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# taz.de -- Gespräche nach dem Brexit-Votum: Berlin, heimliche Hauptstadt Euro…
> Deutschland übernimmt die Initiative zur Rettung der EU. Kleinere
> Ost-Mitgliedsstaaten fühlen sich deswegen ausgeschlossen.
Bild: Freunde: Adenauer und de Gaulle bei der Unterzeichnung des Elysée-Vertra…
Berlin taz | Offiziell ist Berlin noch nicht neuer Sitz der EU. Das
Europaparlament ist am Wochenende nicht an die Spree gezogen. Das Treffen
der EU-Regierungschefs findet in dieser Woche nicht im Kanzleramt statt.
Inoffiziell hat sich die Macht innerhalb Europas nach dem Brexit aber in
Richtung Deutschland verschoben: Zu gleich zwei Minigipfeln innerhalb von
drei Tagen hat die Bundesregierung ihre Partner nach Berlin geladen.
Zusammen mit einer handvoll ausgewählter EU-Staaten plant sie die Zukunft
der Union. Die wichtigsten Gesprächspartner kommen dabei aus Frankreich –
zumindest aus Sicht des Auswärtigen Amts.
Das Haus von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte am
Freitagmorgen um kurz nach 9 Uhr als erstes reagiert: Das Brexit-Ergebnis
war erst wenige Stunden alt, als das Ministerium [1][ein schon länger
geplantes Sechser-Treffen in Berlin ankündigte]. Bereits einen Tag später
beriet sich Steinmeier dort mit den Außenministern der einstigen
europäischen Gründerstaaten: Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg und
die Niederlande.
Die Eile des Ministeriums kommt nicht von ungefähr: Niemand in der
Bundesregierung ist über den Brexit so schockiert wie Steinmeier. Für viele
Mitarbeiter des Auswärtige Amts fühlt sich das britische Referendum an wie
der Fall der Berliner Mauer – nur umgekehrt.
## Fehlende Unterstützung
Entsprechend drängt Steinmeier nun auf schnelle Maßnahmen, damit andere
Staaten dem britischen Vorbild nicht folgen. Die Regierung in London müsse
zunächst die von den Wählern „getroffene Entscheidung so schnell wie
möglich umsetzen“, schreibt er in einem gemeinsamen Papier mit seinen fünf
Kollegen. Hinterher müssten innerhalb Europas Reformen her: „Wir sind fest
entschlossen, ein besseres Funktionieren der EU zu erreichen.“
Konkreter wird der Außenminister in einem zweiten Papier. Verfasst hat er
es gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen, dem ehemaligen
Deutschlehrer Jean-Marc Ayrault. „Deutschland und Frankreich stehen in der
Verantwortung, die Solidarität und den Zusammenhalt innerhalb der EU zu
stärken“, heißt es darin.
Drei Bereiche hat sich das deutsch-französische Duo dafür herausgesucht:
Erstens wollen die beiden die europäische Sicherheitspolitik ausbauen –
sowohl nach außen durch mehr Militär als auch nach innen durch gemeinsame
Anti-Terror-Maßnahmen. Zweitens wollen sie es doch endlich schaffen, in der
Flüchtlingspolitik die „Nutzen und Lasten gerecht unter den Mitgliedstaaten
verteilen“. Drittens wollen sie in der Währungs- und Wirtschaftspolitik
umsteuern – unter anderem durch „Investitionen in den von der Krise am
stärksten betroffenen Staaten“. Es geht also auch um einen Schritt weg von
der Austeritätspolitik.
Zumindest bei dieser Forderungen fehlt den beiden Außenministern aber die
Unterstützung einer wichtigen Figur: Kanzlerin Angela Merkel.
Sie empfängt Montag zum zweiten Minigipfel den französischen Präsidenten
François Hollande und den italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi in
Berlin. Hollande hatte schon am Freitag mehr Investitionen für Wachstum und
Arbeitsplätze in Europa gefordert. Renzi ist ebenfalls als Kritiker der
Austeritätspolitik bekannt. Von Merkel waren solche Töne aber zu keinem
Zeitpunkt zu hören. Eine Abkehr von der Sparpolitik in Europa könnte sie
ihrer Partei auch nur schwer vermitteln.
## Nicht überall kommen die Berliner Gipfeltreffen gut an
Mit weiteren Maßnahmen hat es die Kanzlerin ebenfalls weniger eilig als ihr
Außenminister. „Ruhe und Besonnenheit sollen unsere Haltung prägen“, sagte
Merkels Sprecher unmittelbar nach der Brexit-Entscheidung.
Stellt sich nur eine Frage: Warum will Merkel unbedingt noch vor dem
EU-Gipfel (Dienstag und Mittwoch in Brüssel) in Berlin mit Hollande und
Renzi sprechen? Um sie von der Linie der Außenminister abzubringen? Um
ihnen das Ende der Austeritätspolitik auszureden?
So oder so: Nicht überall in Europa kommen die Berliner Gipfeltreffen gut
an. Eine Reihe kleiner Mitgliedstaaten, vor allem im Osten, fühlt sich
ausgeschlossen. „Solche Initiativen sind ein Fehler, weil sie die Union
spalten“, sagte etwa Polens Außenminister Witold Waszczykowski. Der
Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich (Linke) wunderte sich über den
Außenministergipfel am Wochenende. „Wer Kerneuropa jetzt stärkt, macht die
EU kaputt“, sagte er.
Nur einer kann diese Aufregung gar nicht verstehen: der frühere grüne
Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit, die personifizierte
deutsch-französische Achse. „Diese Debatte halte ich für lächerlich“, sa…
er. „Jeder Premier kann jeden anderen besuchen, Sliwowitz trinken und
eigene Initiativen einreichen. Am Ende ist entscheidend, welche Mehrheiten
es im Rat und im EU-Parlament gibt.“
27 Jun 2016
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## AUTOREN
Tobias Schulze
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