# taz.de -- Facebook sperrt Antira-Seiten: Der Aufmarsch der Melde-Nazis | |
> Rechte User boykottieren Watchblogs mit Sperr-Attacken und Facebook lässt | |
> sie gewähren. Das Problem: Es fehlt an menschlichem Hirn. | |
Bild: Was hier nicht deutlich zu sehen ist: Die A- und H-Taste ist ziemlich abg… | |
BERLIN taz | Norbert versucht, gelassen zu bleiben: Wieder hat Facebook | |
einen seiner Posts gelöscht. 30 Tage lang wird der Administrator der Seite | |
[1][„AfD-Watch“] gesperrt. Wieder geht es um eine angebliche Verbreitung | |
von Hassbotschaften, obwohl sein Blog den Hass von AfD-Politikern oder | |
Pegidisten doch entlarven will. Der 42-Jährige Dresdner hatte die Worte des | |
AfD-Politikers Mirko Welsch per Screenshot geteilt: „Geh kacken Du | |
Linksnazi“, „Wir brauchen keine antifaschistischen Fascho-Bratzen!“ | |
Facebook hat Norbert dafür abgestraft. Der Screenshot habe gegen die | |
Gemeinschaftsstandards verstoßen. Welschs Original nicht. „Seine Aussage | |
ist immer noch online“, sagt Norbert, „das ist einfach absurd.“ | |
Seit 2012 betreibt der Netzaktivist einer der größten AfD-Watchblogs | |
Deutschlands: 1,5 Millionen Facebook-Nutzer erreichten seine Postings zu | |
Spitzenzeiten. Als einer von vier Administratoren gräbt er täglich nach | |
Artikeln, Tweets und Blogeinträgen über AfD-Mitglieder, die „Wein trinken | |
und Wasser predigen“, wie Norbert sagt. 2013 leakte sein Blog das geheime | |
Wahlkampfhandbuch der Hamburger AfD, im Mai 2014 sprühte der | |
AfD-Kreisvorstand und Polizeibeamte Ulf-Theodor Claassen zwei Jugendlichen | |
vor seinem Wahlstand Reizgas ins Gesicht: AfD-Watch hatte die Nachricht | |
zuerst. Claassen wurde später versetzt und wegen gefährlicher | |
Körperverletzung verurteilt. | |
Doch als die Seite im März dabei war, die 30.000 Follower-Marke zu knacken, | |
riefen AfD-nahe User zum Boykott auf: „Auf deren Seite gehen und deren | |
Beiträge melden, vor allem die Nazi-Satire“, postete die Gruppe „Yes we | |
Can“. Auf dem Titelbild fasst sich Frauke Petry wie Popeye an den Bizeps. | |
Facebook spielte mit: Fotos mit Bezug zum Zweiten Weltkrieg, satirische | |
Memes mit Hakenkreuzen, selbst das selbstgebastelte Logo mit dem Schriftzug | |
„AfD-Watch“ wurden entfernt. Drei Jahre aus Norberts Datenarchiv zu rechter | |
Stimmungsmache von Pegida und AfD wurden gestrichen. Inzwischen hat er die | |
Seite komplett neu erstellt und über 20.000 Follower verloren: „Ich werde | |
mich von den Melde-Nazis nicht einschüchtern lassen.“ | |
## Beleidigungen, Hasstiraden, Morddrohungen | |
Der alleinerziehende Vater hat viele Feinde: Seinen wahren Namen will | |
Norbert lieber nicht nennen. Genau wie Florian, der die Seite [2][„Gegen | |
die Alternative für Deutschland“] steuert. Seine Seite hat mit knapp 45.000 | |
Followern „AfD-Watch“ als größten AfD-Watchblog Deutschlands nun abgelös… | |
Beleidigungen, Hasstiraden, ja sogar Morddrohungen habe der hauptberufliche | |
Softwareentwickler deshalb schon von Pegida- und AfD-Anhängern erhalten. | |
Seit einem halben Jahr kämpft „Gegen die Alternative für Deutschland“ geg… | |
rechten Sperrattacken, die vorwiegend auf Inhalte mit Bezug zum Zweiten | |
Weltkrieg zielen. „Wir haben Hinweise, dass AfD-Politiker involviert sind“, | |
berichtet der Aktivist. | |
Facebook hat etwa ein Meme gelöscht, das Hitler mit Mussolini zeigt mit der | |
Aufschrift: „Mein Freund ist Ausländer“. Ursprünglich hatte Florian diesen | |
Post nur geteilt. Der bayerische AfD-Politiker Johannes Normann ätzte damit | |
auf seiner Seite mit dieser rechten Satire gegen die „Gutmenschen“. Florian | |
bekam dafür aber Ärger: „Wir hatten Normanns Original bei Facebook wegen | |
Volksverhetzung gemeldet. Doch hieß es dort, der Beitrag verstoße nicht | |
gegen die Community-Standards.“ Florians Repost hingegen wurde gelöscht. | |
Wie lässt sich diese krude Beschwerde-Politik des Internetriesen erklären? | |
Florian glaubt: „Was zählt, ist die schiere Quantität der Beschwerden“. Er | |
hat den Verdacht, dass Facebook mit größerer Wahrscheinlichkeit auf | |
mögliche Hassbotschaften reagiert, umso mehr Nutzer einen bestimmten Inhalt | |
melden. Auf Anfrage der taz weist der Konzern diesen Vorwurf zurück. | |
Die Entscheidung über die Entfernung eines Inhalts hänge ausschließlich | |
davon ab, ob dieser die Gemeinschaftsrichtlinien verstoße oder nicht, | |
betont der Pressesprecher von Facebook Deutschland. Allerdings, so räumt | |
der Konzern ein, gebe es immer noch Schwierigkeiten im Umgang mit | |
doppeldeutigen oder satirischen Inhalten. Tenor: Man gibt sich Mühe, das in | |
den Griff zu bekommen. Und verweist solange auf die neue [3][Workshop-Reihe | |
zur „Counter-Speech“,] mit der Facebook seit einigen Monaten Watchblogs und | |
andere Bürgerinitiativen im Umgang mit Hassrede schulen will. | |
Nach ersten Medienberichten über mögliche Sperrattacken von Rechts, | |
erhielten auch die Admins der AfD-Watchblogs erstmals eine Nachricht von | |
der Deutschlandzentrale des Konzerns. Ende Mai wurden die Betreiber von | |
betoffenen Seiten wie „AfD-Watch“, „Gegen die Alternative für Deutschlan… | |
und „Kein Mensch ist illegal“ zu einer zweitägigen „Watch-Blog-Konferenz… | |
nach Berlin eingeladen, berichtet Florian. Dort habe man den | |
Administratoren einen direkteren Zugang zu Verantwortlichen zugesichert, | |
auch werde man die Meldungen künftig genauer prüfen. Die Seiten sind | |
seither mit einem blauen Häken von Facebook verifiziert. „Für Facebook war | |
die Sache natürlich peinlich“, sagt Florian. | |
## Facebook fehlt kompetentes Personal | |
Ähnlich sieht das Simone Rafael. Als Chefredakteurin von | |
[4][Netz-gegen-Nazis.de] und Initiatorin der antirassistischen [5][Amadeu | |
Antonio Stiftung] steht sie in engem Kontakt mit dem Netzwerk, wenn es um | |
den Kampf gegen rechte Hassrede in sozialen Medien geht. „Facebook hat | |
offensichtlich ein Problem damit, ausreichend kompetentes Personal zur | |
Prüfung von Hassbotschaften bereitzustellen“, sagt Rafael. | |
Schon seit Monaten kämpfe der Konzern damit, organisierte Meldeattacken | |
gegen Monitoringseiten in den Griff zu bekommen. Nach wie vor fehle es an | |
Muttersprachlern, die zwischen der Aufklärung gegen Rechts und rechter | |
Hassrede differenzieren könnten. „Das nutzen jetzt nicht mehr nur | |
Antirassisten aus, um gegen Nazis vorzugehen, sondern eben auch rechte | |
User.“ | |
Auf Druck von Bundesjustizminister Heiko Maaß (SPD) gab Facebook Anfang des | |
Jahres bekannt, gemeldete Beiträge fortan auch von Deutschland aus zu | |
überprüfen, um gezielter gegen rassistische Hassbotschaften vorzugehen. Dem | |
Konzern zufolge prüfen seither rund 200 Mitarbeiter des externen | |
Dienstleisters Arvato fragliche Inhalte von einem Berliner Büro aus. | |
Das sogenannte „Community Operations“-Team bewertet nicht nur Beschwerden | |
über Hassbotschaften, sondern ebenso mögliche Pornographie, sexuelle | |
Belästigung und Gewalt. Zuvor wurden gemeldete Beiträge nur in vier | |
Facebook-Standorten weltweit überprüft und gegebenenfalls gelöscht: in der | |
irischen Hauptstadt Dublin, in Kalifornien und in Texas sowie im indischen | |
Hyderabad. | |
Erst vor wenigen Tagen löschte Facebook [6][etwa den Post des Journalisten | |
Sören Kohlhuber], der über rechte Hooligans geschrieben hat, die auf der | |
Fanmeile den Arm zum Hitlergruß hoben. Florian will es mit seinem Watchblog | |
gar nicht erst so weit kommen lassen: „Wir haben alle Bilder mit | |
historischem Bezug zum Zweiten Weltkrieg entfernt“. Posts von | |
AfD-Unterstützern und Pegida-Leuten, die Facebook als Hassbotschaften | |
abstrafen könnte, wollen die Blogger fortan nicht mehr auf ihrer Seite | |
teilen. Nur: War das eigentlich Sinn der Sache. | |
23 Jun 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.facebook.com/afd.watch.afd/?fref=ts | |
[2] https://www.facebook.com/GegenDieAlternativeFuerDeutschland/?fref=ts | |
[3] /Bildung-gegen-Hate-Speech/!5297438 | |
[4] http://www.netz-gegen-nazis.de/ | |
[5] http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/ | |
[6] http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/bericht-von-berliner-fanme… | |
## AUTOREN | |
Michael Gruber | |
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