# taz.de -- Kolumne Mittelalter: „Man macht sich zum Knecht“ | |
> Über das deutsche Volk und seine Feinde: Ein fast fiktives | |
> „Zeit“-Gespräch mit Marc Jongen, dem philosophischen Kopf der AfD. | |
Bild: Schräg: Marc Jongen | |
Nach der Österreich-Wahl ist die Stimmung im „Blauen Haus“, der | |
Parteizentrale der AfD, verständlicherweise etwas gedämpft. [1][Marc | |
Jongen] allerdings treffen wir in aufgeräumtester Stimmung an. In seiner | |
schmucken Uniform wirkt er, als hätte er nie das Zivil des Gelehrten | |
getragen. Wir Liberalen, sagen wir zum philosophischen Kopf der AfD als | |
Erstes – nachdem der uns mit männlich-korrekter Geste unsere Plätze | |
angewiesen hat –, wir atmen auf: „Herr Hofer hat es nicht geschafft. Steht | |
der Weltgeist doch nicht auf der Seite der Rechtspopulisten?“ | |
Marc Jongen grinst jungenhaft: „Als großer Dramatiker liebt der Weltgeist | |
vielleicht auch nur die retardierenden Momente. Noch einmal hat das morsche | |
System seine Ressourcen zusammengekratzt, bevor es umso eindrucksvoller | |
einstürzen wird.“ Da spricht der studierte Philosoph. Aber das kritische | |
Nachhaken liegt natürlich auf der Hand. Stammen nicht ihre Wähler, fragen | |
wir Marc Jongen, aus einer unteren Mittelschicht, mit der wir Liberale nur | |
in Berührung kommen, wenn sich die persönliche Begegnung mit der Putzfrau | |
oder dem Paketboten eben gar nicht mehr vermeiden lässt? | |
Jongen entgegnet kerzengerade: „ Wir sind die ‚Lobby des Volkes‘, nicht | |
einzelner Interessengruppen. Wir schauen auf das Gemeinwohl.“ Beeindruckend | |
knapp weiß er zu sprechen, aber wir wollen doch noch ein letztes Mal für | |
die nächsten zwölf Jahre fragen: „Gibt es überhaupt so etwas wie das Volk?… | |
Die Frage nach dem Volk, sagt Jongen, sei eine metaphysische, „und wie alle | |
Fragen dieses Typs kann sie leicht zu totalitären Antworten verführen“. | |
Dabei sieht er uns adleraugenscharf an; und wie immer, wenn ihm eine | |
Antwort höchstes Konzentrationslager abverlangt, schwingt er seine | |
Nilpferdpeitsche sanft durch die Luft. | |
Die eigentliche Gefahr, fährt er fort, liege aber „in der Zersplitterung in | |
zu viele Einzelinteressen, die in der Summe nicht zum Wohl des Ganzen | |
arbeiten“. Ein übertriebener, letztlich neurotischer Humanismus stelle das | |
Fremde über das Eigene. Man mache sich zum Knecht von Einwanderern. „Und | |
der Pass alleine macht eben noch keinen Deutschen.“ Marc Jongen lächelt | |
liebenswürdig, er ahnt wohl, dass die Schärfe seiner Gedanken den verletzt, | |
der sich der Volksgemeinschaft so nahe fühlt wie nur irgendein Deutscher, | |
aber bei der „Verähnlichung“, wie Jongen für Assimilation sagt, natürlic… | |
Schranken nicht überwinden kann. | |
Schon ist die Zeit flink wie Windhunde verflogen. Fragen haben wir | |
eingefleischte Liberale keine mehr. Eigentlich hatten wir auch nie welche. | |
Scherzhaft meint Jongens Sekretär im Vorzimmer, ob wir die | |
AfD-Aufnahmeformulare nicht gleich ausfüllen wollen: Ein früher Eintritt | |
mache sich immer gut, wenn dann auch aus u. a. rassischen Gründen wohl | |
nichts daraus werde: „Der Wille zählt.“ | |
„Petry Heil“ grüßen wir spontan. „Da wäre ich vorsichtig“, mahnt der | |
Sekretär: Ein biederes „Auf Wiedersehen“ tue es auch. Jedenfalls vorläufi… | |
Das [2][Original-Gespräch] führten [3][Jens Jessen] und [4][Ijoma Mangold] | |
in der Zeit, 23/2016 | |
2 Jun 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=VOBfQMidROY | |
[2] http://www.genios.de/presse-archiv/artikel/ZEIT/20160525/-man-macht-sich-zu… | |
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Jens_Jessen_(Journalist) | |
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Ijoma_Mangold | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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