# taz.de -- Vegan in Berlin: Metzger mit Ideen | |
> Berlins vegane Szene ist längst ein Tourismusfaktor geworden. In | |
> Friedrichshain bietet das L’herbivore dem Kunden Seitanwürste und | |
> Sauerkrauthack. | |
Bild: Gleiche Rechte für alle: Demo der Organisation Peta im Mai 2016 in Berli… | |
Es blubbert im Kessel. Dampfschwaden steigen auf und verhüllen den Blick | |
auf das, was da vor sich hin kocht: dicke, in Plastikfolie verpackte | |
Würste, schon dem Aussehen nach ziemlich deftig. Ausgepackt und | |
aufgeschnitten wird die „Kräuter-Bratscheibe in | |
Balsamico-Olivenöl-Marinade“ daraus, ein Spezialangebot zur Grillsaison. | |
Würste, Bratscheibe, Grillsaison? Mit Schweinen, Kühen oder Lämmern hat das | |
hier trotzdem alles nichts zu tun. Denn in dem an der Grenze zwischen | |
Friedrichshain und Prenzlauer Berg gelegenen Laden L’herbivore ist alles | |
vegan – von der Soße übers Gyros bis zum Käse auf dem Cheeseburger. Die | |
Würste bestehen aus dem Weizeneiweißprodukt Seitan sowie Lupinenmehl, | |
verknetet mit einem aus Kräutern, Gewürzen, Zwiebeln und Knoblauch | |
hergestellten Sud, der je nach gewünschter Geschmacksrichtung | |
unterschiedlich gewürzt wird. | |
Betrieben wird der im Januar dieses Jahres eröffnete Laden, eine | |
Kombination aus Thekenverkauf und Bistro, von zwei jungen Männern, Jonny | |
Theuerl und Erik Koschitza, die mit Schürze und Kochmütze eher nach | |
Fleischermeistern als Rohkostliebhabern aussehen. Und das soll auch so | |
sein: „Wir essen selbst am liebsten deftig, und das merkt man unserer Küche | |
auch an“, sagt Theuerl. Zwar betonen die beiden, die Seitanproduktion sei | |
eine „jahrhundertealte Tradition“, die nichts mit Ersatz zu tun habe, | |
sondern für sich stehe. Dennoch ist es kein Wunder, dass über das | |
L’herbivore schon als „Berlins ersten veganen Metzger“ berichtet wurde: D… | |
Aufmachung erinnert unweigerlich an eine klassische Fleischtheke, auf der | |
Karte stehen Gerichte wie Schaschlik oder Hackbällchen mit Sauerkraut. | |
Damit passt der Laden zur Entwicklung der veganen Szene: In Berlin, von der | |
Süddeutschen Zeitung schon vor zwei Jahren als „das vegane Mekka Europas“ | |
bezeichnet, müssen Menschen, die tierfrei leben wollen, auf nichts | |
verzichten. Mandel-Nougat-Eis, Peperonipizza, Halloumisandwich, | |
Sauerbraten, Blaubeerdonuts, Trekkingschuhe, Vibratoren, Schminkpinsel: All | |
diese Produkte lassen sich in Berlin in tierfreier Ausführung finden, und | |
die Liste ließe sich noch lange weiterführen. | |
## „Wachsende Foodszene“ | |
130 Restaurants und Cafés verzichten laut Vegetarierbund auf Fleisch auf | |
ihrer Speisekarte. Ausschließlich veganes Essen gibt es laut der Seite des | |
Tierrechtsbündnisses Berlin-Vegan in 64 Lokalitäten, darunter | |
Straßenimbisse ebenso wie Gourmetrestaurants. In 352 gastronomischen | |
Einrichtungen soll es der Seite zufolge zumindest auch vegane Speisen im | |
Angebot geben. | |
Kein Wunder, dass das Stadtmarketing das Thema längst entdeckt hat – | |
visitBerlin konstatiert der veganen Szene ein „rasantes Wachstum“. „Wir | |
wissen von veganen Hotels und Restaurants, dass Menschen auch genau aus | |
diesem Grund nach Berlin kommen“, sagt visitBerlin-Sprecher Christian | |
Tänzler. Das sei zwar „zahlenmäßig keine überwältigende“ Zielgruppe, a… | |
dennoch eine wichtige, denn die vegane Szene sei untereinander gut | |
vernetzt. | |
„Dass sich Berlin in Sachen vegan zum Trendsetter entwickelt hat, ist eine | |
sehr positive Entwicklung, die auch gut zum gesundheitsbewussten und auf | |
Nachhaltigkeit orientierten Lebensgefühl dieser Stadt passt“, sagt Tänzler. | |
Während Berlin früher kaum für kulinarische Innovationen bekannt gewesen | |
sei, habe sich dies „mit einer wachsenden Foodszene“ in den letzten Jahren | |
geändert. | |
Trendsetter, Innovation, Foodszene? Wem das zu abgehoben klingt, den zieht | |
es vielleicht doch eher zu den Hackbällchen, die es bald auch über einen | |
Onlineshop von L’herbivore geben soll, wenn die Crowdfundingkampagne dafür | |
genug Geld zusammenbringt. Nach einer ordentlichen Portion Seitan fühlt man | |
sich übrigens ähnlich wie nach einem Fleischgelage – von Hipsterrohkost | |
keine Spur. | |
19 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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