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# taz.de -- Die Gesellschaftskritik: Rasende Rentner
> Acht von zehn Fahrradfahrern, die tödlich verunglücken, sind älter als 65
> Jahre. Was sagt uns das? In der Stadt sind zu viele Autos unterwegs!
Bild: Keine Autos, keine Gefahr – so einfach ist das
Senioren lieben E-Bikes, können aber nicht mit ihnen umgehen. Altkluge
Ratschläge sind aber mal wieder die schlechteste Lösung. Jeder zehnte
getötete Fahrradfahrer ist ein E-Bike-Nutzer, acht von zehn Unfalltoten
sind älter als 65 Jahre: Aus dieser Interpretation der Daten der
offiziellen Unfallstatistik 2014 [1][bastelten die Kollegen] von der Welt
jüngst die hübsche Geschichte „Warum Senioren so häufig mit dem E-Bike
verunglücken“.
Die Zeiten, in denen wir hier krampfhaft das rechtsideologisch Verfehlte
bei unseren Nachbarn in der Rudi-Dutschke-Straße festnageln mussten, sind
Gott sei Dank vorbei. Trotzdem geht der Welt-Artikel an der Sache vorbei –
und zwar total.
Lassen wir zunächst die Empirie sprechen. Meine Mutter ist in den letzten
fünf Jahren zweimal mit dem Fahrrad verunglückt. Einmal war ein rasender
Jungradler schuld, das zweite Mal die Stadt München, die sich nicht
anständig um das Radwegenetz kümmert. Geklagt haben meine Eltern nicht,
dieses dauernde zum Anwalt rennen und Angeben, was man für einen guten
Anwalt hat – bei diesem Unsinn machen meine Eltern sympathischerweise nicht
mit.
Außerdem weiß meine Mutter natürlich: Sie ist, wenn auch eine sehr
erfahrene, so doch eben auch vor allem eine alte Radfahrerin, mit einem
eingeschränkten Blickfeld und einigen anderen Malaisen. Andererseits gehört
sie zu der Aufbaugeneration, für die die Devise gilt „Rückwärts nimmer“:
Ihr zu empfehlen, doch einfach mal langsamer zu machen, ist so sinnvoll,
wie der zweijährigen Tochter zu sagen, sie möge langsamer schaukeln.
## Reaktionsarme Methusalemfahrer
Auf diese Zusammenhänge stößt der Welt-Text schon auch und empfiehlt dann
halt sehr langweilige Dinge wie Helmtragen für Senioren, Gewöhnen an das
schwere und schnelle E-Bike für Senioren, Verkehrskurse für Senioren – das
ganze Arsenal eben aus linksversifft klingenden Veggieday-Ratschlägen, die
dem Alkoholiker empfehlen, weniger zu trinken und sich professionelle Hilfe
zu suchen und Blabla. Das klappt natürlich nicht und nie, so wie der
Sozialismus ja auch nicht geklappt hat – das war bei der Welt eigentlich
mal Standardwissen.
Das Problem sind nämlich nicht die Senioren, nicht die E-Bikes und nicht
die fehlende Übung. Das Problem ist der Platz. Immer mehr und immer
schnellere und immer mehr hilfsmotorisierte Radler drängen sich auf engem
Raum, während die Autofahrer einfach weiterpesten wie bisher.
Das muss sich ändern: Auto fahren, jedenfalls in der Stadt, ist
unerwünschtes Verhalten und kann nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein.
Damit erledigt sich dann gleich auch das Problem der regelmäßig ihre
Ehefrauen oder Nachbarskinder gegen Garagenwand oder Bordstein
quetschenden, halbblinden und reaktionsarmen Methusalemfahrer.
Die autobefreite Stadt, das wäre dann natürlich nichts Geringeres als:
Revolution. Und dafür sind wir hier eben doch immer noch gut.
31 May 2016
## LINKS
[1] http://www.welt.de/wirtschaft/article155791725/Warum-Senioren-so-haeufig-mi…
## AUTOREN
Ambros Waibel
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