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# taz.de -- Kinostart von „Planet der Affen: Survival“: Augenblicke des Sta…
> Der dritte Teil ist erschienen: Western-, Knast- und Kriegsmotive werden
> darin geschickt verwoben. Toll ist, dass der Film seinen Figuren zuhört.
Bild: Wer ist hier evolutionär benachteiligt? Ceasar (Andy Serkis) und der Col…
Es herrscht Krieg. Ein wahnsinniger Menschengeneral ist der festen
Überzeugung, dass es auf dem Planeten keinen Platz gibt für zwei Spezies.
Doch – und schon da wird es spannend – er glaubt interessanterweise für
keinen Moment an die Überlegenheit seiner Herde. Das ist die
Ausgangssituation im neuen Film der „Planet der Affen“-Reihe, der insgesamt
neunten Produktion auf Grundlage des Romans von Pierre Boulle (1963) und
dem dritten Teil der 2011 begonnenen Neuverfilmungen.
Und es ist ein darwinistischer Krieg. Der von Woody Harrelson gespielte
Menschengeneral sieht sich und seine Mitmenschen von der Evolution in die
Ecke gedrängt, und das lässt keinen Raum mehr für Moral. Er fordert von
seinen Truppen also, im Dienst der Menschheit die Menschlichkeit
hintanzustellen. Gleich zu Beginn leitet er einen Stoßtrupp in die
Affenstadt und begeht drastische Morde. Es trifft die Angehörigen, die
nicht kämpfen können.
Trotz eines militanten Einstiegs bleiben im Film die Schusswechsel
überschaubar. Viel wichtiger ist, wie man sich ins Gesicht schaut:
McCullough gerät ins Staunen, als er Caesar, dem lebensgroßen Anführer der
Affen, zum ersten Mal in die Augen blickt. Dieses Moment des Staunens ist
bemerkenswert, und zwar in all den jüngeren „Planet der Affen“-Filmen. Die
Konflikte, die sich seit zwei Filmen aufbauen, zirkulieren auch im dritten
Film vor allem im Innern. Der als Gollum bekannte Darsteller Andy Serkis
spiegelt dies in Caesars genauer Körpersprache auch weiterhin ungemein
exakt, mit einem tragischen Feinsinn.
Auf den Schultern des gutherzigen Schimpansen lastet die Verantwortung für
sein Volk, und er ringt um Moral in einem Konflikt, der seit Jahren die
ganze Welt aus den Fugen bringt: Das Virus, das ihn und seine Gefolgschaft
einst intelligent machte, zementierte auch den Niedergang der Menschen.
Dennoch ist er als erster intelligenter Affe mit einem Menschen
aufgewachsen und versteht, dass auch dessen Artgenossen die eine oder
andere sympathische Regung durchaus in sich tragen.
## Objekte und Witzfiguren
Das Problem liegt in der Weltordnung, in der Machtstruktur, die die Affen
in Zoos und Laboren zu Objekten und Witzfiguren macht. Caesar suchte im
ersten Film einen Ausweg und wurde zum Befreier seiner unterdrückten
Spezies, wandte sich auf der Suche nach Unabhängigkeit von der Stadt ab und
auch von der Liebe zu seinem menschlichen Ziehvater.
Stets war an Caesar faszinierend, dass ihm als Revoluzzer und bald
Herrscher das Demonstrieren von Stärke zunächst als tierischer Reflex
anhaftete und dann zunehmend zur politischen Geste wurde: zum
Behauptungsritual gegenüber Zweifelnden innerhalb der Affengemeinschaft und
gleichermaßen zum Autonomiegebaren gegenüber der menschlichen Zivilisation.
Im zweiten Teil der Reihe, als die Affen mit einer kleinen Siedlung
menschlicher Überlebender in Kontakt traten, zettelte trotz aller
Verhandlungen Caesars der wutentbrannte Affenkrieger Koba einen bewaffneten
Konflikt an, der beide Seiten gegeneinander ausspielte. Dabei suchten die
Leute eigentlich nur nach Strom. Kobas gewaltvolles Erbe überschattet den
dritten Film. Die Fronten sind längst verhärtet. Und immer deutlicher wird,
wie auch Caesar sich immer weiter schleichend verhärtet. Er wird eingeholt
von seinem Groll gegen das humanoide Herrschaftsdenken und droht sich nach
der brutalen Menschenattacke in den Eröffnungsszenen des dritten Films in
einem bissigen Rachedurst zu verlieren.
## Affen auf Menschenseite
Die Dinge geraten also erst einmal aus den Fugen. Alles steuert aber auf
eine bedrückende Statik zu: Die Affen werden von altbekannten Gittern
eingeholt und von den ehemaligen Unterdrückern in Militärlagern
eingepfercht. Der Film schaukelt sich hoch zur NS-Allegorie, in der sich
die Truppen des Wahnsinnsgenerals zur Ausbeutung und ethnischen Säuberung
bekennen. Zur US-Nationalhymne werden inhaftierte Affen zur Arbeit
gezwungen, gefoltert und exekutiert. Zugleich sind im neuen Film erstmals
Affen auf der Menschenseite aktiv.
Ein breitschultriger Gorilla ist im Militärgefängnis zum Folterknecht
geworden und lässt sich von den Soldaten instrumentalisieren und
verspotten. Regisseur Matt Reeves, der auch schon den zweiten Teil der
neuen Trilogie inszenierte, spielt die Kriegssituation als festgefahrene
und unüberschaubare Konstellation eskalierter Konflikte vor. Konflikte, die
sich nicht mehr aufheben oder auf Schwarz und Weiß reduzieren lassen. Auf
ähnliche Art entwirft er im Grunde seinen Film von Beginn an als
vieldeutigen Resonanzraum, in dem Anspielungen auf Western, Knastfilme und
Kriegsmotive à la „Apocalypse Now“ miteinander in allerlei Beziehungen
treten.
Dazwischen ist toll: Der Film hört seinen Figuren zu, lässt sie miteinander
sprechen – sogar gründlich. Zumindest die, die noch sprechen können. Denn
in dieser Welt verlieren viele die Sprache. Was in den alten Affenfilmen
die Grundsituation ist, beginnt hier gerade: Die Leute werden stumm. Die
Evolution wird ins Gegenteil verkehrt, die Menschen werden zunehmend
entmenschlicht. Das Sprechen, insbesondere zwischen den Spezies, erscheint
aber eben ungemein nötig. Weil alle, Affen wie Menschen, längst Getriebene
sind, die jenseits vergangener Ordnungen die Kontrolle zu verlieren drohen.
Die neue Weltordnung erfordert eine neue Psychologie und die will erst
erlernt werden. Das kann nur gemeinsam gelingen, aber ein Miteinander
scheint verspielt. Die interessanten Fragen, die in den Geschehnissen des
Films stecken, dürfen in der Tat anklingen.
## Keine Katharsis, Kein Spektakel
Insbesondere ein sympathischer Soldat ist da wichtig, der ein
Hoffnungsschimmer sein könnte. Caesar begnadigt ihn und vielleicht hat er
daraus etwas gelernt. Doch er handelt ganz anders. Der Soldat führt seinen
Tötungsauftrag bis zum Ende aus und bleibt doch unbekannt. Er erscheint
nicht als Fatalist, aber als geistlos und teilnahmslos, vielleicht sogar
als Plattitüde. In seiner blinden Sturheit bringt er eine Schwere mit, die
nicht abzustreiten ist.
Die Frage nach der scheiternden Versöhnung zwischen ihm und dem
Affenherrscher – ausgetragen über ganz kurze Momente, aber entlang des
gesamten Films – ist hier vielleicht der pointierteste Konflikt. Und
tatsächlich geht es bei einigen zentralen Fragen eher flott zu. Etwa, wenn
kaum darüber gesprochen wird, dass Caesar am Beginn seiner Rachemission
einen Unschuldigen umbringt. Und sein Showdown mit dem Menschengeneral wird
dann wortwörtlich verschwiegen. Keine Katharsis, kein Spektakel. Die Kamera
blickt weg.
In einem US-Studiofilm mal nicht alles vorgeführt und erklärt zu bekommen,
sondern auch denken zu dürfen, das ist selten und in diesem Fall das A und
O, das Alpha und Omega, welches sich Harrelsons Truppen auf all ihre Helme
und Fahnen schreiben. Am Ende von Reeves’ Affenfilm steht natürlich dann
ganz bedeutungsschwanger die Keimzelle der alten Reihe: ein Planet, in dem
die Affen die Regie übernehmen. Und über den Rand des Films schauen zu
dürfen, das entschädigt ein wenig für einen doch sehr kruden Plotverlauf
voller überdeutlicher Überleitungen und hanebüchener Zufälle.
Na ja, immerhin gibt es auch dafür im Film ein ironisches Bewusstsein. Auch
auf dem Treibstofftank, der die Hälfte des Films darauf wartet, die
Menschenbasis zu sprengen, steht in großen Lettern: „The Beginning and the
End“. Ein Knallkörper mit Verstand.
2 Aug 2017
## AUTOREN
Dennis Vetter
## TAGS
Kino
Film
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