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# taz.de -- Science-Fiction-Film „Star Trek Beyond“: Küsse im Weltraum
> Selbstironischer war kaum ein Science-Fiction-Film. Kirk hat eine
> Midlife-Crisis, Spock will Diplomat werden und die Amazone Jaylah hat
> eine große Klappe.
Bild: Und es werde Licht: Star Trek hat immer noch Überraschungen parat
In seinem Meisterwerk „Per Anhalter durch die Galaxis“ beschreibt Douglas
Adams eine fatale rechnerische Fehlkalkulation der beiden bösen
Alien-Völker G’Gugvuntt und Vi’hurgs: Anstatt, wie von den Außerirdischen
geplant, die Erde per Raumschiffinvasion in Angst und Schrecken zu
versetzen, wird ihre gesamte Kampftruppe mit einem einzigen Happs von einem
kleinen Hund verschluckt. Ohne spoilern zu wollen (dazu bleiben eh noch zu
viele Überraschungen übrig) sei hier auf Ähnlichkeiten zur ersten Szene des
neuen „Star Trek“-Films hingewiesen: Martialische, mähnentragende Aliens,
die sich mit „USS Enterprise“-Captain James T. Kirk ein aggressives
Wortgefecht liefern, entpuppen sich beim Näherkommen als ungefähr
dackelhohe Wadenbeißer. Manchmal kommt es eben doch auf die Größe an.
Besser gesagt, auf den richtigen Humor. Beim aktuellen Kinoabenteuer der
Enterprise, die – seit 1966 – durch fünf größtenteils überzeugende
Fernsehserien mit 703 Episoden, zehn schlechte Kinofilme, zwei von J. J.
Abrams überragend gestaltete Leinwand-Neuinterpretationen und zahllose
Franchise-Artikel fliegt, haben Regisseur Justin Lin, der Drehbuchautor,
Komiker und Schauspieler Simon Pegg (der im Film wieder den schottischen
Maschinenraum-Offizier „Scotty“ gibt) und Koautor Doug Jung alles richtig
gemacht. Selbstironischer und entspannter hat sich noch kein Actionfilm ins
Genre getraut.
Sogar eine Midlife-Crisis findet einen angemessenen Platz: Kirk (Chris
Pine) erlebt sich nach langen Zeiten auf der Enterprise (im Realuniversum
ist es immerhin ein halbes Jahrhundert) als ziemlich demotiviert. „Things“,
sinniert er in seinem Logbuch, während er den Kleiderschrank der
Kabinenkoje öffnet und auf zehn identische senfgelbe Kapitänsanzüge blickt,
„have started to feel a little … episodic.“
So beginnt die Geschichte mit einem Seitenhieb auf ihre eigene
TV-Vergangenheit und mit Zweifeln an Sinn und Unsinn neuer Missionen. Kirk
überlegt, einen sicheren Schreibtischjob als Sternenflotten-Admiral
anzunehmen, und der Halbvulkanier Spock (Zachary Quinto), dessen Spannung
wie immer über das Unterdrücken seiner Gefühle entsteht, denkt über eine
diplomatische Karriere nach.
## Ganze ohne homophobe Klischees
Doch Science-Fiction-Action, auch spaßige, bleibt Science-Fiction-Action.
Also schwingt sich der Film doch noch dahin auf, „where no man’s gone
before“. Und die Crew inklusive Scotty, Kommunikationsoffizierin Lt Uhura
(Zoe Saldana), Doktor „Bones“ McCoy (Karl Urban), Pilot Sulu (John Cho) und
Lt Chekov (der in diesem Jahr bei einem Autounfall verstorbene Anton
Yelchin) muss und will zum 13. Mal mit an die „final frontier“.
Obwohl die Crew für die lange Absenz von zu Hause durchaus Opfer bringt:
Die Kamera fängt zu Anfang bei einer Fahrt über Sulus Armaturenbrett das
dort deponierte Foto eines kleinen Mädchens ein. Etwas später, kurz vor
Beginn einer aufregenden Rettungsmission des Schiffs, die sich dann doch
als Vereitelung eines nach Universumsherrschaft dürstenden Megagangsters
entpuppt (denn so ist es eben auf der Welt und im Weltraum) umarmt Sulu bei
einem Heimaturlaub auf der Raumstation seine Tochter – und gleich darauf
seinen männlichen Partner. Endlich: Schwule im Weltraum, erfreulicherweise
ganz ohne homophobes Klischeefeuerwerk à la Bully Herbig in „(T)Raumschiff
Surprise“.
Geküsst wird zwischen den Männern zwar noch nicht, aber auch das kommt
bestimmt beim nächsten Mal. In der Zeichnung der Charaktere haben sich Pegg
und Jung ebenfalls Mühe gegeben: Neben den üblichen (zugegeben, vor allem
für Trekkies) vergnüglichen „Was sich liebt, das neckt sich“-Kabbeleien
zwischen Spock und Bones, Spock und Kirk sowie Spock und Uhura haben sie
mit dem ekeligen Echsenmenschen „Krall“, gespielt von Idris Elba, einen
beeindruckenden, mit einer aufregenden Backstory ausgestatteten Bösen
geschaffen.
## Küssen muss sein
Elbas kraftvolle Stimme macht, genau wie bei Benedict Cumberbatch, der in
„Into Darkness“ den sinistren Khan spielte, sogar das tausendfach gehörte
„Ich will die Menschen vernichten“-Geblase zum Genuss. Und die angstfreie
Amazone Jaylah (Sofia Boutella), deren zornige Maske sich bestens zum
Nachschminken für die nächste Convention eignet, liefert sich mit dem von
ihrer Eigeninitiative so begeisterten wie überforderten Scotty einen
Schlagabtausch nach dem anderen. Ohne dass am Ende – wie sonst immer – eine
spießige Romanze steht, weil rote (oder weiße) Lippen, jedenfalls zwischen
Mann- und Frau-Wesen, eben zum Küssen da sind.
Während die Crew sich auf dem üblichen ungastlichen Planeten durchschlägt,
den Fiesling Krall bekämpft und ständig von einer stacheligen
Schwarmintelligenz angegriffen wird, weidet sich die Kamera in – für das
Genre – erstaunlich langsamen, genüsslichen Bewegungen an der wunderbaren
Ausstattung, die vor allem in einigen der Außenszenen liebevoll die
Pappmaché-Kulissen von „Star Trek TOS“ („The Original Series“, 1966–…
zitiert und nur in den Actionsequenzen wie gewohnt und notwendig an Fahrt
aufnimmt.
Auch das bricht mit den Gebräuchen und ist dennoch nie langweilig: Die
MacherInnen von „Star Trek Beyond“ haben sich nicht auf CGI, Prügeleien und
Geballer verlassen, sondern als Basis eine hieb- und stichfeste, in der
Erzählweise stark an die Struktur einer Einzelepisode orientierte Story
konstruiert – eine Tugend, die in vielen aktuellen Actionfilmen (vor allem
den letzten Marvel-Werken) vernachlässigt wurde.
Klar, der von CGI-Buden, Big Money, Merchandise, Hollywood und Werbung
getragene Blockbuster „Star Trek Beyond“, in dem die Überlegenheit der
Sternenflotte gegenüber anderen Lebensmodellen gepriesen wird, ist nicht
mehr, als er sein kann. Aber das ist eine Menge. Denn die Sternenflotte in
all ihrem Militarismus, ihren Hierarchien, dem „Seite pfeifen“, wenn der
Kapitän auf der Brücke erscheint, den Individualität verneinenden Uniformen
(was erstmalig in diesem Film von Jaylah thematisiert wird) bildet ein
Konglomerat mannigfaltiger menschlicher und außermenschlicher Völker,
Clans, Stämme, Rassen und Wesen, die sich entschlossen haben, friedlich
miteinander umzugehen.
## Kein internationales Friedenslied
Gene Roddenberry als Trekfather hatte weiland genau das im Sinn und soll
angeblich sogar einige der einst anstößigen Szenen (damals ebenfalls ein
Kuss, allerdings zwischen Weiß und Schwarz, OMG!) nur in die Drehbücher
geschrieben haben, um von den politisch mutigen Verhältnissen auf der
Brücke des Schiffs abzulenken, auf der sich Menschen aus vielen Ländern und
mit vielen Farben – bis auf die Militärgrade – gleichberechtigt tummelten.
„Star Trek Beyond“ ist trotz der (hoffentlich) neuen Homo-Ikone Sulu, trotz
der patenten Jaylah und des durch seine Vergangenheit gebrochenen Krall
weder ein lauter Antidiskriminierungsaufruf noch ein Kommentar zum Thema
Flucht und Verdrängung. Dafür sind seine Wurzeln im Entertainment zu stark,
ist seine mögliche politische Botschaft zu schwach. Er ist schon gar kein
internationales Friedenslied.
Dennoch: Am Ende schallt großartige Musik durch das All (obwohl das ja
physikalisch gar nicht geht) und stellt den Schlüssel zur Lösung des
Problems dar. Wiederum wegen Spoilervermeidung soll hier nicht verraten
werden, um welchen Song es sich handelt, nur so viel: Er stammt aus dem
Jahr 1994, und als Bones verdattert fragt: „Is that classical music?“,
antwortet Spock, der alte Connaisseur: „Yes.“ Und er hat recht. Es ist ein
Klassiker.
20 Jul 2016
## AUTOREN
Jenni Zylka
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