# taz.de -- Undercoverrecherche bei rechtem Blog: Politisch inkorrekt in Israel | |
> Der rechte Blog „Politically Incorrect“ lud seine Leser zu einer Reise | |
> nach Israel. Einem undercover reisenden Reporter boten sich tiefe | |
> Einblicke. | |
Bild: Die Jerusalemer Altstadt. Die Al-Aksa Moschee würden die PI-Reisenden ge… | |
Berlin taz | Es bedarf nur einer kurzen ideologischen Überprüfung am | |
Telefon und schon ist Marco Maurer, Neon-Journalist, dabei. Das rechte Blog | |
Politically Incorrect lädt zu einer Lesereise. Vom 17. bis zum 24. November | |
2016 führt Reiseleiter Mr. Merkava durch das Land. Der Name ist sein | |
Pseudonym und gleichzeitig der eines israelischen Kampfpanzers. Die Reise | |
organisiert PI-News, dessen Inhalte [1][offen islamfeindlich, rassistisch | |
und rechtspopulistisch] sind. Die Autoren schreiben unter Pseudonym über | |
die drohende „Islamisierung“ Europas. Wie Mr. Merkava. | |
Auch Marco Maurer hat sich eine Scheinidentität zugelegt, da er sonst | |
keinen Zugang zu diesem rechten Netzwerk bekommen hätte, wie er im | |
[2][Interview mit Meedia] sagt. 1.783 Euro hat ihn die Reise gekostet, auf | |
der er Menschen kennenlernt, die aus unterschiedlichen sozialen Kreisen | |
kommen, aber vor allem ideologische Schnittmengen haben: Sie sind gegen | |
Muslime, halten den Klimawandel für eine Lüge und der Holocaust ist in | |
ihren Augen eine von den USA dramatisierte Geschichte, um die Deutschen | |
klein zu halten. | |
Bei der Vorstellungsrunde am ersten Tag gibt sich Maurer als in Frankfurt | |
lebender Germanistik-Dokorand der Fernuni Hagen aus. In dieser Runde | |
stellen sich auch mehrere Mitglieder der AfD vor. Es stehen für die | |
kommenden Tage Museumsbesuche, ein Markt, eine Segway-Tour, der Besuch der | |
Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und ein Schießtraining mit der | |
israelischen Armee auf dem Programm. Auf so gut wie jeder Station seiner | |
Reise mit den PI-Lesern wird Marco Maurer Zeuge rassistischer und | |
hetzerischer Aussagen seiner Reisegruppe. | |
Hatikva, einen mehrheitlich muslimisch geprägten Stadtteil Tel-Avivs, | |
kommentiert der Reiseleiter so: „Den Stadtteil haben die Eindringlinge | |
bereits übernommen. Er zeugt davon, was Deutschland erwartet.“ Mit | |
„Eindringlingen“, „Invasoren“, „Invasionäre“ und „Barbaren“ me… | |
PI-Community: muslimische Einwanderer. | |
Der Höhepunkt der Reise ist der Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad | |
Vashem. Hier relativieren die Mitreisenden die Ermordung der Juden im | |
Zweiten Weltkrieg. Die Zahl 6 Millionen stimme nicht, eine Lüge der | |
Amerikaner. Sie liege eher bei einer halben Million. „Den Rest haben Serben | |
und andere Volksgruppen umgebracht“, sagt Udo, ebenfalls aktiv bei der AfD. | |
Ähnliches lassen die Reisenden häufig in unpassenden Momenten fallen. Die | |
israelische Fremdenführerin Leah ist offensichtlich irritiert, sind ihre | |
Gäste doch auf einer offiziell „zionistischen“ Reise. | |
Am vorletzten Tag bemerkt Maurer, dass Mr. Merkava auf seine persönliche | |
Webseite zugegriffen hat. Er ist enttarnt und beschließt, am letzten Tag | |
das Hotel zu wechseln. Er gibt vor, krank zu sein und bereitet sich schon | |
mental auf den ideologischen Gegenschlag der PI-News vor. Und tatsächlich | |
nimmt PI-News am Tag der [3][Veröffentlichung von Maurers Reportage] | |
Stellung. Sie bezeichnen ihn als „Herr Qualitätsjournalist“, in gleicher | |
Manier, in der sie Flüchtlinge auch als „Kulturbereicherer“ bezeichnen. | |
Gleichzeitig werben sie in ihrem Statement für die nächste Leserreise nach | |
Israel im Mai. | |
## AfDler reisen gern | |
Im Kommentarbereich von PI-News, der den ideologischen Sumpf der | |
Leserschaft offenbart, wird am selben Tag die Reportage als PDF verlinkt. | |
Ein PI-Mitglied aus Köln hatte den Neon-Artikel illegal hochgeladen. Im | |
weiteren Verlauf schaukelt sich die Debatte hoch und der Begriff | |
„Lügenpresse“ fällt ähnlich oft wie das Wort „Medienhure“. | |
Auffallend hoch ist die Zahl der Teilnehmer aus den Reihen der AfD. Maurer | |
trifft auf der Reise den innenpolitischen Sprecher der AfD im Thüringischen | |
Landtag, Jörg Henke. Im Gespräch geht es um die Aussagen von Björn Höcke zu | |
einem „1000jährigen Deutschland“ und dem Begriff „völkisch“. Im MDR h… | |
Henke diese als einziger in der AfD Fraktion kritisiert und als | |
„unglücklich“ bezeichnet. Auf der Reise durch Israel aber übt er den | |
Schulterschluss mit Höcke und meint, man dürfe das den Medien einfach nur | |
nicht so offen sagen. Mit der Veröffentlichung von Maurers Reportage aber | |
wird schnell Kritik an seiner Person laut. Da springt ihm sein | |
Parteikollege Thomas Rudy mit einem Statement auf Facebook zur Seite. | |
AfD-Mitglieder reisen gerne in politisch aufgeladene Konfliktregionen. 2014 | |
zum Beispiel flog eine Delegation der AfD als Wahlbeobachter auf die Krim, | |
um dem Referendum zur Eingliederung in die Russische Föderation | |
beizuwohnen. Damals prominentester Mitreisender war Marcus Pretzell, seit | |
Dezember 2016 Ehemann von Frauke Petry. | |
Im Kosmos der Rechtspopulisten legitimieren die hohen Vertreter der AfD | |
damit die Annexion der Krim. In Israel sehen sie den Vorreiter im Kampf | |
gegen den Islam. Mit dieser Praxis steht die AfD aber nicht alleine da. Aus | |
ganz Europa reisen rechte Parteien in Gegenden, in denen Konflikte in ihren | |
Augen vom „Mainstream“ falsch dargestellt werden. Dabei sind sie vor allem | |
eines: faktisch inkorrekt. | |
11 Jan 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://correctiv.org/recherchen/neue-rechte/artikel/2017/01/02/medien-pi-n… | |
[2] http://meedia.de/2017/01/09/auf-die-rechte-tour-neon-reporter-geht-undercov… | |
[3] http://www.stern.de/neon/auf-die-rechte-tour--undercover-reise-mit-rassiste… | |
## AUTOREN | |
Christoph Kürbel | |
## TAGS | |
Rechter Populismus | |
Schwerpunkt AfD | |
Israel | |
Populismus | |
Schwerpunkt AfD | |
BDS-Movement | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Fake News | |
Hate Speech | |
antimuslimischer Rassismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rechte und Öffentlich-Rechtliche: Vier Texte in wenigen Stunden | |
Mehrere rechte Medien nehmen einen NDR-Journalisten und den | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter Beschuss. Ein Volontär soll | |
diskreditiert werden. | |
Muslimischer Theologe an Hamburger Uni: Nachspiel wegen Israel-Kritik | |
Der südafrikanische Theologe Farid Esack war Gastprofessor in Hamburg. | |
Jetzt stehen die Hochschule und der Senat deshalb unter Druck. | |
AfD und der Messerangriff in Reutlingen: Erst war's der Prakti, dann ein Fake | |
Ein Twitter-Account verbreitet im Namen der AfD Reutlingen grenzwertige | |
Nachrichten. Die Partei redet sich auf Facebook raus. Und legt nach. | |
Falschmeldungen im Netz: Teile und herrsche | |
Aufregung, Klick, geteilt: Die meisten Nutzer lesen nicht mehr als die | |
Überschrift. So können sich Fake-News leicht verbreiten. Das hilft Hetzern. | |
Monitoring-Bericht zu Hate-Speech: Die neue Dimension der Aluhüte | |
Die rechte Hetze in sozialen Medien wendet sich von Flüchtlingen ab. Das | |
System wird zur Zielscheibe. Das lockt auch junge Linke zu KenFM. | |
Kommentar Angriffe auf Moscheen: Schweineköpfe vor der Tür | |
Der Hass auf Muslime hat viele Facetten, real und virtuell. Höchste Zeit, | |
antimuslimische Straftaten gesondert zu erfassen. |