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# taz.de -- Post-Finanzkrisen-Western: Zwei höfliche Bankräuber
> Cowboys auf Desperadomission: David Mackenzies Thriller „Hell or High
> Water“ ist eine Westernparabel auf die Folgen der Finanzkrise.
Bild: Lassen nicht locker bis zum Showdown: Jeff Bridges und Chris Pine in „H…
Zu den seltsameren Reflexen unserer Zeit gehört, dass ein Film über
Bankräuber schnell zu einem Film über den Zustand des Kapitalismus heute
oder zumindest die Folgen der Finanzkrise erklärt wird. David Mackenzie
baut den Link gleich in die ersten Bilder seines Films „Hell or High Water“
ein. Da schweift der Blick der Kamera über eine jener Straßenkreuzungen,
die als charakterloses Ensemble aus Asphaltstreifen, Parkplätzen und
Flachbauten das „kleinstädtische“ Amerika ausmachen.
Während ein heranfahrendes blaues Auto den Beginn der Handlung verspricht,
kommt zuerst ein Graffiti ins Bild: „3 tours in Iraq, but no bailout for
people like us“, und dann gegenüber das Firmenzeichen einer „Texas Midlands
Bank“. Dort, auf dem Hinterhofparkplatz, raucht die Filialangestellte
schnell noch eine Zigarette, bevor sie öffnet.
So beiläufig dieser schweifende Blick inszeniert ist, so sehr ist man als
Kinozuschauer bereit, der Richtung zu folgen. Konkret bedeutet das: Auch
wenn man noch nichts weiß über die beiden Männer in Skimasken, die bald dem
blauen Auto entsteigen, um skrupellos die Herausgabe von Banknoten zu
erpressen, ist man doch gewillt, ihr Anliegen als irgendwie gerecht zu
erachten.
## Gegen die da oben
Dass der eine es nicht lassen kann, die Angestellte, die er wenig
zimperlich zu Boden zwingt, gleichzeitig mit anerzogener Texas-Höflichkeit
als „Ma’am“ anzusprechen, bestärkt diesen Eindruck noch. Und dass diese
wiederum wenig eingeschüchtert die bewaffneten Jungs mütterlich besorgt
dazu auffordert, aufzugeben, bevor Schlimmeres passiert, macht die
Frontlinie noch deutlicher: Hier wird es nicht um zwei Bankräuber gegen den
Rest der Welt gehen, sondern eher um so etwas wie „wir hier unten gegen die
da oben“, besser gesagt „small town America“ gegen jene ominösen Kräfte,
die den amerikanischen Traum verraten haben.
Zugleich zeigt sich in dieser ersten Szene auch schon beispielhaft, was
„Hell or High Water“ davor bewahrt, ein Film mit allzu plakativer Botschaft
zu werden. Regisseur Mackenzie – obwohl oder auch gerade weil er Brite ist
– setzt dem Willen zur Verallgemeinerung ein gezieltes Interesse am
Besonderen, Lokalen, Speziellen entgegen. Das „Ma’am“ aus dem Mund eines
Bankräubers gehört dazu, genauso wie die in ihrer öden Gewöhnlichkeit
sorgfältig ausgesuchte texanische Szenerie und die Parade an verschrobenen
Typen, die sie bevölkern.
Wer in Texas eine Bank ausraubt, muss nicht nur mit Ausrufen wie „Seid ihr
verrückt? Ihr seid doch keine Mexikaner!“ rechnen, sondern auch damit, dass
hier selbst tattrige Kunden eine Waffe tragen und nicht zögern, sie gegen
vermeintliche Bösewichte einzusetzen.
Ins Bösewichter-Schema passen die Brüder Tanner (Ben Foster) und Toby
(Chris Pine) sowieso nur bedingt: Selbst in Skimasken erinnern sie an die
Kinotradition der Cowboys auf Desperadomission. Tanner – von Foster mit
solch dringlicher Konzentration gespielt, dass man das Auge kaum abwenden
kann – ist der Ältere und Unberechenbare. Toby (Pine als der vielleicht
einzige Schauspieler seiner Generation, der mit Schnurrbart nicht
lächerlich aussieht) ist der besser Angepasste, der sich den Bankräuberplan
zwar ausgedacht hat, aber niemanden verletzen möchte.
Männerkonflikte – Männerliebe
Zu Anfang sieht man ihren Überfällen das Amateurhafte noch an, aber es
gehört zu den Vorzügen des von „Sicario“-Autor Taylor Sheridan verfassten
Drehbuchs, dass sich Tobys Plan als so raffiniert erweist, dass er die
Enthüllung über mehrere Etappen hinweg lohnt. Zum bestechenden Lokalkolorit
des Films trägt auch bei, dass er seine Bankraub-als-Rache-Geschichte mit
dem Genre des Westerns überformt. Dafür schlüpft hier Jeff Bridges einmal
mehr in eine Art John-Wayne-Gedenkrolle: als grummeliger Ranger Marcus, der
kurz vor der Verrentung steht und sich mit besonderer Verve an die
Verfolgung der Brüder macht.
So wechselt der Film bald zwischen zwei sehr verschiedenen Männerkonflikten
hin und her: Auf der einen Seite sind da Tanner und Toby, die über
tragische Missgeschicke zu einem unausgesprochen besseren Verständnis
füreinander finden. Und auf der anderen ist da der rechthaberische Marcus,
der seinen jüngeren Partner Alberto (Gil Birmingham, der mit
minimalistischem Meisterspiel sein Gegenüber gut aussehen lässt) laufend
mit Beleidigungen auf dessen indianisch-mexikanische Herkunft traktiert,
die natürlich im Umkehrschluss die tiefe Männerliebe zwischen den beiden
dokumentieren.
Obwohl auf verschiedenen Seiten des Gesetzes, wie man so sagt, zeigt der
Film seine vier Helden letztlich als Facetten ein und derselben Geschichte:
Was mit grotesken Zügen als Heist-Movie beginnt, weitet sich mehr und mehr
zur epischen Westernparabel auf die lange Kette an Enteignungen, die die
verschiedenen Bewohner dieses nordamerikanischen Landstrichs schon ertragen
mussten.
12 Jan 2017
## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
## TAGS
Western
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