# taz.de -- Sci-Fi-Schau der Deutschen Kinemathek: Die Furcht vor dem Fremden | |
> Cyborgs, Replikanten und Klone – mit ihrer Sci-Fi-Film-Schau „Things to | |
> Come“ zeichnet die Deutsche Kinemathek düstere Zukunftsvisionen. | |
Bild: Humanoide Roboter, wollen sie uns ersetzen? | |
Die Bundeswehr sucht nach [1][Cybersoldaten]. Niederländische Polizisten | |
dressieren [2][Adler für die Drohnenjagd]. Und Mark Zuckerberg klebt | |
[3][ein Pflaster auf seine Mac-Kamera]. Ja, die Zukunft kann Angst machen, | |
wenn sie da ist. Aufregend bleibt sie jedoch aus der Ferne, als bloße | |
Vision – mit Cola in der einen und Popcorn in der anderen Hand. | |
Vielleicht sind Science-Fiction-Filme deshalb beinahe so alt wie das Medium | |
selbst. 1902 – Jahrzehnte bevor Neil Armstrong einen großen Schritt für | |
die Menschheit tat – schoss der Trickfilmer Georges Méliès in [4][„Le | |
Voyage dans la Lune“] eine Rakete auf ein freundliches Mondgesicht. Und | |
vereinte in nur 16 Filmminuten alles, was für das Genre fortan elementar | |
war: Mad Scientists, futuristischer Look, neuartige Visual Effects. Und | |
Aliens natürlich. | |
Heute sind Sci-Fi-Filme längst ein Blockbuster-Geschäft, vor allem in den | |
USA. „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ spielte im vergangen Jahr über 936 | |
Millionen, „Jurassic World“ 652 Millionen Dollar ein – das macht sie zu d… | |
erfolgreichsten Filmen 2015. Hierzulande tut man sich mit dem Genre immer | |
noch schwer, würdigt es aber. So wie die „Deutsche Kinemathek“ nun mit | |
ihrer nach Alexander Kordas 1936er Sci-Fi-Film benannten Ausstellung | |
„Things to Come“. | |
Unter den 300 Exponaten findet sich fast alles, was Fans glücklich macht. | |
Etwa ein Raumanzug aus „Armageddon“, Strahlenwaffen aus „Raumpatrouille | |
Orion“ oder ein Tricorder aus „Star Trek“ – thematisch sortiert nach der | |
sogenannten Sci-Fi-Dreifaltigkeit: „Eroberung des Weltraums“, „Gesellscha… | |
der Zukunft“ und „Begegnung mit dem Außerirdischen“. | |
## Angst vor dem, was kommt | |
Das All als Un- und Zufluchtsort fasziniert Filmemacher und Fans von jeher. | |
In der Kinemathek liegen schneeweiße Kapseln für den Hyperschlaf bei | |
Minusgraden wie in Ridley Scotts „Alien“. Auch Kryonik genannt, wird er | |
heute bereits für Herz- oder Hirnoperationen genutzt. Denn oft inspirierten | |
sich Sci-Fi-Filme und Wissenschaft gegenseitig: Eine wandhohe | |
Videoinstallation zeigt den furiosen Raketen-Countdown aus Fritz Langs | |
„Frau im Mond“ von 1929, der mangels Ton auf den Zwischentitel „10-9-8-7 … | |
zurückgriff – mittlerweile Usus bei vielen westlichen Raketenstarts. | |
„Dieser Realitätsbezug ist uns wichtig“, sagt Gerlinde Waz aus dem | |
dreiköpfigen Kuratorenteam – und er ist es auch, der das Genre so | |
erfolgreich macht. Technisch immer perfekter inszeniert, beschreiben | |
Sci-Fi-Filme ureigene, realer werdende Wunsch-, aber auch | |
Angstvorstellungen von der Zukunft: durchtechnologisierte Städte, sauber, | |
minimalistisch, logisch. Nicht nur die Ausstellungsräume selbst sehen so | |
aus, mit Überwachungskameras und an die Wände gebeamten Sci-Fi-Ausschnitten | |
zeigen sie eindringlich, wie das Thema Privatsphäre in totalitären Regimen | |
mancher Filme ausgereizt wird. | |
Roboter Myon von der Beuth-Hochschule soll Daten über die | |
Ausstellungsbesucher sammeln. Er ist [5][lernfähig], humanoid und mit einem | |
Kameraauge verarbeitet er seine Umgebung visuell. Wie ein Kleinkind soll | |
Myon so lernen, was es heißt, menschliche Gefühle zu empfinden, sie | |
auszudrücken und hervorzurufen. Die fiktiven Maschinen aus „I, Robot“ oder | |
der schwedischen Serie „Real Humans“ sind scheinbar schneller, | |
intelligenter als der Mensch – und in der Realität schreiben sie bereits | |
die Drehbücher. [6][„Sunspring“] heißt der gerade erschienene erste | |
Sci-Fi-Film [7][aus der Feder eines Algorithmus.] | |
„Wäre es so schlimm, wenn es eines Tages eine Computerspezies gäbe, die | |
intelligenter wäre als wir?“, fragte Spike Jonze mal [8][im Interview zu | |
seinem Film „Her“]. Das sei Evolution. | |
## Bin ich ein Alien? Und wenn ja, wie viele? | |
Im nächsten Raum warten Seziertische. Ein Gummi-Alien aus „Independence | |
Day“ ragt bis an die Decke. Fies schaut der mit seinen Kinn-Tentakeln aus. | |
„Den hat Roland Emmerich gestiftet“, sagt Waz und lacht, „er wollte ihn | |
nicht mehr in seinem Büro haben.“ | |
Im US-Film sind Außerirdische häufig Platzhalter für die Furcht vor dem | |
„Fremden“ – in den 50ern und 60ern etwa vor der UdSSR, die angeblich an | |
untertassenförmigen Flugobjekten gebastelt haben soll? Heute steht sie | |
teils für terroristische Übergriffe. „9/11 hat alles verändert“, sagte | |
Steven Spielberg etwa mal in einem Interview über sein Endzeit-Werk „Krieg | |
der Welten“. | |
Bei so vielen Ängsten gehören Sci-Fi-Filme eigentlich auf die Couch. In | |
einem Spiegelraum kann man sich deshalb selbst analysieren, [9][wie am Ende | |
von Kubricks „Odyssee im Weltraum“]: Bin ich Cyborg? Alien? Und wenn ja, | |
wie viele? | |
Doch der tiefgreifendste Konflikt findet woanders in der Kinemathek statt. | |
Waz zeigt auf ein Modell des TIE Fighters, der neben einer U.S.S. | |
Enterprise NCC-1701 hängt, und meint: „,Star Wars'-Fans und Trekkies sind | |
seit Langem verfeindet. Nun wollen wir sie endlich versöhnen!“ Hm. Ja. Da | |
wird’s dann doch zu utopisch. | |
5 Jul 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.tagesschau.de/inland/cyber-bundeswehr-101.html | |
[2] http://www.spiegel.de/netzwelt/web/drohne-abgefangen-niederlaendische-poliz… | |
[3] https://www.theguardian.com/technology/2016/jun/22/mark-zuckerberg-tape-web… | |
[4] https://www.youtube.com/watch?v=lUAD4lKNDI8 | |
[5] https://www.youtube.com/watch?v=swMUIJ3RKI0 | |
[6] https://www.youtube.com/watch?v=LY7x2Ihqjmc | |
[7] /Debuet-einer-Drehbuchmaschine/!5314256 | |
[8] https://www.welt.de/kultur/kino/article126257088/Soll-es-doch-intelligenter… | |
[9] https://www.youtube.com/watch?v=AXS8P0HksQo | |
## AUTOREN | |
Christine Stöckel | |
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