| # taz.de -- Monitoring-Bericht zu Hate-Speech: Die neue Dimension der Aluhüte | |
| > Die rechte Hetze in sozialen Medien wendet sich von Flüchtlingen ab. Das | |
| > System wird zur Zielscheibe. Das lockt auch junge Linke zu KenFM. | |
| Bild: Mit Kunst und Liebe gegen Aggressionen | |
| BERLIN taz | „Eine neue Dimension des Hasses.“ So hat die Antonio Amadeu | |
| Stiftung ihren [1][Monitoring-Bericht] zu rechter Hetze im Netz betitelt. | |
| Die Studie bestätigt eine gefühlte Wahrheit: Die Flut rechter | |
| Hassbotschaften auf Facebook ebbt auch nach dem Rückgang der Zahl | |
| neuankommender Flüchtlinge nicht ab. Ganz im Gegenteil. | |
| „Im Jahr 2015 und in der ersten Hälfte 2016 hat sich der Hass weiter bis in | |
| die bürgerliche Mitte hinein verfestigt“, sagt Johannes Baldauf, Mitautor | |
| der Studie auf Anfrage der taz. Das schrille Geschrei gegen das | |
| „Asylantenpack“ und der inflationäre Gebrauch von Ausrufezeichen hat neue | |
| Formen angenommen, die nicht mehr nur Flüchtlinge als Zielscheibe hat. „Es | |
| zeichnet sich verstärkt ein Hass gegen das System ab, gegen Journalisten, | |
| Politiker und Unterstützer aus der Zivilgesellschaft“, so das Ergebnis der | |
| umfangreichen Social-Web-Analyse. | |
| Um die wichtigsten Sprachrohre rechter Hate-Speech aufzuspüren und zu | |
| bewerten, haben die Autoren Social-Media-Tools benutzt, die normalerweise | |
| im Marketing eingesetzt werden. So wurden die reichweitenstärksten Posts | |
| auf Facebook, Twitter und Youtube sichtbar. Die Stiftung untersuchte | |
| Bilder, Textbeiträge und Videos auf typische Narrative und Hassbotschaften | |
| aus dem rechten Spektrum. Rückschlüsse auf die Reichweite und Bedeutung | |
| zogen die Autoren aus den Like-Zahlen von einschlägigen Facebook-Gruppen, | |
| wie etwa von Pegida, NPD, AfD und der identitären Bewegung. Was am | |
| auffälligsten war: „Fans dieser Seiten wandten sich im ersten Halbjahr 2016 | |
| vestärkt Verschwörungstheorien zu“, sagt Baldauf. Politiker werden weit | |
| häufiger zu „Volksverrätern“, Journalisten als „Lügenpresse“, | |
| Asylbefürworter deutlich öfter als „linksversiffte Gutmenschen“ oder | |
| Verursacher der „Flüchtlingswelle“ beschimpft. | |
| Wie der gleichzeitig veröffentliche Verfassungsschutzbericht 2015 zeigt, | |
| hat auch die rassistisch motivierte Gewalt in Deuschland zu genommen. | |
| Danach wurden fünf Mal so viele Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte verübt | |
| wie im Vorjahr. Der Monitoring-Bericht belegt darüber hinaus, dass häufig | |
| eine „Nein zum Heim“-Gruppe auf Facebook in Orten auftauchte, an denen | |
| später Anschläge an Asylbewerberheime verübt wurden. Getarnt als Initiative | |
| besorgter Bürger mobilisieren rechte Kräfte mit diesen Seiten AnwohnerInnen | |
| gegen AsylbewerberInnen und deren Unterkünfte. | |
| Falschmeldungen über „Invasoren“, Gewaltaufrufe gegen die | |
| „Asylschmarotzer“, rechte Hassbotschaften sollen dort auch „besorgte | |
| Bürger“ anheizen. „Um ein toxisches Klima für einen Ort zu erzeugen, | |
| spielen diese „Nein zum Heim“-Seiten eine große Rolle“, sagt Baldauf. | |
| Mordrohungen würden auf Facebook oftmals nur gelöscht, ohne dass die | |
| Betroffenen mit rechtliche Konsequenzen rechnen müssten. Dadurch würden | |
| auch Behörden dazu beitragen, diese Straftaten zu bagatellisieren. | |
| ## Friedensquerfront lockt junge Linke | |
| In der Debatte um Flüchtlinge und EU-Krisen hat vor allem ein neues | |
| Phänomen an Gewicht gewonnen: die Friedensquerfront. Darunter ordneten die | |
| Autoren Seiten wie KenFM, das neurechte Magazin Compact und das | |
| Anonymous.Kollektiv ein, das inzwischen auf eine russische Domain umgezogen | |
| ist. Die Friedensquerfront setzt sich aus den Überresten der | |
| Montagsmahnwachen-Bewegung des Jahres 2014 zusammen, ihre Mitglieder | |
| idealisieren Russland als Bastion der Freiheit und kritisieren Deutschland | |
| als nicht-souveränen Staat, der unter Fremdherrschaft stehe. Wie die Studie | |
| ergab, schlossen sich im vergangen Jahr auch viele Digital Natives dem | |
| Anonymous.Kollektiv an, obwohl sie eigentlich aus dem linken Spektrum | |
| kommen und ein libertäres Weltbild vertreten. | |
| Baldauf sieht darin ein Warnsignal: „Die Rolle von Verschwörungserzählungen | |
| kommt immer mehr im Mainstream an. Es ist keine Nische der Nazis mehr, | |
| sondern ein gesellschaftliches Problem geworden.“ Anonymous.Kollektiv | |
| erreichte im vergangenen Jahr über 2 Milionen Abonnenten, KenFM folgen | |
| 250.000 User, weit mehr noch auf Youtube. Diese Welle neuer rechter | |
| Narrative in sozialen Medien weiß auch die AfD zu nutzen. Mittlerweile hat | |
| sie sich online als Partei mit den meisten Likes bei Facebook etabliert – | |
| mit doppelt so vielen „Gefällt mir“-Angaben wie SPD und CDU. | |
| Gerade Jugendlichen falle es oft schwer, Wahrheit von Lügen und rechter | |
| Propaganda zu unterscheiden, sagt Baldauf. Gefragt sei deswegen die | |
| Politik, deren Schritte gegen die digitale Hassrede bislang kaum Wirkung | |
| gezeigt habe. So hat etwa Heiko Maas Gründung einer Task-Force zwar viel | |
| öffentlichen Wirbel gebracht, eine Flut [2][rechter Melde-Attacken auf | |
| Facebook] konnte das aber nicht verhindern. | |
| Mit der Initiative „No Hate Speech Movement“ möchte die EU nun die | |
| Mitgliedsländer zu mehr Einsatz gegen Hass und Diskriminerung im Netz | |
| bewegen. Kurz nach dem Brexit bekommt diese Aktion nun aber eine ungewollte | |
| Doppeldeutigkeit. Auf [3][nohatespeechmovement.org] können Menschen unter | |
| dem Hashtag #nohatechain Selfies hochladen, auf denen sie ein halbes Herz | |
| mit ihren Fingern formen. Am Ende ergeben zwei Selfies aus | |
| unterschiedlichen EU-Ländern ein ganzes Herz gegen Hate – ausgerechnet | |
| jetzt, wo die fremdenfeindliche „Leave“-Kampagne Millionen Herzen gebrochen | |
| hat. Deutsche AktivistInnen hat die EU-Initiative nun aber ermutigt, eben | |
| diesem Gefühl der Unterlegenheit mit vereinten Kräften zu begegnen. | |
| ## Empowerment gegen Hate-Speech | |
| [4][no-hate-speech.de] heißt der deutsche Ableger der Plattform, die Ende | |
| Juli online gehen wird. Koordiniert wird sie von den Neuen Deutschen | |
| Medienmachern, einem Verand deutscher Journalisten mit und ohne | |
| Migrationshintergrund. Ziel solle es sein, vor allem junge Menschen für | |
| Hate-Speech zu sensibiliseren, erklärte Bundesfamilienministerin Manuela | |
| Schwesig (SPD) zum Start der deutschen Kampagne am Mittwoch. Konstantina | |
| Vassiliou-Enz, Geschäftsführerin der Neuen Deutschen Medienmacher, will mit | |
| der Kampagne das erste große Sprachrohr gegen rechte Hetze in Deutschland | |
| schaffen: „Wir wollen Betroffene unterstützen und zeigen, dass sie nicht in | |
| der Minderheit sind, nicht alleine einer Front von Hatern gegenüberstehen.“ | |
| Die Seite richte sich bewusst nicht an Hate-Speaker: Stattdessen sollen | |
| User dort Methoden lernen, Hassbotschaften geschickt zu kontern. Dazu | |
| gehört etwa die Aufklärung über rechtliche Möglichkeiten, gegen | |
| Beleidigungen, Verleumdungen oder Morddrohungen vorzugehen. Opfer rechter | |
| Hetze sollen aber auch Inhalte und Argumente zur direkten Gegenrede finden: | |
| Und zwar vor allem Memes und Gifs, sagt Vassiliou – denn das seien oft die | |
| besseren Argumente. „Hassrede basiert oft nicht auf Fakten, sondern | |
| verbreitet Emotionen. Unsere Antwort darauf ist Humor. Die Gegenrede soll | |
| witzig sein, nicht moralisierend.“ | |
| Darüber hinaus will die Plattform Inhalte verlinken, die von bereits | |
| bestehende Initativen gegen Rassismus und Rechtsextremsimus im Netz kommen, | |
| etwa auch das Portal [5][netz-gegen-nazis.de] der Amadeu Antonio Stiftung. | |
| „Empowerment“ lautet das Schlagwort hinter der Kampagne, sagt Baldauf, der | |
| eng mit dem Koordinationsteam zusammenarbeitet. Aus seiner Sicht ist die | |
| Aufklärungsarbeit gegen rechte Hassrade zwar ein wichtiger Schritt. | |
| Allerdings seien effizientere Maßnahmen von Unternehmen und Behörden nötig, | |
| um die Regeln der Offline-Welt auch beim Protest im Netz durchzusetzen – | |
| und rechte Brandstifter mit Strafen abzuschrecken. „Ich verstehe nicht, | |
| warum wir diskutieren, dass Gesetze eingehalten werden müssen“, so Baldauf. | |
| 1 Jul 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/monitoringbericht-2015.… | |
| [2] /!5314668/ | |
| [3] http://www.nohatespeechmovement.org/ | |
| [4] https://no-hate-speech.de/ | |
| [5] http://www.netz-gegen-nazis.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Gruber | |
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