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# taz.de -- „Planet der Affen: Revolution“: Schimpansen vor San Francisco
> Matt Reeves’ liebevoller Blockbuster „Planet der Affen: Revolution“
> bewahrt sich etwas von der alten Aura des fantastischen Kinos.
Bild: Die Affen kommunizieren gestisch und mimisch miteinander. Das wird per Un…
Affenaugen sehen dich an – leinwandfüllend, so faltenumflort, so auratisch
in die Weite versunken wie einst der Blick von Charles Bronson am Ende von
„Spiel mir das Lied vom Tod“. Eine Rahmung: Das erste und das letzte Bild
aus „Planet der Affen: Revolution“ gehören dem Augenpaar des Affenanführe…
Caesar (Andy Serkis, unter viel Digitalschminke aus der
Motion-Capture-Schmiede), der im ersten Teil des „Planet der Affen“-Reboots
(2011) als intelligenter Schimpanse die Revolte der Hominiden gegen die von
einem Virus in die Knie gezwungene Menschheit leitete.
Zehn Jahre sind seither vergangen, und Caesar schart seine Anhänger, die
zusehends (Zeichen-)Sprache und Kultur entwickeln, in einer Stammeskultur
nahe von San Francisco auf Grundlage eines einfachen Ethos um sich: „Affe
tötet niemals Affe.“ Und ist diese Augenpartie zu Beginn noch
archaisch-tribalistisch geschminkt, ist sie am Ende blank. Zwischen diesen
Bildern liegt ein Zivilisierungsprozess der schmerzhaften Sorte: die
bittere Erkenntnis, dass dem rohen, wilden Utopia der Affen der menschliche
Wille zum Krieg eingepflanzt ist.
Ironie der Produktion: Während die Affen dieser Geschichte also nach und
nach zu Menschen werden, mit allen Widersprüchen, Verletztheiten und
gewaltsam durchgesetzten Eigeninteressen, werden Menschen mittels
avanciertester Filmtechnik zu Affen.
Gegenüber dem bis in kleinste Haarwallungen genau nuancierten Digitalspiel
von Caesar oder seinem Untergebenen und späteren Rivalen, dem grandios
vernarbten Koba (Toby Kebbel), der den Affenherrscher in einem
Shakespeare-artigen Monarchendrama um seinen Posten bringen und die Affen
zur alles entscheidenden Schlacht gegen die in der nahen Stadt verschanzten
Überbleibsel der Menschheit aufhetzen will, wirkt die Ausdruckspalette
selbst gestandener, sonst sehr präsenter Darsteller wie Jason Clarke
(bekannt aus „Zero Dark Thirty“) oder des in wenigen Minuten Screentime
geradezu verheizten Gary Oldman ziemlich schmal.
## Ein paar zärtliche Szenen
Überhaupt interessiert sich der Regisseur Matt Reeves – mit Filmen wie dem
Found-Footage-Monsterfilm „Cloverfield“ und dem sanft missratenen Remake
des schwedischen Arthaus-Vampirfilms „Let the Right One In“ ohnehin ein
Spezialist für Hollywoods ambitioniertere Projekte – kaum für die Welt der
letzten Menschen, auch wenn er ihnen – etwa als der Strom wieder läuft und
alte Hits aus den Konserven klingen – ein paar zärtliche Szenen schenkt.
Dafür aber umso mehr für die der Affen. In der tollen ersten Viertelstunde
etwa, in der man diese neue, junge, archaische Kultur gewissermaßen
Huckepack im Modus der teilnehmenden Beobachtung kennenlernt: auf der Jagd
im Wald, schön und kinetisch sehr sinnlich inszeniert. Kühn vor allem die
Entscheidung, die großartig anzusehenden Digitaltiere untereinander mit
gestischer und mimischer Sprache kommunizieren zu lassen, die per
Untertitel übersetzt werden.
World Building der schönsten Sorte, die im Zeitalter von
Marvel-Bubblegum-Movies und dröhnendem Transformers-Blechschaden
demonstriert, dass man die unanständig hohen Beträge, die ein Blockbuster
heute kostet, auch mit Bedacht und Liebe einsetzen kann. Für ein
atmosphärisch dichtes Produktionsdesign etwa, das seine Erzählwelt mit viel
Freude an sumpfiger Textur von allerlei Flora überwuchern lässt.
Ganz unabhängig von Aktualitätskolorit – die ersten Deuter, die den
Werbespruch „Die letzte Chance auf Frieden“ und die Erzählstruktur des
Films, die unweigerlich in die kriegerische Auseinandersetzung führt, mit
Blick auf den Nahen Osten aufladen, dürften schon bereitstehen – atmet
diese Erzählwelt etwas von der alten Aura des fantastischen Kinos, das sich
als Form noch selbst genug war: Man erlebt, ertastet, erkundet diese Welt
mit beinahe kindlicher Freude.
## Programmatik des Blockbusterkinos
Überhaupt nimmt Reeves sein Publikum nicht nur in solchen Bedürfnissen
ernst. „Planet der Affen: Revolution“ ist wider den an Grundschülern
orientierten ADHS-Erzähltrend mit langem Atem ausgestattet und zumindest im
direkten Vergleich zu anderen Blockbustern in seiner Geschichte angenehm
komplex geschichtet, ohne das Publikum dabei mit gewitzten Übertölpungen an
der Nase herumzuführen. Hier hat inmitten einer ansonsten hyperaktiven
Bespaßungskultur tatsächlich noch einer Freude am Erzählen und formuliert
in dieser Versöhnung zwischen spektakulären Schauwerten, Atmosphäre und
einer zwar nicht originellen, aber hübsch aufgebauten Geschichte
tatsächlich so etwas wie eine Programmatik eines erwachsenen
Blockbusterkinos.
Dazu zählt nicht zuletzt die Melancholie, mit der der Film schließlich auf
das zu sprechen kommt, worauf die Geschichte einer wegen Misstrauen und
schwelender Traumata scheiternden Versöhnung zwischen Mensch und Tier
zwangsläufig hinauslaufen muss: das pyrotechnisch hochgerüstete
Kriegsspektakel, Kernkompetenz und eigentliches Interesse eines jeden
Blockbusters. Dieses Spektakel allerdings lässt sich in „Planet der Affen:
Revolution“ seiner Tragik wegen kaum noch genießen. Was für eine subversive
Volte!
Diese Lust am Erzählen mag auch daher rühren, dass sich dieses
„Affen“-Franchise, ähnlich wie die Superheldenfilme aus dem Hause Marvel,
ohnehin als eine Art Fernsehserie im Kino versteht. Tatsächlich sind die
neuen Filme im selben Erzähluniversum wie das Original-„Affen“-Franchise
aus den 60ern verortet, bei denen man irgendwann – sofern der Markt es
hergibt – ankommen möchte. Auf dem Weg dahin sind noch einige hundert Jahre
Affengeschichte erzählerisch zu füllen.
Bleibt das Niveau auf diesem Level, kann man sich als Freund liebevoll
erstellter Blockbuster auf ein paar gute Jahre gefasst machen. Wenngleich
auch eins nicht unbemerkt bleiben soll: Auch dieser „Planet der Affen“ ist
im Grunde genommen ein „Planet der Männer“ und somit fest im Griff einer
einzelnen Partei. Frauen sind hüben wie drüben der Front allenfalls
nebenbei präsent. Auf einen „Planet der Frauen: Revolution“ bleibt
weiterhin zu warten.
6 Aug 2014
## AUTOREN
Thomas Groh
## TAGS
Kino
Blockbuster
Kino
Superhelden
Vampire
Film
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