# taz.de -- Remake von "Planet der Affen": Das Subjekt der Revolte | |
> Rupert Wyatts "Planet der Affen" bringt Intelligenz ins Popcorn- Kino | |
> zurück. Der Affe Caesar führt den Aufstand gegen die Menschen an. | |
Bild: Bildungskarriere: Ein Affe wird politisiert. | |
Man hat mächtig etwas hineingepackt in diesen Film, der die Vorgeschichte | |
der großen "Planet of the Apes"-Saga erzählt. Nach dem eher satirischen | |
Roman von Pierre Boulle befassten sich fünf Filme (beginnend mit Franklin | |
J. Schaffners aus dem Jahr 1968) und zwei Fernsehserien, eine Reihe von | |
Comics und weiteren Büchern mit jenem Planeten, auf dem die Evolution etwas | |
anders verlaufen ist als in unseren Schulen gelehrt: Die Affen sind die | |
Herrscher, die Menschen ihre Haustiere und Sklaven. Affen sprechen, | |
Menschen lallen allenfalls. | |
Der Raumfahrer, der auf diesem sonderbaren Planeten gelandet ist, stellt am | |
Ende des ersten Films fest, dass dieser Planet der Affen nichts anderes ist | |
als die gute alte Erde selbst, oder, als wäre das nicht das Gleiche: | |
Amerika. Zwischen Darwin, politischer Metaphorik und Kulturpessimismus | |
kreisen die Filme gleichsam um diese evolutionäre oder eben auch politische | |
Verzweigung. | |
Sie zeigen, wie sich eine mögliche zweite um die erste Geschichte, die der | |
Menschen, bindet, und führen einen Diskurs nicht nur von Herren und | |
Sklaven, sondern von Wert und Unwert. Provokant genug in einem Land, dessen | |
Präsidenten ihre Politik immer mal wieder aus dem christlichen Glauben | |
rechtfertigen: Wenn der Untergang der einen den Aufstieg der anderen | |
Primatenkultur bedeutet, hat die ganze Sache mit Schöpfung, Gott, | |
Apokalypse und Erlösung so gut wie nichts zu tun. Die Affen beweisen im | |
Kino: Evolution ist ein offenes Feld. Und Geschichte wird gemacht. | |
"The Rise of the Planet of the Apes", in der deutschen Fassung "Planet der | |
Affen: Prevolution" betitelt, setzt mit der Entstehung der äffischen | |
Zivilisation (und dem Beginn des Niedergangs der menschlichen) ein. Der | |
junge Wissenschaftler Will Rodman (James Franco) arbeitet fieberhaft an | |
einem Medikament gegen die Alzheimer-Krankheit, nicht zuletzt, weil er zu | |
Hause den Verfall des eigenen Vaters (John Lithgow) erleben muss, den er | |
pflegt. Im Labor wird das neue Serum an Schimpansen getestet, der | |
Durchbruch scheint nahe, als ein Affenweibchen offensichtlich unter | |
Nebenwirkungen durchdreht, den Wärter angreift und den Konferenzraum | |
verwüstet, bis es getötet wird. | |
Rodman nimmt das Affenbaby Caesar bei sich auf, ihre durch das Serum | |
erworbene Intelligenz hat die Mutter ihrem Sohn vererbt. Während Caesar | |
erstaunliche geistige Fähigkeiten zeigt, entschließt sich Will, das Serum | |
auch an seinem Vater zu erproben. Und auch dessen Gehirn scheint nun besser | |
als je zuvor zu arbeiten. Will muss nun gleich zweimal eine Vaterrolle | |
übernehmen, bei zwei Wesen, in denen sich Kindliches und Geniales begegnen. | |
Beide Kinder wird er verlieren. Caesar wird ins trostlose Verlies eines | |
schäbigen Tierheims eingesperrt. Er wird seinem menschlichen "Erzeuger" | |
diesen Verrat nicht verzeihen (vom Himmel verstoßen, in die Hölle geraten, | |
kann er nur das Irdische wählen: seine Geschichte). | |
Der Punkt, an dem sich alles ändert, ist der Augenblick, an dem er sich | |
entschlossen hat, sein Gefängnis nicht an der Hand von Will zu verlassen, | |
sondern als Anführer der Revolte: Caesar hat begriffen, dass er nicht | |
befreit werden kann. Er muss sich selbst befreien, und das wiederum kann er | |
nur, indem er zum Subjekt des Massenaufstands wird. | |
Schließlich findet er einen Weg hinaus, stiehlt das Serum und macht aus | |
seinen äffischen Mitgefangen, Schimpansen, Orang-Utans und Gorillas, die | |
intelligenten Tiere, die zu einem gemeinsamen Ausbruch und strategischem | |
Vorgehen gegen ihre menschlichen Peiniger fähig sind. Aber während das | |
Serum aus den Affen intelligente Wesen machte, hat es in seiner infektiösen | |
Nebenwirkung damit begonnen, die Menschheit zu vernichten. | |
Demenz ist das Leiden einer überalterten Gesellschaft von Menschen, die | |
nicht sterben, aber auch nicht leben können. Der rebellische Affe ist | |
möglicherweise das vitalistische Gespenst der Alzheimer-Angst. Er ist aber | |
auch das Subjekt einer durchaus humanistischen Revolte. Für diesmal bringt | |
die Hybris des Menschen, der "unsterblich" und "enhanced" werden will, | |
weder das Strafgericht noch das Monster hervor, sondern setzt einen Affen | |
ein, die Zivilisationsgeschichte des Menschen zu wiederholen und womöglich | |
zu verbessern. Im Grunde mag das die tröstlichste aller "posthumanen" | |
Fantasien sein: Statt den Ackermännern gehört den Schimpansen die Zukunft. | |
## Die Welt ist ein Gefängnis | |
Ganz nebenbei entsteht ein Essay über Gefängnisse: Will fällt für Caesar | |
nur ein fürsorgliches Einsperren ein, bei Ausflügen meint er Caesar in | |
entscheidenden Momenten anleinen zu müssen, wie ein in der Regel folgsames, | |
aber manchmal unvernünftiges Haustier. Die Primatenforscherin Caroline, | |
seine Geliebte, plädiert dagegen für einen "natürlichen" Freiraum. Aber wie | |
sehr ist Caesar denn noch "natürlich", und wie sehr ist er schon | |
zivilisiert? Der Forscher selbst befindet sich in der kapitalistischen | |
Gefangenschaft eines Konzerns, dessen Manager an ihrem einzigen Interesse | |
nie Zweifel aufkommen lassen: Geld verdienen, um jeden Preis. Als Will | |
Rodman sich aus diesem Gefängnis befreit, ist es zu spät. | |
Das digitale world building, für das, wie bei James Camerons "Avatar", Weta | |
Digital zuständig war, trifft hier auf ein neues Konzept des fantastischen | |
Realismus: Das San Francisco von heute, Affen, deren Bewegungen wir aus dem | |
Zoo und den entsprechenden Dokumentarfilmen sehr genau kennen, | |
Verletzungen, die nach Schmerzen, nicht nach Spielzeugkaputtmachen | |
aussehen. Durch transportable Gerätschaften für das | |
Performance-Capture-Verfahren (ein Schauspieler gibt Bewegungsmelodien und | |
Gesten wie Augenbewegungen und Kopfhaltungen vor, die dann digital | |
verwandelt werden) war es möglich, die primären Aufnahmen für die | |
Computernachbearbeitung am Set zu machen. | |
Damit entsteht eine neue Flüssigkeit im Übergang zwischen den realen und | |
den digitalen Anteilen der Bilder. Überdies ist Andy Serkis, der | |
Schauspieler, der wie kein zweiter die Möglichkeiten und Herausforderungen | |
des Performance-Capture-Agierens erfasst hat, mittlerweile perfekt in | |
seiner Darstellung (und man mag sich schon vor einer Andy-Serkis-haftigkeit | |
aller Mischwesen im US-Kino fürchten). In "The Rise of the Planet of the | |
Apes" sind digitale und fotografische Repräsentanten so ebenbürtig und | |
miteinander verwoben wie Menschen und Affen. | |
Paradoxerweise wird aus diesem digitalen Realismus eine neue Behauptung. | |
Konnte man in den vorherigen Masken am ehesten neue Zwischenformen, | |
evolutionäre Etappen zwischen Affe und Mensch sehen, so ist in "The Rise of | |
the Planet of the Apes" klar, dass es sich um Affen handelt. Caesars | |
revolutionäre Selbstfindung besteht nicht zuletzt im Abstreifen seiner | |
"menschlichen" Attribute. | |
## Traum von der Differenz ohne Hierarchie | |
Caesar ist sich seiner Verantwortung durchaus bewusst, um die er, | |
möglicherweise wie einst Spartakus, nicht gebeten hat. So verhindert er, | |
dass seine Mitrevolutionäre Menschen wahllos töten, spricht aber über den | |
Hauptschuldigen und Mörder seines Gorillafreundes sehr bewusst das | |
"Todesurteil". | |
Es sind die drei Stadien dieses Bewusstwerdungsprozesses, die Caesar - | |
stellvertretend - durchmacht: die liebevolle, wenngleich ein wenig | |
überprotektive Aufnahme in einem sehr menschlichen, familiären Innenraum | |
(eine Vorstadtwelt, deren Risse durchaus sichtbar werden, etwa im | |
aggressiven Verhalten des Nachbarn), das Verstoßen zurück in eine | |
animalische Welt, die Entwürdigung und Verdinglichung und aus diesem | |
Widerspruch die Revolution als einzig mögliche Form der Selbstschöpfung und | |
Emanzipation. | |
Caesars Traum mag eine Differenz ohne Hierarchie sein. Aber wir wissen, | |
dass nicht nur der Mensch vom tödlichen Virus infiziert ist, sondern auch | |
der Affe vom Virus des Menschen. Was kann ihn davor bewahren, die | |
Menschheitsgeschichte einfach noch einmal durchzuspielen? Was kann den | |
Affen davor bewahren, wie der Mensch an seiner Unfähigkeit zugrunde zu | |
gehen, Differenz anders als hierarchisch und gewalttätig zu erkennen? | |
Um das Wesen der Differenz zu ergründen, nützt der Dokumentarfilm "Nénette" | |
von Nicolas Philibert, der derzeit ebenfalls im Kino gezeigt wird. Was wir | |
sehen, ist eine betagte Orang-Utang-Dame namens Nénette, was wir dagegen | |
hören, sind die Stimmen der menschlichen Betrachter vor ihrem Gehege, die | |
kluge oder dumme, philosophische oder kindliche Kommentare abgeben. Die | |
Zoobesucher versuchen, den "Verwandten" in Nénette zu sehen, sie werten ab | |
oder auf, sie können nicht anders. Was sie sehen, ist eine Mischung aus | |
Unergründlichkeit und Gleichgültigkeit, dazwischen aber auch ein schwaches, | |
irritierendes Spiegelbild von sich selbst. | |
10 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Georg Seesslen | |
## TAGS | |
Kino | |
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