# taz.de -- Werber über Aktion #keingeldfürrechts: „Wir sind Opfer eines Ha… | |
> Per Hashtag wollte Gerald Hensel Werbekunden darauf hinweisen, dass ihre | |
> Anzeigen auf rechten Blogs landen könnten. Inzwischen erhält er | |
> Morddrohungen. | |
Bild: „Auf dem Algorithmus basierend, der immer nur Genehmes in die Timeline … | |
Den Namen Gerald Hensel kannte vor zwei Wochen noch kaum jemand. Hensel, | |
der noch als Strategiedirektor bei der Berliner Agentur „Scholz & Friends“ | |
arbeitete, rief da den Hashtag #keingeldfürrechts ins Leben. Er wollte | |
darauf aufmerksam machen, dass sich Werbetreibende oft nicht darüber im | |
Klaren sind, auf welchen Seiten sie ihre Banner schalten. Er nannte | |
außerdem Beispiele für rechte Blogs. Es dauerte nicht lange, bis Hensel | |
Ziel eines massiven Shitstorms wurde. Kommentatoren wie Henryk M. Broder, | |
aber auch rechte Seiten wie die Junge Freiheit schießen sich seit Tagen auf | |
den 41-Jährigen ein. Er hat mehrere Morddrohungen bekommen und wohnt | |
derzeit in einem Hotel. | |
Herr Hensel, woher kam die Idee zu Ihrem Hashtag? | |
Ich habe auf der rechtspopulistischen Seite breitbart.com ein Werbebanner | |
einer großen deutschen Marke gesehen und mich gefragt, warum das da | |
eigentlich steht. Ich hatte von ähnlichen Fällen in den USA gehört, | |
verschiedene Konzerne hatten schon bekanntgegeben, dass sie auf Breitbart | |
nicht mehr werben würden. Ich habe dann zwei Blogbeiträge und einen Tweet | |
geschrieben unter dem Hashtag [1][#keingeldfürrechts]. | |
Was war Ihr Ziel? | |
Ich wollte Transparenz in Marketing- und Media-Abteilungen schaffen. Ich | |
wollte bei den Werbetreibenden darauf aufmerksam werden, dass sie mit ihren | |
Bannern eine Verantwortung haben. Ich bin ein politisch interessierter | |
Mensch und sitze während meiner Arbeit häufig in Meetings, in denen es um | |
Marken geht, darum, wie sie idealerweise aufgestellt sein sollen. Im | |
Schnitt weiß man heute bei rund 40 Prozent eines Budgets nicht genau, auf | |
welchen Seiten die Banner am Ende stehen. | |
Wie kommt das? | |
Wenn ich früher bei der taz eine Anzeige schalten wollte, bin ich zu Ihrem | |
Mediapartner gegangen, und dann erschien die Anzeige in der Zeitung. Heute | |
läuft das über virtuelle Auktionen, in denen Menschen nur als | |
Zielgruppenprofile existieren. Das heißt, wenn ich ein Maschinenhersteller | |
bin, dessen Zielgruppe 50-jährige Männer sind, kann das sein, dass meine | |
Werbung bei der FAZ landet – es kann aber auch sein, dass ich auf rechten | |
Blogs rauskomme. | |
Es gab Kritik an Ihrem Text, der online gar nicht mehr zu finden ist, in | |
dem Sie aber angeblich die Seite von Henryk M. Broder mit Breitbart | |
gleichsetzen. War das so? | |
In einem Blogbeitrag habe ich geschrieben, dass es populistische und rechte | |
Blogs gibt. Insofern habe ich also in einem Atemzug Breitbart und die | |
„Achse des Guten“ von Herrn Broder genannt. Ich habe an der Stelle | |
empfohlen, sich mal anzuschauen, wie Werbung gestreut wird. In einem | |
zweiten Beitrag habe ich eine Liste aufgesetzt, in der ich mehrere klar | |
rechte Blogs wie Compact oder PI News benannt habe. Die sollte man sich | |
einfach anschauen, wenn man ein Budget ausgeben möchte. Auf dieser Liste | |
stehen weder die „Achse des Guten“ noch „Tichys Einblick“. Und ich habe… | |
zu einem Boykott aufgerufen. Mein Ziel war Transparenz, nicht mehr. Ich | |
kann nicht verstehen, was daran falsch sein sollte. | |
Was passierte dann? | |
Broder und seine Freunde haben daraus eine absurde Verschwörung gegen sie | |
gesponnen, die mittlerweile mich, meinen Ex-Arbeitgeber und Organe der | |
Bundesregierung einschliesst, um so zu tun, als ob wir gemeinsam eine | |
Kampagne gegen die freie Presse geplant hätten. Das wird so inszeniert, | |
dass ich #keingeldfürrechts als Pilotprojekt gestartet hätte, um große | |
Geschäftsdeals meines Ex-Arbeitgebers mit der Bundesregierung | |
vorzubereiten. Und damit würde ich vermeintlich unbescholtene Publizisten | |
denunzieren. Mein ehemaliger Arbeitgeber hat gerade viel zu tun, um diese | |
absurden Anschuldigungen auszuräumen. Es gab sogar Boykott-Aufrufe auch | |
gegen Kunden. | |
War das der Grund dafür, dass Sie gekündigt haben? | |
Ja, ich wollte Scholz & Friends aus der Schusslinie nehmen. Die stehen seit | |
einer Woche unter größtem Stress hinter mir und sind echt gute Typen, aber | |
mal im Ernst, das war wirklich meine Idee. Und jetzt geht diese | |
konzertierte Aktion seit Tagen auch gegen sie. | |
Worin genau besteht diese Aktion? | |
Sowohl mein Ex-Arbeitgeber als auch ich wurden Opfer eines gewaltigen | |
Hatestorms aus unzähligen Tweets, Mails und Kommentaren über Social Media. | |
Es gab Fake-Profile mit meinem Namen, gefakte Inhalte, die ich angeblich | |
verfasst hätte, Hack-Angriffe und mehrere Morddrohungen gegen mich. Das ist | |
eine systematische Kampagne und ich weiss, dass es Menschen gibt, die davon | |
profitieren, sie am Leben zu halten. | |
Wen meinen Sie? | |
Eine Gruppe von Publizisten schreibt und eine große Anzahl von Menschen im | |
Internet reagiert, aber nicht zufällig. Die bauen einen Diskurs aus | |
Halbwahrheiten auf, eine Schmutzkampagne. Sie stellen uns als „Teil des | |
Systems“ dar, das sie wiederum brauchen, um gegen „das System“ zu schieß… | |
– und letztlich, um ihre Bücher und Zeitschriftenabos zu verkaufen. Ich bin | |
wahrlich kein Verschwörungstheoretiker, aber es gibt eine Gruppe von sehr | |
gut vernetzten digitalen Manipulierern, die meisten davon sind einfach | |
Geschäftemacher. Deren Ziel ist es, in schöner Regelmäßigkeit einen Spin | |
mit einer Person zu verbinden, in diesem Fall mit mir, und daran zu zeigen, | |
wie das „System“, das Establishment unterwandert wird. In meinem Fall ist | |
der angebliche Link nach ganz oben mein Arbeitgeber. | |
Wer genau sind die Profiteure dieses Systems? | |
Viele, auch die AfD. Wir fragen uns ja immer, warum es so viel Wut in | |
Deutschland gibt. Weil eine Gruppe von Menschen ihr Geld damit verdient. | |
Ich habe mir zum Beispiel ein Fake-AfD-Profil angelegt, um zu schauen, was | |
bei denen so läuft. Auf dem Algorithmus basierend, der immer nur Genehmes | |
in die Timeline spült, ist dort nur Angst. Da sind Politiker, die korrupt | |
sind und den kleinen Mann betrügen oder die nicht helfen, die schrecklichen | |
Massenvergewaltigungen durch Ausländer zu beenden. Ein großes Jammertal an | |
Schande und Verbrechen. Einzelne spielen sich dann als diejenigen auf, die | |
die Lösung haben. Durchgreif-Typen sind hier sehr gefragt, auch der | |
Journalist vom Typ „Das-wird-man-ja-wohl-noch-sagen-dürfen“. Demokratische | |
Institutionen haben hier ein großes Problem – die können ja nicht so viel | |
Wut und Angst produzieren, so viel lügen. | |
Haben Sie geahnt, was da auf Sie zukommen würde? | |
Ich habe die Größenordnung des Themas völlig unterschätzt. | |
Wie gehen Sie persönlich damit um? | |
Für mich ist das eine emotionale Grenzerfahrung. Ich wohne im Hotel und | |
weiß noch nicht, wie lange ich dort bleiben werde. Aber es gibt auch viel | |
Zuspruch, der mir sehr nahe geht. Ich bin immer noch relativ viel online, | |
aber lese nicht mehr alles, das kann man nach einer Weile auch gar nicht | |
mehr fassen. | |
Auf Facebook schreiben Sie, Sie haben eine neue Aufgabe im Leben. | |
Ja. Wie genau die aussehen wird, weiss ich noch nicht, aber ich habe gerade | |
eine große Frage gestellt bekommen. Da passiert was, und das ist weit | |
größer als dieser einzelne Hashtag. Mit dem heutigen Wissen würde ich mir | |
18 Berater nehmen und die Geschichte komplett anders aufziehen. Aber Fakt | |
ist, sie hat gesessen. | |
16 Dec 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/hashtag/KeinGeldFuerRechts?src=hash | |
## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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