| # taz.de -- Der Hype um Hollywood-Superhelden: One for the money, two for the s… | |
| > Superhelden treffen andere Superhelden – das ist derzeit Hollywoods | |
| > Lieblingsrezept. Und eine Allegorie des Systems, in dem die Filme | |
| > entstehen. | |
| Bild: Vor dem Superhelden-Hype: Batman (Adam West) und Robin (Burt Ward) in den… | |
| Wie erzählt man die Geschichte des Kapitalismus im Kino? Vielleicht: ein | |
| Foto von Adam Smith, streikende Fabrikarbeiter, Charly Chaplin zwischen den | |
| Zahnrädern einer Maschine und dazu im Voice-over Marx-Zitate? Nein, gar | |
| nicht nötig. Man schaut sich einfach Superheldenfilme an. | |
| Allein in diesem Jahr kamen drei in die Kinos: “„Batman v Superman: Dawn of | |
| Justice“ „The First Avenger: Civil War“ und „Suicide Squad“. Schon se… | |
| 2008 haben die richtig Konjunktur. Damals beschloss Disney, der Inhaber der | |
| Filmrechte an den „Marvel“-Comics, ein fiktives Universum zu erschaffen, in | |
| dem alle künftigen Filme und Figuren des Labels lokalisierbar sein sollten, | |
| mit gegenseitigen Gastauftritten und Allianzen der Helden – das „Marvel | |
| Cinematic Universe“. Disneys Konkurrent Warner Brothers antwortete 2013 mit | |
| dem „DC Extended Universe“, auch so ein Superheldenhort. | |
| Das macht aus den zuvor abstrakten „Markenwelten“ konkrete, wenn auch | |
| fiktive Universen. Synergetische Erzähleffekte werden möglich. Soll | |
| beispielsweise ein neuer Held eingeführt werden, bekommt er zunächst | |
| mediale Schützenhilfe von einem bereits etablierten Kollegen. In dessen | |
| Film lässt man dann zum Beispiel die Eltern des Newcomers ermorden und ihn | |
| Rache schwören. So hat der Neue seinen kleinen Auftritt, wie mit einem | |
| Wasserzeichen „coming soon“ überklebt. Wirtschaftlich würde man von | |
| „Quersubventionen in den Markenwert neuer Figuren“ sprechen. | |
| Denn genau das sind Superhelden heute: keine konsistente Figuren, sondern | |
| bemannte Marken. Der treuherzigste von ihnen ist ein sprechender Baum im | |
| Film „Guardians of the Galaxy“. „Ich bin Groot“ lautet seine wiederkehr… | |
| Antwort auf jede erdenkliche Situation. Groot ist Groot, nur dafür steht er | |
| mit seinem Namen. | |
| ## Kleines Makeover für Batman | |
| Superheldenfiguren müssen zwei Logiken zugleich gehorchen. Peter Parker | |
| sollte mehr als nur „Ich bin Peter Parker“ sagen können, also eine halbwegs | |
| nachvollziehbare Persönlichkeit besitzen. Er soll also ein richtiger Mensch | |
| sein. Als Spiderman hingegen ist Peter ein Held und braucht dafür ein | |
| wiedererkennbares Set aus Kostüm, Superkräften und Posen wie dem Schwingen | |
| mit den Spinnenfäden aus seinen Händen. Die Persönlichkeit lebt von der | |
| Anpassung an die Situation; die „Corporate Identity“ davon, dass sie wie | |
| ein Logo gleich bleibt. | |
| Diese Schizophrenie zwischen der Actionfigur und dem Menschen, der sie | |
| verkörpert, war bislang nur indirekt spürbar. Nehmen wir Batman als | |
| Beispiel. Er erscheint fortlaufend in Comics, lebt also in gefühlter | |
| Echtzeit neben seinen Lesern her und müsste folglich heute über hundert | |
| Jahre alt sein, nachdem er 1939 bereits ein ausgewachsener Mann war. Also | |
| verjüngen immer wieder neue Generationen von Autoren das Fledermauskostüm | |
| entsprechend dem aktuellen Zeitgeschmack, während sie – damit Batman | |
| anschließend immer noch Batman ist – wieder und wieder dieselbe „origin | |
| story“ erzählen. Der tödliche Überfall auf seine Eltern hört nicht auf, | |
| Bruce Wayne nachts zu verfolgen, sein traumatisches Erlebnis mit den | |
| Fledermäusen und die Entscheidung: „I shall become a bat“ kehren immer | |
| wieder. | |
| Aufgrund dieser zeitlogischen Merkwürdigkeit spricht der Philosoph Umberto | |
| Eco vom „traumähnlichen Klima“ der Superheldengeschichten, in denen das, | |
| „was zuvor und danach geschieht, extrem diffus ist“. Im Zeitalter der | |
| gemeinsamen Erzähluniversen tritt jene Unschärfe nun in die Filme selbst | |
| ein und diese sozusagen in ihre turbokapitalistische Phase. Jetzt wird es | |
| möglich, mit einem einzigen Film sowohl die Fans von Superman als auch | |
| Batman ins Kino zu locken. | |
| „Batman v Superman“ münzt das Aufeinanderprallen der beiden Markenfiguren | |
| in ein säbelrasselndes Aufgebot ihrer ikonischen Posen: Hier die mal wieder | |
| von einem Hochhaus stürzende Superman-Begleiterin Lois Lane mit flatterndem | |
| Cape; dort Batman, der vor regennassem Fenster eine Unterredung mit seinem | |
| Butler Alfred führt. Es ist, als würden mit den beiden Helden zugleich zwei | |
| Filme gegeneinander kämpfen, zwischen denen eine „traumähnliche“ Unschär… | |
| liegt. Diese will sich partout auch dadurch nicht schließen, dass die | |
| Mütter beider Helden denselben Namen haben und damit, in einem Moment des | |
| gegenseitigen Erkennens, gerade noch der drohende Kannibalismus im | |
| gemeinsamen Markenuniversum verhindert werden kann: Batman steht schon mit | |
| dem tödlichen Speer über Superman. | |
| ## Das Spin-Off des Spin-Offs des Spin-Offs | |
| Die schizophrene Dissonanz in den Figuren, auf die Ecos Beobachtung | |
| hindeutet, hat den Film insgesamt infiziert. Ein schönes Bild dafür liefert | |
| ein Exkurs zu Charlie Kaufmans Film „Synecdoche, New York“ (2008). Es geht | |
| darin um einen alternden Theaterregisseur namens Caden, der allmählich | |
| seinen Verstand verliert. | |
| Caden mietet sich eine riesige Halle. Dort beginnt er, immer weitere Teile | |
| seines Lebens durch theatrale Reproduktionen zu ersetzen, die einfach | |
| nebeneinander im Raum bestehen bleiben, anstatt zeitlich voranzuschreiten. | |
| Er öffnet irgendwo eine Tür und gelangt in eine andere Szene, an einem | |
| anderen Punkt seines Lebens. Schon bald ist die Halle nicht mehr groß genug | |
| und muss von einer weiteren umschlossen werden muss. Die immer weiter | |
| anschwellende Produktion beschreibt eine Welt kurz vor dem Zusammenbruch. | |
| Am Ende wandelt Caden wie König Midas durch ein komplett in Kulissen | |
| verwandeltes Leben. | |
| Dieses Schicksal könnte auch den Superhelden-Team-Filmen blühen. Sie | |
| brechen mit der „natürlichen“ Logik von Film-Franchises, einen Teil nach | |
| dem anderen zu veröffentlichen. Stattdessen wachsen sie in eine fiktive | |
| Breite und potenzieren Markenwerte mit künstlichen Synergieeffekten. Kurz: | |
| Da bildet sich eine Blase. | |
| „Civil War“ von den Marvel-Studios demonstriert bereits | |
| Auflösungserscheinungen. Es geht darum, dass die „Avengers“-Heldentruppe, | |
| die alle auch ihre eigenen Filme haben, durch einen Trick gegeneinander | |
| aufgehetzt werden. Iron Man und Captain America bilden unterschiedliche | |
| Lager hinter sich. Aber wer mit wem? Erst mal müssen also alle Helden im | |
| gegenseitigen Kontrast ihren Markenkern schärfen, ein neuer Kämpfer | |
| eingeführt, ein paar Nebenplots für „Spin-offs“ losgetreten sein – und … | |
| dann endlich die Fetzen fliegen, ist auch die Kampfszene nur Laufsteg. | |
| Die Kamera springt von einem zum nächsten und hält mal hier, mal dort den | |
| goldenen Rahmen um die sich in Stellung bringenden Helden. Die Truppe | |
| kloppt sich und zerfällt in einen „Civil War“ perfekt designter | |
| Einzeleinstellungen. Als hätte man die Gegner gleich ganz weggelassen, weil | |
| man mit ihnen keine Bettwäsche verkaufen kann. Der Film verschmilzt mit | |
| seinem ökonomischen Kondensat: Er sieht aus, als wäre er sein eigener | |
| Trailer. | |
| ## Dann macht es pling | |
| Das gilt sogar noch mehr für „Suicide Squad“, worin wir eine Reihe aus dem | |
| Knast entlassener badasses mit Superkräften vorgestellt bekommen, mit denen | |
| Warner seinem Konkurrenten den tätowierten Mittelfinger zeigen will. Eine | |
| Firma, die sonst für Trailer bekannt ist, besorgte hier den Finalschnitt. | |
| Und das sieht man. Der Zuschauer bezahlt an der Kinokasse, dass er 123 | |
| Minuten auf einen Hauptfilm wartet, der nicht kommt. Dabei hätte man nur | |
| eines der sich abwechselnden dramaturgischen Spin-offs einfach mal | |
| weiterlaufen lassen müssen. | |
| Zum Beispiel die Szene, in der die durchgeknallte Baseball-Schläger-Braut | |
| Harley Quinn allein in den Aufzug steigt und dort ein paar Minuten lang in | |
| ungeteilter Aufmerksamkeit Gegner auseinander nehmen darf, während ihre | |
| Kollegen die Treppe raufdackeln. Dann macht es pling, die Tür geht auf, und | |
| da stehen sie wieder, die anderen Pappnasen. Sie wollen auch ihre | |
| „screentime“ haben. Haley steigt aus dem Auszug und dann endlich macht | |
| einer den Mund auf und spricht es aus: Ich bin Groot. Also er sagt diesen | |
| Satz nicht wirklich, aber die Figuren können nicht viel mehr als der | |
| einsilbige Baum Groot. | |
| Noch ehrlicher ist nur Deadpool, der Zyniker im roten Gummikostüm, Marvels | |
| Riesenerfolg Anfang des Jahres. Schon in der ersten Szene zieht er die | |
| Maske ab und entblößt darunter das entstellte Gesicht eines ehemaligen | |
| Söldners, der durch die Hölle einer langen Folter „mutierte“ und | |
| unsterblich wurde. Auch Batman machte erst ein Trauma zur Fledermaus. | |
| Richtige Actionfiguren erhält man nicht ohne eine Prise Leid. Der | |
| Lohnsoldat zieht die Maske wieder auf, in der nächsten brenzligen Szene | |
| wird irgendein Stuntman darunter stecken. Praktisch, so ein Kostüm. | |
| Deadpools Name stammt daher, dass im „Dead Pool“ der Söldner ein Betrag auf | |
| seinen Tod gewettet wurde. An seinem Kopf hängt ein unsichtbares | |
| Preisschild: Fürs Finale wird jemand sterben müssen, damit Geld fließt. Ein | |
| „money shot“, so nennt man auch das Zeigen der Ejakulation im Porno. Als | |
| Deadpool bereits am Boden liegt, fragt ihn sein Widersacher ein letztes | |
| Mal: „What’s my name?“ Deadpool liefert die Antwort: „Who fucking cares… | |
| Richtig, wen interessiert’s? Dann schießt er ihm ins Gesicht. | |
| 8 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Philipp Bovermann | |
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