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# taz.de -- Kolumne Mittelalter: Die Mafia-Faschismus-Connection
> Was wird aus Europa? In Berlin erzählte ein italienischer Historiker, was
> mal fast daraus geworden wäre und welche Rolle „Säbelrasseln“ haben kan…
Bild: Verhaftung eines Ndrangheta-Bosses in Kalabrien
Drei Wochen ist der Brexit nun alt. Und wenn inzwischen auch die Rechten
lustig sein wollen und weniger von Lügen- als von „Lückenpresse“ sprechen,
so zeigt der Blick in die Leitmedien das Gegenteil: Vom
[1][Wahlrechtsentzug] für [2][Alte] und Arme über die Beschimpfung der
dummen [3][Jungen], die nicht wählen gehen, bis zur Frage, ob es nicht doch
wieder Zeit für linken Populismus, ja gar für [4][Kommunismus] wäre, ist
alles beredet worden.
Wie es weitergeht, weiß niemand. Was wir hingegen wissen, ist, was möglich
war, als der „Kommunismus“ in Europa das letzte Mal verhindert werden
sollte. Einen Teil dieser Geschichte erzählte am vergangenen Montag der
italienische Historiker [5][Enzo Ciconte] in Berlin in seinem [6][Vortrag]
„Verbindungen zwischen Mafien und Rechtsterrorismus in Italien von den
1970er Jahren bis heute“.
Bekannt, wenn auch kaum verbreitet, ist die Tatsache, dass der aus
römisch-vatikanischem Adel stammende Kriegsverbrecher [7][Julio Valerio
Borghese] in der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember 1970 einen faschistischen
Putsch in Italien plante.
Borghese hatte sich ab 1943 in der „Italienischen Sozialrepublik“ –
Mussolinis Staat von Hitlers Gnaden – als gnadenloser Partisanenbekämpfer
hervorgetan. Das interessierte die amerikanischen und britischen
Geheimdienste sehr, sie halfen mit, dass Borghese nach kurzer Haft sein
antikommunistisches Engagement im Nachkriegsitalien ungebrochen wieder
aufnehmen konnte.
Neu in Cicontes Vortrag war für mich, dass ein Boss der kalabresischen
Mafia-Organisation ’Ndrangheta, Paolo de Stefano, sich für die Putschpläne
des faschistischen Prinzen Borghese so begeisterte, dass er ein Heer von
1.500 Mafiosi zur Unterstützung bereitstellte.
## Im letzten Moment abgesagt
Warum Borghese seine minutiös geplante Machtergreifung im letzten Moment
absagte, ist ungeklärt. Ciconte sagt, das „Säbelrasseln“ habe genügt, um
einen Linksruck der italienischen Politik zu verhindern. Dass die
italienischen Geheimdienste über alles informiert waren, sei bewiesen, bei
der CIA sei es offensichtlich, sagt Ciconte.
Das entscheidende Treffen zwischen Paolo De Stefano und Borghese fand auf
Vermittlung des Rechtsextremisten (und Anwalts) Paolo Romeo im Sommer 1970
in Reggio Calabria statt. Ebenjener Paolo Romeo hat, wie die am Dienstag
bekannt gewordene [8][„Operation Rhegion“] der italienischen Polizei ergab,
bis heute die Auftragsvergabe für öffentliche Bauten in der kalabresischen
Metropole kontrolliert – neben dem Drogenhandel die Haupteinnahmequelle der
Clans.
Das deckt sich exakt mit Cicontes Fazit, die faschistisch-mafiösen
Netzwerke hätten sich nach dem Sieg über den Kommunismus auf Geld und Macht
konzentriert. „Aber wenn sie gerufen werden, sind sie jederzeit
einsatzbereit“, schloss er seinen Vortrag.
Und unser Europa, in dem Waren und Dienstleistungen frei zirkulieren?
Vielleicht überflüssig zu erwähnen, dass keines der Bücher Cicontes auf
Deutsch vorliegt und dass der Spezialist für Verbindungen zwischen
organisierter Kriminalität, Rechtsterroristen und Geheimdiensten vom
NSU-Komplex nicht mehr als den Namen kennt.
14 Jul 2016
## LINKS
[1] http://www.deutschlandradiokultur.de/kritik-nach-brexit-votum-kein-wahlrech…
[2] http://www.bento.de/politik/brexit-die-alten-versauen-der-generation-erasmu…
[3] /!5317257/
[4] http://www.zeit.de/campus/2016-07/kommunismus-alternativlosigkeit-politisch…
[5] https://it.wikipedia.org/wiki/Enzo_Ciconte
[6] http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/11-juli-2016-berlin-konferenz-%C3%B6…
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Junio_Valerio_Borghese
[8] http://www.ilfattoquotidiano.it/2016/07/12/ndrangheta-10-fermi-in-tutta-ita…
## AUTOREN
Ambros Waibel
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