlin. Der Chef der Immigrationsbehörde, Generalleutnant Awad Dahiya, | |
will biometrische Pässe und Ausweise einführen. Dazu besichtigte er die | |
Bundesdruckerei in Berlin. Danach wurden im Präsidium der Bundespolizei | |
Hände geschüttelt. Ein „Kennenlerngespräch“, so die Pressestelle auf | |
taz-Anfrage: „Vereinbarungen zwischen der sudanesischen Polizei und der | |
Bundespolizei wurden mithin im Rahmen des Besuchs nicht getroffen.“ | |
Die Partnerschaft mit Sudan ist längst geregelt – im Verborgenen. In einem | |
geheimen Bericht des Auswärtigen Amts, der der taz vorliegt, ist von | |
„maßgeschneiderten Länderpaketen“ die Rede, „die unter keinen Umstände… | |
die Öffentlichkeit gelangen dürften“. Denn zu Sudan bestünden Bedenken des | |
Auswärtigen Dienstes der EU: „Der Ruf der EU stehe auf dem Spiel, wenn sie | |
sich zu stark mit dem Land engagiere.“ | |
## Schuldenerlass für Sudan? | |
Die EU hat Sudan im Rahmen des Khartum-Prozesses anteilig Gelder aus dem | |
40-Millionen-Euro-Topf für das „Bessere Migrationsmanagement“ zugesagt, | |
wozu Deutschland weitere 6 Millionen zuschießt. Im Rahmen des | |
EU-Afrika-Migrationsdialogs fließen weitere 17,5 Millionen Euro, dazu | |
sicherte die Bundesregierung 35 Millionen Euro Hilfe für Flüchtlinge zu. | |
Das größte, „maßgeschneiderte“ EU-Paket umfasst 100 Millionen Euro, um | |
Herausforderungen von „Klimawandel, Armut oder Vernachlässigung“ zu | |
bekämpfen – langfristige Fluchtursachenbekämpfung. Es wird nicht nach | |
Khartum überwiesen, sondern von europäischen Partnern vor Ort ausgegeben. | |
Kurz nach Unterbreitung des 100-Millionen-Angebots kam Sudans Außenminister | |
Ibrahim Ghandour nach Berlin und Brüssel. Der ARD erklärte er: „Wir haben | |
schon lange nach Ausrüstung wie GPS und anderem Grenzschutzequipment | |
gefragt.“ Darüber sei mit Deutschland und der EU gesprochen worden und er | |
erwarte „ein gegenseitiges Einvernehmen“. Dann erzählte er: „Der | |
Migrationskommissar in Brüssel hat mir gesagt: ‚Wir haben 12.000 illegale | |
Migranten aus dem Sudan in der EU. Sind Sie bereit, die zurückzunehmen?‘ | |
Ich sagte ihm: ‚Sofort. Steht zu euren Versprechen und sie sind herzlich | |
willkommen.‘ “ | |
Noch auf derselben Reise wurde im März das EU-Rückführungsabkommen mit | |
Sudan unterzeichnet, eines der ersten in Afrika. Es geht um kurz- und | |
mittelfristige Maßnahmen, um dann „Schritt für Schritt den politischen | |
Willen des Sudan zu testen“, also ein Zuckerbrot-Ansatz nach dem Motto: | |
Wenn Sudan mitspielt, gibt’s noch mehr hinterher. Die Peitsche ist dagegen | |
eher gemäßigt: „Sollte die Kooperation nicht effektiv sein“, würden die | |
EU-Mitglieder über Visarestriktionen gegen Regierungsmitglieder | |
„diskutieren“. | |
Zudem erwägt die EU die Erlassung aller Schulden Sudans bei EU-Staaten, | |
will sich bei den USA für die Streichung Sudans von der US-Terrorliste | |
einsetzen und bei der Welthandelsorganisation für neue Gespräche. Im | |
nächsten Satz folgt der Hinweis: „Die EU sollte das Reputationsrisiko | |
sorgfältig abwägen, sich mit dem Sudan einzulassen.“ | |
## Menschenrechte wahren | |
Deswegen erfolgt das Engagement über Nichtregierungsorganisationen. | |
Zuständig für die Umsetzung des Khartum-Prozesses in Sudan ist die | |
Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Deutschlands | |
wichtigste Agentur für Entwicklungshilfe. Dafür ist sie in Verruf geraten. | |
Der Grund: Ein Anhang des EU-Konzepts „Besseres Migrationsmanagement“, in | |
dem Sudans Innenminister „verbesserte Grenz-Infrastruktur an 17 | |
Grenzübergängen (Computer, Scanner, Server, Autos und Flugzeug)“ verlangt. | |
Dahinter kommentiert die EU: „Im Prinzip ja, aber Flugzeug | |
unwahrscheinlich.“ | |
Gegenüber der taz zeigt sich die GIZ verärgert über die Veröffentlichung | |
dieses Anhangs. Die „Wunschlisten“ der afrikanischen Regierungen seien im | |
April 2015 bei einer Konferenz in Ägypten entstanden, so Martin Weiß von | |
der GIZ, verantwortlich für das Projekt. „Nach der Diskussion dieses | |
Dokuments mit der EU haben wir sehr klare Menschenrechtsprinzipien | |
festgelegt“, so Weiß. Jetzt stehe in der Präambel als Vertragsbestandteil: | |
„Die Maßnahmen werden ausgeführt mit vollem Respekt gegenüber den | |
Menschenrechten von Migranten.“ | |
Training für Sudans Grenzbeamten sei „denkbar“, so Weiß – allerdings ni… | |
im Sudan, sondern in Äthiopien. EU-Ausbilder würden den menschengerechten | |
Umgang mit Migranten lehren. Weiß unterstreicht: „Wir werden nicht mit | |
Menschen zusammenarbeiten, die wegen Menschenrechtsverbrechen auf | |
Sanktionslisten stehen“ und „wir werden keine Ausrüstung liefern, die auf | |
geltenden Sanktionslisten aufgeführt ist.“ Einzige Ausnahme: | |
Büromaterialien bis hin zum Laptop. | |
Seit April war Weiß viel unterwegs. In Kenia, Äthiopien und Sudan wurden | |
Büros angemietet, Mitarbeiter angestellt. Im Oktober fand ein Treffen mit | |
allen Partnern statt. Dabei wurden Projekte konkretisiert: Für Äthiopien | |
eine „Fortbildung für Richter und Staatsanwälte in Hinsicht auf die | |
Verfolgung von Menschenhandel mit Fokus auf den menschenrechtlichen Umgang | |
mit Opfern“, im Sudan „Safe Houses“, in welchen Opfer von Menschenhändle… | |
Schutz finden. „Im Sudan sind die Gefängnisse voller Migranten. Unser | |
Auftrag ist hier, Verständnis für deren Lage herzustellen“, so Weiß. Sudans | |
Wunschliste für Ausrüstung wurde hingegen endgültig abgelehnt. | |
Aber die Migrationskontrolle im Sudan bleibt in den Händen der | |
Sicherheitsorgane. Im Rahmen des Khartum-Prozesses hat Sudan ein „Komitee | |
zur Bekämpfung des Menschenhandels“ (NCCHF) gegründet, in dessen Leitung | |
neben Polizei- und Armeevertretern auch NISS-Geheimdienstoffiziere sitzen. | |
Diese neue Behörde hat viel zu tun: Khartum ist ein Zentrum von Schleusern, | |
so ein interner Bericht der Bundesregierung. „Äußerst problematisch seien | |
die vielen Schmugglernetzwerke“, steht da unter Berufung auf | |
EU-Erkenntnisse. | |
## „Es ist eine Schande“ | |
Italienischen Ermittlungen zufolge gilt das Lager Hajar bei Khartum als | |
Umschlagplatz für Migranten gen Libyen. Die Schlepper-Paten leben sicher in | |
der nahe gelegenen Hauptstadt. Von dort aus soll ein somalischer | |
Geschäftsmann enorme Summen zwischen Mittelmeer und Somalia hin und her | |
überweisen. „Erste Klasse“-Deals werden von einem Eritreer abgewickelt: Wer | |
es sich leisten kann, fliegt aus Khartum für 30.000 Dollar nach Singapur | |
oder die Philippinen, von wo aus es dann mit Schengen-Visum nach Europa | |
weitergeht. | |
„Es ist nicht auszuschließen, dass auch sudanesische Grenzbeamte gegen Geld | |
die Menschenhändler unterstützen“, steht im internen Papier des Auswärtiges | |
Amts vom Juni 2016. Sudan-Experten munkeln längst hinter vorgehaltener | |
Hand: Sudans Regime schützt Menschenhändler. Für die EU ist es jedoch | |
„Partner“ im Kampf gegen Menschenhandel. | |
„Es ist eine Schande, dass sich die GIZ auf so etwas einlässt“, kritisiert | |
Jérôme Tubiana. Der Researcher für die Nichtregierungsorganisation Small | |
Arms Survey und ehemalige Sudan-Ermittler der UNO kommt gerade von der | |
Grenze zwischen Sudan und Tschad zurück. Er berichtet von Tschads | |
Grenzposten Addé zu Sudan: ein loses Seil, mehrfach zusammengeknotet, über | |
eine holprige Piste mitten in der Wüste – keine Demarkationslinie, kein | |
Zaun. Ab und zu düst eine Patrouille vorbei, ein Pick-up von Tschads | |
Grenzbehörde und Hamettis RSF, die hier zusammenarbeiten. | |
Aus Gesprächen mit Grenzbeamten weiß Tubiana, dass sie, obwohl sie der | |
Polizei und damit dem Innenministerium unterstehen, mit dem Geheimdienst | |
zusammenarbeiten. Auch von der Grenze zu Südsudan weiß er: Die Grenzbeamten | |
in Polizeiuniform sind NISS-Agenten. | |
Eritreer, die jüngst geflohen sind, berichten der Exilorganisation | |
Eritreische Initiative für Flüchtlingsrechte (EIRR), sie hätten an der | |
Grenze hoch gerüstete Spezialeinheiten gesehen. EIRR-Direktorin Meron | |
Estefanos bekommt Anrufe von Eritreern auf der Flucht: „Sie erzählen, | |
Sudans Einheiten seien von Deutschen ausgerüstet worden, deswegen wagen sie | |
sich nicht mehr über die Grenze“, sagt die Eritreerin der taz aus dem Exil | |
in Schweden. Schon Gerüchte schrecken ab. | |
Auf die Frage, wie die GIZ mit den RSF-Truppen entlang Libyens Grenze | |
umgehen wird, antwortet Weiß: „Wir müssen unsere Partner vor Ort | |
kennenlernen und sehr sorgfältig bewerten, ob mit denen eine Zusammenarbeit | |
möglich und überhaupt gestattet ist.“ | |
17 Nov 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.amnesty.de/2016/9/29/sudan-einsatz-von-chemischen-waffen-darfur | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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