| # taz.de -- taz-Ausstellung in Bremen: Das Raubgut aus dem Küchenschrank | |
| > Wird in Bremen ein „Arisierungs“-Mahnmal realisiert? Zumindest die Ideen | |
| > dafür sind nun im Parlament zu sehen. Sie stammen aus einem | |
| > Ideen-Wettbewerb der taz. | |
| Bild: Altersgemischtes Interesse an der taz-Ausstellung in der Bremer Bürgersc… | |
| BREMEN taz | Ein Leben lang haben die Gläser sie begleitet: Sechs | |
| Weinkelche mit grünen Stielen – und einer besonderen Geschichte. „Ich habe | |
| sie noch kein Mal richtig benutzt“, sagt Dagmar Müller, der man bis heute | |
| anmerkt, wie es sie aufwühlt, wenn sie über diese Erbstücke ihres | |
| Großvaters erzählt. Am Dienstagabend steht Müller vor den Gläsern, die nun | |
| nicht mehr in ihrem Schrank verstaut, sondern, in einer Vitrine aufgereiht, | |
| in der Bremischen Bürgerschaft zu sehen sind. Sie sind Teil der Ausstellung | |
| „Spuren der Beraubung – Ideen für ein Bremer ,Arisierungs'-Mahnmal“, die | |
| die taz organisiert hat. | |
| Die Gläser von Dagmar Müller hat ihr Großvater auf einer „Juden-Auktion“ | |
| erstanden. Objekte wie diese Weinkelche gibt es viele in deutschen | |
| Haushalten. Es ist Raubgut, dass die Nationalsozialisten Jüdinnen und Juden | |
| klauten – Belege für „den Anteil normaler Deutscher an der Shoa“, wie es | |
| der Historiker Marcus Meyer, wissenschaftlicher Leiter des „Denkorts Bunker | |
| Valentin“, in seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung nannte. | |
| Einige dieser historischen Objekte sind nun in der Bremischen Bürgerschaft | |
| zu sehen, den Hauptteil der Ausstellung aber bilden Entwürfe und Modelle | |
| für ein „Arisierungs“-Mahnmal: Es handelt sich um 19 von insgesamt 59 | |
| Einreichungen aus einem Ideen-Wettbewerb, den die taz im Februar ausgelobt | |
| hatte. Eine Maschine, die per Fernbedienung Münzen auswirft, Skizzen eines | |
| riesigen Kubus, in dem Möbel in Kunstharz eingegossen sind, eine | |
| Video-Station mit Interviews des Künstlers Thomas Blank, der seine | |
| Großeltern zur Herkunft eines Schrankes im Familienbesitz befragt. Neben | |
| bekannten KünstlerInnen wie Bernd Altenstein oder Achim Ripperger hatte | |
| sich unter anderem eine Klasse des Hamburger Ossietzky-Gymnasiums mit sechs | |
| Konzept-Skizzen beteiligt. | |
| ## „Relative Nähe zum Massenmord“ | |
| Die Ausstellung und der Wettbewerb folgen auf eine Auseinandersetzung mit | |
| dem Thema „Arisierung“, die die taz in den letzten anderthalb Jahren | |
| geführt hat. Angestoßen wurde dies durch eine Feier der Firma Kühne+Nagel | |
| auf dem Bremer Marktplatz anlässlich deren 125-jährigen Jubiläums. Der | |
| Logistikkonzern machte Werbung mit der Firmengeschichte und verschwieg die | |
| Beteiligung am Raub an der jüdischen Bevölkerung während des | |
| Nationalsozialismus. Dabei hatte die Spedition ein Monopol auf den | |
| Transport „arisierten“ Eigentums in Westeuropa und laut Historiker Frank | |
| Bajohr eine „relative Nähe zum Massenmord“. | |
| Mit Hilfe einer Crowdfundig-Kampagne wollte die taz im Frühjahr vier | |
| Quadratmeter eines Grundstücks in der Bremer Innenstadt erwerben, um dort, | |
| wo Kühne+Nagel seinen Stammsitz erweitern will, ein „Arisierungs“-Mahnmal | |
| zu errichten. Der Ideen-Wettbewerb konkretisierte diesen Plan, das | |
| Grundstück aber wollte die Stadt Bremen der taz nicht verkaufen. | |
| Ist die Ausstellung damit nur ein Trostpreis? „Die Kontroverse fängt erst | |
| an“, sagte Christian Weber (SPD), Präsident der Bremischen Bürgerschaft bei | |
| der Eröffnung. Und er positionierte sich: „Ich bin grundsätzlich ein | |
| Befürworter eines „Arisierungs“-Mahnmals.“ Für Verhandlungen stehe er a… | |
| Mittler zur Verfügung. Dazu, wo ein solches Mahnmal errichtet werden | |
| könnte, wollte er sich allerdings nicht festlegen. Deutliche Worte | |
| allerdings fand er in Richtung des Bremer Spediteurs: „Kühne+Nagel hat von | |
| geraubtem Hab und Gut profitiert“. | |
| ## „Lasst die Lebenden nicht außer Acht!“ | |
| Grigori Pantijelew vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde Bremen sagte, der | |
| Entwurf „Leerstellen und Geschichtslücken“ von Angie Oettingshausen, der | |
| den Ideen-Wettbewerb gewonnen hatte, sehe „sehr Bremisch aus“. Er könne | |
| sich ein Mahnmal in der Form gut vorstellen. Gleichzeitig mahnte er, „die | |
| Lebenden nicht außer Acht“ zu lassen und verwies auf den aktuellen | |
| Antisemitismus. | |
| ## Profit-Trias: Fiskus, Firmen, Privatleute | |
| Oettingshausen selbst blieb bescheiden. Nicht ihr Mahnmal-Entwurf sei | |
| entscheidend, sondern, dass sich mit dem Thema „Arisierung“ | |
| auseinandergesetzt werde – bei Kühne+Nagel wie im Rest der Gesellschaft. | |
| „Kühne+Nagel ist zwar der Anlass dieser Ausstellung“, betonte auch der | |
| taz-Kulturredakteur Henning Bleyl als Organisator der Ausstellung. Doch das | |
| Thema „Arisierung“ sei weit umfassender und wichtiger als „nur“ die | |
| spezielle Haltung „eines Mehrheitsaktionärs, die möglicherweise noch nicht | |
| mal in der eigenen Firma mehrheitsfähig ist“. Bleyl sprach von einer | |
| „Profit-Trias aus Fiskus, Firmen und Privatleuten.“ | |
| Für den Standort eines „Arisierungs-Mahnmals“ in Bremen spricht unter | |
| anderem, dass der Raub jüdischen Eigentums hier, bedingt durch Bremens | |
| Tradition als Logistik-Standort, besondere Dimensionen hatte: Zahlreiche | |
| jüdische Familien aus ganz Deutschland flüchteten über Bremerhaven ins | |
| Ausland. Ihren Besitz mussten sie immer öfter im Hafen zurück lassen, er | |
| wurde zugunsten der Finanzbehörde versteigert. Zudem hat die der | |
| KonzernKühne+Nagel, der auf den Spuren der Wehrmacht das gigantische | |
| Westeuropa-Geschäft abwickelte, hier seinen Stammsitz. | |
| Dass die Debatte auch in der Firma selbst nicht spurlos blieb, zeigt ein | |
| Grußwort zur Ausstellung, mit dem sich langjährige Mitarbeiter der | |
| Spedition öffentlich zu Wort meldeten: Thomas Sorg, altgedienter | |
| Betriebsrat-Chef Deutschland, und Michael Kalis, bis vor Kurzem | |
| Gesamtkonzern-Betriebsrats-Vorsitzender auf Europa-Ebene, ließen eine | |
| Erklärung verlesen, in der sie Einblicke in die firmeninterne | |
| Auseinandersetzung gaben: „Dieses Thema wurde bedauerlicherweise nie intern | |
| proaktiv durch die Firmenleitung von Kühne+Nagel kommuniziert“, schreiben | |
| sie. | |
| ## „Auch wir waren von den Ergebnissen der externen Aufklärung berührt“ | |
| „Auch wir waren von den bisherigen Ergebnissen der externen Aufklärung | |
| berührt.“ Sie hätten versucht, Firmenchef Klaus-Michael Kühne zu einer | |
| anderen Einstellung zur Rolle des Unternehmens in der NS-Zeit zu bewegen | |
| und Gespräche mit Vertretern der Geschäftsleitung geführt. „Möglicherweise | |
| konnten wir an dem einen oder anderen Punkt etwas bewegen. Aber sicherlich | |
| nicht genug“, heißt es in dem Grußwort. Es seien die öffentlichen | |
| Diskussionen, die eine Wende bei Kühne+Nagel erwirken könnten. | |
| 29 Jun 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Jean-Philipp Baeck | |
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