# taz.de -- Bildung gegen Hate Speech: Facebook gefällt das | |
> Der Social-Media-Konzern sponsert Workshops, die über Hassreden im | |
> Internet aufklären. Auch in Freital. Nur: Dort interessiert das | |
> niemanden. | |
Bild: Kamerateams und Hate Speech-Workshops scheinen in Freital bisher nichts z… | |
FREITAL taz | Wenn man Montagmittag mit hochgezogenen Schultern allein | |
durch die Straßen von Freital geht, schießen einem allerlei Fragen durch | |
den Kopf: Sind hier Kinder auch schon Nazis und wann ist die Schule aus? | |
Fahren die montags alle gemeinsam in die Pegidahauptstadt Dresden – und | |
wenn ja, welchen Zug nehmen die? Und könnte man Angreifer ablenken, indem | |
man dreimal laut „Lügenpresse, halt die Fresse“ ruft? | |
Wenig später wirft ein Projektor in einem Kinder- und Jugendtreff eine | |
Präsentation an die lachsfarbene Raufasertapete. Der Beamer wird gestützt | |
durch „Das große Pferdebuch“ und den „Großen Kinderatlas“. | |
Johannes Baldauf von der Antonio Amadeu Stiftung wird hier einen Workshop | |
über Hassrede und Gegenrede im Internet halten, was viel lässiger klingt, | |
wenn man es „Counter Speech“ nennt. Deshalb heißt die Tour, zu der dieser | |
Workshop gehört, auch Counter Speech Tournee 2016. Initiator ist der Verein | |
Laut gegen Nazis. Facebook tritt unter anderem als Sponsor auf. | |
Ausgerechnet. | |
„In sechs Städten finden neben Workshops Konzerte statt, um sich gegen den | |
Hass im Internet und auf der Straße auszusprechen, sowie Mittel und Wege | |
gegen Fremdenhass aufzuzeigen“, heißt es in der Presseaussendung von | |
Facebook vorab. Der Konzern stimmt damit ganz neue Töne an. Bisher hatte | |
man sich bei Facebook eher geziert, aktiv gegen Hetze vorzugehen. | |
Verständlich, immerhin sind da Tausende und abertausende Nippel zu | |
zensieren, da bleibt kaum Zeit für anderes. Also erst Mal ein paar | |
Workshops, um Buße zu tun? | |
## Nur sieben Teilnehmer | |
Der Workshop in Freital, der eher ein eiliger Vortrag ist, holt einen dann | |
ganz schnell wieder in die Realität zurück. Da sitzen sieben Frauen und ein | |
Mann zwischen Kinderbüchern, Kaffee und Keksen. Sie alle arbeiten als | |
Angestellte oder ehrenamtlich in Willkommensinitiativen und Schülertreffs | |
in der Umgebung. Statt mit Social Media haben sie also mit viel | |
schwerwiegenderen Problemen zu tun. | |
Ein Kamerateam betritt den Raum, entgeisterte Gesichter ob der leeren | |
Stühle, sie entschuldigen sich für die Verspätung. Tatsächlich musste man | |
sich anstrengen, um herauszufinden, wo und wann dieser Workshop | |
stattfindet. Auf der Webseite stand eine falsche Uhrzeit und „Ort geben wir | |
noch bekannt“. | |
Während der Kameramann noch versucht, sich günstig zu positionieren, | |
versucht Baldauf einen sinnvollen Rahmen abzustecken: „Gegenrede macht nur | |
Sinn bei Menschen, deren Meinung noch beweglich ist“, sagt er. Nur mit | |
solchen Menschen haben es die Workshopteilnehmer nicht zu tun. | |
Die Anwesenden arbeiten vor allem mit Kindern und Jugendlichen, die von zu | |
Hause Meinungen mitbringen. Sie müssen sich eher fragen, wie sie der Hetze | |
und der unbeweglichen Meinung im Alltag Herr werden, digitale Kommentare | |
sind für sie zweitrangig. Freital hat ein viel ernsteres Problem. Und | |
Facebook hat offenbar auf die falsche Stadt gesetzt. | |
## Mehrere Angriffe in einer Woche | |
In der vergangenen Woche wurden hier eine geplante Asylunterkunft, ein Büro | |
der Linken und die Rathäuser zweier Stadtteile angegriffen. Außerdem wurden | |
fünf Mitglieder der rechtsextremistischen Gruppe Freital unter | |
Terrorverdacht festgenommen. Ob dieser Ausgangslage wirkt die Veranstaltung | |
wie eine halbherzige PR-Aktion, an der sich Facebook die eiskalte Seele | |
wärmt. | |
Einer der Wege, um in die Filterblasen, die digital abgeschlossenen Räume | |
von Rechten, vorzudringen, sei gezielte Werbung, sagt Baldauf. Auf YouTube | |
wurde etwa vor ein Video über Lutz Bachmann ein Spot geschalten, in dem ein | |
Flüchtling erzählt, dass er im Gegensatz zu Bachmann noch nie im Gefängnis | |
gewesen sei. Das ist natürlich witzig, allerdings nimmt man so dem Konzern | |
– in diesem Fall YouTube – nicht nur die Aufgabe ab, sich aktiv um Hassrede | |
zu kümmern, man bezahlt ihn auch noch dafür, es nicht zu tun. Facebook | |
gefällt das. | |
Das Counter-Speech-Konzert abends war ebenfalls ein mäßiger Erfolg. Ein | |
paar Hundert Besucher kamen, um Smudo und Leslie Clio zu sehen. Die Polizei | |
berichtet hinterher von 20 Platzverweisen und der vorläufigen Festnahme | |
eines Mannes. Er hatte den Hitlergruß gezeigt. | |
4 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Saskia Hödl | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt Facebook | |
Freital | |
Hate Speech | |
Social Media | |
Hamburg | |
Amadeu-Antonio-Stiftung | |
Hate Speech | |
Rechter Populismus | |
Sexismus | |
Spaß | |
Schwerpunkt Facebook | |
Mark Zuckerberg | |
Schwerpunkt Pegida | |
Philippinen | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Schwerpunkt Rassismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Werber über Aktion #keingeldfürrechts: „Wir sind Opfer eines Hatestorms“ | |
Per Hashtag wollte Gerald Hensel Werbekunden darauf hinweisen, dass ihre | |
Anzeigen auf rechten Blogs landen könnten. Inzwischen erhält er | |
Morddrohungen. | |
Polizei bei Twitter und Facebook: Hashtag #Polizei | |
Die Polizei Hamburg setzt mit einem eigenen Team auf soziale Netzwerke: Das | |
Ergebnis ist eine Mischung aus Informationen und Eigenwerbung | |
Kontroverse um ZDF-Satirebeitrag: Mit besten Grüßen | |
ZDF-Reporter Achim Winter greift eine Kampagne der Amadeu Antonio Stiftung | |
gegen rechte Hetze an. Die sieht ihre Arbeit ins Lächerliche gezogen. | |
Monitoring-Bericht zu Hate-Speech: Die neue Dimension der Aluhüte | |
Die rechte Hetze in sozialen Medien wendet sich von Flüchtlingen ab. Das | |
System wird zur Zielscheibe. Das lockt auch junge Linke zu KenFM. | |
Facebook sperrt Antira-Seiten: Der Aufmarsch der Melde-Nazis | |
Rechte User boykottieren Watchblogs mit Sperr-Attacken und Facebook lässt | |
sie gewähren. Das Problem: Es fehlt an menschlichem Hirn. | |
Sexismus im Netz: Der aggressive Männerchor | |
Durch sexistische Angriffe werden Frauen aus Netzdebatten verdrängt. Vier | |
österreichische Journalistinnen wehren sich. | |
Veranstaltungen als neuer Facebook-Hype: „Meditatives Sacksniffen mit Jogi“ | |
Seit gut zwei Wochen kursieren merkwürdige Veranstaltungen bei Facebook. | |
Ein Trend, den einige liken und andere melden. | |
Zensur auf Facebook: Eine Fahne zuviel | |
Wer auf Facebook kurdische Symbole postet, läuft Gefahr, gesperrt zu | |
werden. Offenbar kursieren dazu interne Handlungsanweisungen. | |
Diskussion um Facebook-Algorithmus: Ein Berg voll Zucker | |
Ex-Mitarbeiter werfen Facebook vor, konservative Nachrichten zu | |
unterdrücken. Jetzt meldet sich Gründer Mark Zuckerberg zu Wort. | |
Bürgerversammlung in Dresden: „Lügenpresse“ im Dialog | |
Journalisten stellen sich in der Pegida-Hochburg der Diskussion. Die | |
Differenzen zu einem Teil des Publikums sind dabei nicht zu übersehen. | |
Müllentsorger in Sozialen Netzwerken: „Sie berichten von Depressionen“ | |
Tausende Philippiner sortieren aus, was uns im Internet an Bildern nicht | |
begegnen soll. Der Berliner Theaterregisseur Moritz Riesewieck hat dort | |
recherchiert. | |
Einschüchterung durch Rechte: Drohungen im Netz, Kleber an der Tür | |
Hackerangriffe und nächtliche Besuche: Rechte attackieren ihre Gegner. Die | |
Amadeu Antonio Stiftung will sich nun wehren. | |
„Hate Speech“ in sozialen Medien: Twitters Definition von Hass | |
Nachdem Twitter vielfach für den Umgang mit Hasskommentaren kritisiert | |
wurde, hat das Netzwerk genauer festgelegt, welche Posts nicht geduldet | |
werden. | |
Hate Speech in sozialen Medien: Facebook gibt Fehler zu | |
Nach der Einladung von Justizminister Maas zu einem Gespräch reagiert | |
Facebook Deutschland. Fehler bei der Löschung rassistischer Inhalte seien | |
bedauerlich. |