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# taz.de -- Musik aus Nahost: „Das Interesse ist enorm“
> Das Osnabrücker Morgenland-Festival will hochkarätige Musiker aus dem
> persischen und arabischen Raum vorstellen. Dieses Jahr ist es
> Geflüchteten gewidmet
Bild: Im Kirchenschiff: das auch diesmal geladene aserbaidschanische Ensemble A…
taz: Herr Dreyer, hat sich Ihr „Morgenland“-Festival durch die
Flüchtlingskrise verändert?
Michael Dreyer: Natürlich betrifft uns die Flüchtlingskrise, und das
spiegelt sich auch in einigen unserer Konzerte. Aber es ist nicht unser
Schwerpunkt. Wobei sich das nie ganz trennen lässt: Der
Armenien-Schwerpunkt in Jahr 2015 war auch der Tatsache geschuldet, dass
der Genozid an den Armeniern 100 Jahre zurücklag. Trotzdem war es kein „In
Memoriam Genozid“-Projekt. Stattdessen habe ich das Festival allen Menschen
gewidmet, die ihre Heimat verlassen mussten. Das war im Juli 2015, da war
die ganz große Flüchtlingswelle noch gar nicht da.
Warum verzichtet Ihr 2005 gegründetes Festival in diesem Jahr erstmals auf
den Länderschwerpunkt?
Weil uns etwas Universelleres vorschwebt: Letztlich geht es um Identität
und Heimat. Das sind für mich aber eher Aspekte des Programmierens gewesen,
sie stehen nicht als Titel oben drüber. Wenn wir geflüchtete Musiker
einladen, wollen wir ihnen ja auch helfen, hier Fuß zu fassen und eine neue
Heimat zu finden.
Treten diesmal besonders viele geflüchtete Musiker auf?
Besonders viele wäre übertrieben. Aber wir haben einige syrische und einen
irakischen Musiker eingeladen, die in verschiedenen Konstellationen
spielen. Unser Morgenland Chamber Orchestra – ein seit Jahren bestehendes
Projektorchester mit professionellen Musikern aus Irak, Iran, Syrien, dem
Libanon, Aserbaidschan und Deutschland – hat dieses Jahr mehrere Musiker
des „Syrian Expat Philharmonic Orchestra“ (Sepo) eingeladen. Das Sepo
besteht aus geflüchteten Musikern, die über Europa verstreut sind und die
ein syrischer Kontrabassist 2015 in Bremen erstmals zusammengebracht hat.
Warum haben Sie nicht das komplette Syrian Expat Philharmonic Orchestra
eingeladen?
Weil eine in sich geschlossene Gruppe die Integration erschwert. Ich finde
es sinnvoller, deren Musiker mitten in unser Morgenland Orchestra zu
setzen, damit alle zusammen spielen und sich vernetzen können.
Ist Ihr Festival ein soziales Projekt?
Nein. Seit seiner Gründung 2005 geht es mir immer zu allererst darum zu
zeigen, welch phantastische Musik es in dieser Region gibt – und sie auf
die Bühne zu bringen. Ich möchte, dass die Zuhörer nach dem Konzert sagen:
„Das war toll!“ und nicht: „Sieh mal, die armen Syrer!“
Das wäre Ihnen zu paternalistisch?
Ja. Stellen Sie sich vor, Sie müssten Deutschland verlassen, weil ein
Bürgerkrieg ausbräche. Dann wollen Sie im Ausland ja auch nicht wie ein
Kleinkind behandelt werden. Natürlich ist Empathie gefragt, Mitgefühl auf
Augenhöhe. Aber kein gönnerhaftes Mitleid.
Liberale muslimische Theologen können sich im Exil – etwa an der Uni
Münster – oft freier äußern als in ihrer Heimat. Soll Ihr Festival, das
Musiker aus Ost und West zusammenbringt, der arabischen Musik zur
unzensierten Weiterentwicklung verhelfen? Eine Art Motor sein?
Konservatismus in der arabischen Musik ist in der Tat ein spannendes Thema.
Während des Festivals „Oriental Landscapes“ 2011 in Damaskus gab es eine
Konferenz dazu. Und es war wirklich zauberhaft, wie engagiert sich dort
Musiker, Wissenschaftler, Musikethnologen gestritten haben! Aber was das
Morgenland-Festival betrifft: Ich weiß nicht, ob die arabische Musik unser
– zudem nicht rein arabisches – Festival braucht, um innovativ zu sein. Das
glaube ich nicht und fände es auch sehr anmaßend. Ich versuche einfach,
einen Ort zu bieten, wo hochkarätige Musiker verschiedener musikalischer
Traditionen respektvoll miteinander arbeiten und phantastische neue Musik
entstehen kann.
Unbemerkt vom Rest der Welt.
Nein, gar nicht. Wir haben einen Youtube-Channel, in den wir Ausschnitte
unserer Konzerte einstellen. Und da gucken täglich 3.000 Menschen rein! Wir
haben also mehrere Millionen Menschen auf der Welt, die unsere Konzerte
hören und sehen, und das ist für mich mit das Wichtigste, was wir haben.
Hier entsteht ein Archiv, das jedem zugänglich ist und sogar
weiterbestünde, wenn das Festival irgendwann mal nicht mehr existieren
sollte.
Was sagen die Musiker selbst dazu?
Nach jedem Festival bekommen wir enthusiastische Rückmeldungen, übrigens
auch über den Festivalort Osnabrück. Viele gastieren ja mehrfach bei uns
und äußern Dinge wie: „Du kannst die Philharmonie Berlin nicht mit
Osnabrück vergleichen. Berlin ist Berlin, und Osnabrück ist Zuhause.“
Warum eigentlich?
Osnabrück hat eine phantastische Größe. Die Musiker gehen zu Fuß zur Probe
und zum Essen, treffen auf der Straße Leute, die tags zuvor im Konzert
waren. Alles ist nah und auf gute Art familiär. Und wenn Sie aus
Mega-Städten wie Kairo oder Teheran kommen, empfinden Sie Osnabrück als
Traumort zum Durchatmen.
Und die provinziellen Osnabrücker schätzen hochkarätige persische oder
arabische Musik?
Natürlich nicht die ganze Stadtgesellschaft, aber das Interesse ist enorm.
Wir haben über 700 Menschen, die sich traditionelle uigurische Musik oder
irakische Maqam-Musik anhören. Ich glaube nicht, dass man das irgendwo
anders findet. Osnabrück ist wirklich ein grandioser Festivalstandort,
absolut die Heimat des Morgenland-Festivals, auch wenn wir viele Gastspiele
unternehmen.
Aber wird die Stimmung nach den jüngsten – auch von Flüchtlingen verübten …
Anschlägen in Deutschland so freundlich bleiben?
Ich finde nicht, dass hierzulande jetzt eine Riesenpanik herrscht. Ich
glaube, dass die Menschen besser differenzieren können als allgemein
angenommen. Die Sicherheitsdebatte spielt aber auch bei uns eine Rolle.
Den Schlusspunkt des diesjährigen Festivals bildet das
Morgenland-Campus-Konzert. Wer tritt dort auf?
Wir haben drei arabische Weltklasse-Musiker zum „Morgenland-Campus“
eingeladen, um eine Woche lang mit Studenten der Osnabrücker Hochschule ein
Konzertprogramm zu erarbeiten. Diese interkulturelle Arbeit – eine neue
Art, Musik zu denken, zu spielen, zu improvisieren, andere Rhythmen und
Tonalitäten zu lernen – eröffnet einen wichtigen neuen Horizont. Denn der
Musikkanon an hiesigen Hochschulen ist immer noch extrem europazentriert.
Freitag, 2.9. bis Sonntag, 11.9., Osnabrück
Programm: [1][http://www.morgenland-festival.com/]
26 Aug 2016
## LINKS
[1] http://www.morgenland-festival.com/
## AUTOREN
Petra Schellen
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