# taz.de -- Ethiker zu tierleidfreier Ernährung: „Menschen dürfen Tiere ess… | |
> Verteidigung der Viehhaltung: Tiere haben nicht das gleiche Lebensrecht | |
> wie Menschen, sagt Ethiker Norbert Hoerster. | |
Bild: Kein Schwein gehabt – aber vielleicht enden diese Ferkel zumindest als … | |
taz: Herr Hoerster, viele Veganer finden, Menschen müssten auf tierische | |
Lebensmittel verzichten. Was meinen Sie? | |
Norbert Hoerster: Menschen dürfen Tiere essen. Denn die meisten Tiere, die | |
wir essen, wurden von Menschen erzeugt, damit sie gegessen werden können. | |
Der britische Schriftsteller Leslie Stephen hat schon im 19. Jahrhundert | |
geschrieben: „Das Schwein hat selbst das größte Interesse an der Nachfrage | |
nach Speck“. Wenn der Mensch kein Interesse am Fleischverzehr hätte, würden | |
die meisten Nutztiere gar nicht leben. | |
Nach dieser Logik könnte man doch auch gezielt Menschen erzeugen, um diese | |
auszubeuten. | |
Nein, Menschen sind von Natur aus anders ausgestattet als Tiere. Tiere | |
haben nicht dieses für Menschen typische Weiterlebensinteresse. Tiere leben | |
einfach im Hier und Jetzt. Menschen jedoch haben ein starkes Bedürfnis, | |
auch morgen oder in einem Jahr noch zu leben – Menschen haben Ziele und | |
Pläne, die weit in die Zukunft reichen. | |
Aber haben nicht auch Tiere einen Überlebensinstinkt? | |
Natürlich. Beispielsweise sammeln manche Tiere schon im Herbst Nahrung, um | |
im Winter genug zu fressen zu haben. Aber es ist ein großer Unterschied, ob | |
das lediglich durch die Evolution bestimmt ist oder ob das wie beim | |
Menschen ein gezieltes Handeln ist. | |
Auch viele Säugetiere und Vögel haben ein langes Gedächtnis. Spricht das | |
dagegen, dass Tiere nur im Hier und Jetzt leben? | |
Das spricht nicht dagegen, was die Zukunft betrifft. Nur bei Menschenaffen | |
ist dies etwas anderes. Da kann man schon streiten, ob man denen ein Recht | |
auf Leben zugestehen soll. Aber für Nutztiere wie Schweine oder Hühner gilt | |
das nicht. | |
Es gibt auch Menschen, die nicht langfristig handeln können. Ein Beispiel | |
dafür sind etwa Säuglinge. Dürfte man diese Ihrer Meinung nach dann auch | |
einsperren oder sogar töten? | |
Nein, das würde ich natürlich ablehnen. Zum einen hat ja jeder Mensch | |
zumindest für seine eigenen Kinder ein starkes Interesse, dass diese | |
weiterleben. Daher muss er akzeptieren, dass er auch andere Kinder nicht | |
töten darf. Andererseits stimmt es, dass Kinder dieses menschliche | |
Überlebensinteresse ganz langsam entwickeln. Aber sie entwickeln es eben – | |
im Gegensatz zu Tieren. | |
Warum ist aus menschlicher Sicht ein Menschenleben mehr wert als ein | |
Tierleben? | |
Einfach weil wir Menschen ein stärkeres Interesse an unserem eigenen | |
Wohlergehen als am Wohlergehen der Tiere haben. Man hat auch ein größeres | |
Interesse an seinem eigenen Wohlergehen als am Wohlergehen seines Nachbarn. | |
Das heißt nicht, dass einem das Wohlergehen seines Nachbars völlig | |
gleichgültig ist oder dass man nicht bereit ist, dafür etwas aufzuwenden. | |
Aber wenn es darum geht, zwischen dem einen oder dem anderen zu | |
entscheiden, dann zieht man eben instinktiv, aus natürlichen Bedürfnissen, | |
das eigene Wohlergehen vor. | |
Unter welchen Bedingungen dürfen wir Menschen Tieren Schmerzen zufügen? | |
Allenfalls dann, wenn es eine notwendige Bedingung ist, um größere | |
Schmerzen von Menschen zu verhindern. Zum Beispiel, wenn nur dadurch der | |
Arzt das Leben eines Menschen retten kann, dass er das Pferd, das ihn zu | |
dem Menschen bringen soll, prügelt, damit es möglichst schnell läuft. | |
Darf der Mensch Tiere töten und ihnen so auch Schmerzen zufügen, um sich zu | |
ernähren? | |
Ich halte Tierhaltung nur dann für legitim, wenn die Tiere erstens | |
artgerecht gehalten werden und zweitens schmerzlos – also unter Betäubung – | |
getötet werden. | |
Dann sagen Tierrechtler: „Artgerecht ist nur die Freiheit.“ | |
Wenn Sie fünf Hühner auf Ihrem Grundstück halten, weiß ich nicht, was da | |
das Problem sein soll. Die Tiere haben viel Platz, sie können ihre | |
Bedürfnisse ausleben. | |
Aber fünf Hühner reichen nicht, um eine ganze Stadt zu ernähren. Ist es | |
denn mit artgerechter Tierhaltung überhaupt möglich, ein Volk mit genügend | |
tierischen Lebensmitteln zu versorgen? | |
Die meisten Menschen müssen weniger Fleisch essen. Nicht nur aus ethischer | |
Sicht, sondern auch im Eigeninteresse aus gesundheitlicher Perspektive. | |
Aber selbst wenn man statt 100 beispielsweise 1.000 Tiere hat, ist es | |
möglich, diese artgerecht zu halten, wenn das Areal tiergerecht, also | |
insbesondere groß genug, ist. | |
Ist die Tierhaltung, die in Deutschland vorherrscht, artgerecht? | |
Unser Tierschutzrecht ist ziemlich gut. Aber es ist die eine Sache, wie das | |
Recht aussieht in der Theorie, und eine andere, wie es in der Praxis | |
umgesetzt wird. Da gibt es noch deutliche Mängel. | |
Mitarbeit: Jonas Achorner | |
20 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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