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# taz.de -- Gregor Gysi über Folgen des Brexit: „Überhaupt kein Anlass zur …
> Der ehemalige Linken-Fraktionsvorsitzende will nicht, dass das Projekt
> Europa scheitert. Gregor Gysi über die Zukunft der EU und die Rolle der
> Linken.
Bild: Gysi: „Ein Rechter kann einfache Antworten geben, ein Linker muss kriti…
taz: Herr Gysi, die Linke reagiert auf den Brexit nach dem Motto: Wir haben
ja immer gesagt, dass die EU undemokratisch und unsozial ist, und das ist
jetzt die Quittung! Sehen Sie das auch so?
Gregor Gysi: Das ist richtig, aber daraus müssen die richtigen
Schlussfolgerungen gezogen werden.
Welche?
Jetzt muss die Linke meines Erachtens um die Rettung der EU kämpfen und das
verbinden mit Vorschlägen, wie sie endlich demokratischer, sozialer,
ökologisch nachhaltiger, transparenter und unbürokratischer sowie von den
Bevölkerungen akzeptiert wird. Wissen Sie, was der Grundfehler der EU war?
Was denken Sie?
Dass eine Verfassung geschrieben worden ist, die von zwei Bevölkerungen
mehrheitlich abgelehnt worden ist. Da gab es zwei Wege: Der eine wäre
gewesen, dass man eine Verfassung schreibt, die von der Mehrheit der
Bevölkerungen aller EU-Staaten akzeptiert wird. Und der andere Weg war: zu
tricksen. Man lässt ein halbes Kapitel weg, dann ist es keine Verfassung
mehr und kann ohne die Bevölkerungen entschieden werden. Man hat sich für
den zweiten Weg entschieden. Und dafür bezahlen wir jetzt auch.
Also doch klammheimliche Freude über die Erosion der EU?
Es ist überhaupt kein Anlass zur Freude. Ich möchte nicht, dass die EU
kaputt geht. Die ganze Geschichte meiner Familie verlangt nach der EU. Sie
verhindert Kriege zwischen den Mitgliedsländern. Kriege zwischen ihnen darf
es nie wieder geben. Das wäre eine Katastrophe.
Sahra Wagenknecht meint: Es gibt für einen Linken wenig Grund, die EU, so
wie sie heute ist, zu verteidigen.
Wenig mag sein, aber es gibt einen entscheidenden Grund: die Erhaltung des
Friedens zwischen ihren Mitgliedsländern. Das ist mein wichtigstes
Anliegen. Außerdem hätten die alten Nationalstaaten einzeln weder
ausreichend politische noch wirtschaftliche Bedeutung weltweit, gegenüber
den USA, China und anderen.
Muss die Linke also jetzt EU-kritischer werden oder pro-europäischer?
Beides. Wir müssen die EU kritisieren, wir müssen Vorschläge machen, wie
sie besser organisiert werden kann und gleichzeitig für ihre Rettung
eintreten.
Komplex!
Leichter ist es nicht zu haben.
Welche Folgen wird der Brexit für die EU haben?
Der Brexit ist eine Tragik für Großbritannien, aber auch für die
Europäische Union. Im Unterschied zu Martin Schulz glaube ich doch, dass es
eine gewisse Kettenreaktion geben kann. Die Schotten wollen einen neuen
Volksentscheid, wenn die austreten, ist auch Großbritannien kaputt. Und
wenn Le Pen nächstes Jahr die Präsidentschaftswahlen in Frankreich gewinnt
und Frankreich die EU verlässt, ist sie mausetot. Und ich möchte nicht,
falls das passiert, dass die Linke dabeisteht als einer der Totengräber.
Sondern die Linke muss dastehen als eine, die versucht hat, sie zu retten.
Kommt denn der Brexit der Linken irgendwie entgegen?
Ich glaube nicht, dass der Brexit zum Aufschwung der Linken führt, sondern
zum Aufschwung der Rechten. Und zwar sowohl in Frankreich, in Holland, aber
auch in Deutschland. Und schon deshalb müssen wir aufpassen.
Wieso können die Linken nicht von der allgemeinen EU-Verdrossenheit
profitieren?
Wenn ein Rechter sagt: ‚Wir müssen raus aus der EU‘, ist das einfach. Als
Linker kritisiere ich und muss gleichzeitig sagen, warum sie wichtig ist.
Das ist eine kompliziertere Antwort.
Was müssen die Linken in Europa anders machen? Offenbar können sie sich ja
gegenüber rechten EU-Kritikern nicht ausreichend Gehör verschaffen.
Nun haben die europäischen Linken ja unterschiedliche Auffassungen zur EU.
Es gab immer Linke, die gegen die EU waren. Hinzu kommt, dass linke
Parteien in Europa nach dem Zusammenbruch des Staatsozialismus derart in
den Keller gegangen sind, dass sie eine solche Frage und Entscheidung gar
nicht dominieren können. Es gibt jetzt auch eine neue Stärkung der Linken
in Griechenland, Spanien und Portugal. Je nachdem, wie die Wahlen in
Spanien ausgehen, kommen von dort vielleicht neue Signale.
Die EU ist ja auch etwa Elitäres. Die Gutgebildeten, die, die viel reisen,
wissen sie zu schätzen. Die Armen, die Abgehängten sind eher EU-kritisch.
Wie kann man denn pro-europäische linke Kritik auch in solchen Milieus
verankern?
Das Wichtigste ist, dass man eine pro-europäische Kritik so übersetzt, dass
man die Bevölkerung anspricht. Es sind ja nicht nur elitäre Kreise, die für
die EU sind, es ist auch eine elitäre Ausdrucksweise: wie erkläre ich die
Rolle der europäischen Zentralbank? Die einfachsten, aber falschen
Antworten geben immer die Rechten. Und leider glauben denen zu viele Leute.
26 Jun 2016
## AUTOREN
Anna Lehmann
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