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# taz.de -- Afrikapop meets Eurobass: Hybride digitale Gegenwart
> Mit seinem Album „African Fabrics“ fusioniert Daniel Haaksman Afrika-Pop
> mit europäischen Produktionsweisen. Beide profitieren voneinander.
Bild: Von Berlin nach Harare: Daniel Haaksman
Wie klingt eigentlich moderner afrikanischer Sound? Die Frage mag müßig
sein, wo sich Popmusik der digitalen Gegenwart per Mausklick um den Globus
verbreitet. Doch sie schwingt immer mit, wenn außerhalb des Kontinents über
neue Musik aus Afrika gesprochen wird.
Der Berliner Produzent und DJ Daniel Haaksman geht auf seinem neuen Album
„African Fabrics“ den umgekehrten Weg: Er interessiert sich für
klischeehafte westliche Projektionen auf Afrika. Als Sinnbild dafür gelten
Haaksman Waxprints – jene bunt gemusterten Baumwollstoffe, die weithin für
authentisch afrikanisch gehalten werden. Doch sie waren eine Erfindung
holländischer Textilfabrikanten, welche die Waxprints erst Ende des 19.
Jahrhunderts nach Afrika importierten, wo sie sich rasant ausbreiteten.
Die Gestaltung des Covers von „African Fabrics“ durch den Künstler Tobias
Rehberger greift jene Dutch Waxprints auf. Rehberger setzt sie als Collage
neu zusammen und spielt so mit ihrer Formensprache. Um jene Mischung aus
globaler Zeichenzirkulation und lokaler Identitätsstiftung geht es auch auf
musikalischer Ebene.
Haaksman hat ein Album aufgenommen, das neue afrikanische Musik-Genres
zitiert und in einen Dialog wirft mit Bassmusik-Sounds aus der
Nordhalbkugel. Seine Vorgehensweise ist eklektizistisch, ergibt aber ein
tolles, mit elektronischen Beats sparsam unterfüttertes Konzeptalbum.
Haaksmans Idee offenbart sich gleich beim Auftakt: „Akabongi“. Dies ist
eine Version eines Pop-Hits der südafrikanischen Mbaqanga-Band The Soul
Brothers aus den Neunzigern – und klingt in der Neubearbeitung mit dem
Rapper Spoek Mathambo aus Johannesburg aber nach jamaikanischer Dancehall.
## Lokale Interpretation, globale Zirkulation
In Afrika seien solche Mixturen längst üblich, sagt Haaksman, weil der
Kontinent „in der digitalen Echtzeit angekommen“ sei, wobei es
zeitgenössischen Künstlern oft um lokale Neuinterpretationen von global
zirkulierendem Pop gehe. „Sie verbinden sich durch Hybridisierung mit der
Welt.“ In Mosambik zum Beispiel entwickelte sich aus dem
70er-Jahre-Dancestil Marrabenta mit dem Pandza ein neuer Stil, der
Marrabenta aufgreift, digital bearbeitet, mit HipHop und karibischen
Reggaeton mischt und dabei häufig regionale Besonderheiten anspielt und
lokale Slangs benutzt.
Solche lokal-digitalen Hybride inspirieren auch Haaksman. Die Popszene in
Europa empfindet er dagegen als „Museum“, wo auch musikalisch alles in
Bezug zur Vergangenheit gesehen werde. Afrika sei demografisch viel jünger
und vielleicht gerade deshalb musikalisch spannender. „Viele Künstler haben
Internet, benutzen die gleiche Musiksoftware wie wir, aber es kommen viel
wildere Sachen dabei raus.“
Als Haaksman vor mehr als zehn Jahren sein Label „Man Recordings“ gründete,
widmete er sich zunächst noch den neuen urbanen Stilen aus Brasilien und
prägte etwa den Genre-Begriff „Baile Funk“ mit. Dann richtete er seinen
Blick auf das portugiesischsprachige Afrika und beschäftigte sich
vornehmlich mit dem elektronisch geprägten Kuduro-Sound aus Angola – bis er
seinen Fokus auf den ganzen schwarzen Kontinent verschob.
## Erweiterte Perspektive
Diese erweiterte Perspektive tut Haaksmans Musik gut. Auf „African Fabrics“
nimmt er die HörerInnen mit auf eine Reise von Südafrika bis Uganda, von
Angola über Mosambik bis Simbabwe, kooperiert mit Größen wie dem
Kuduro-Erfinder Tony Amado und greift im wunderbar reduzierten Song
„Raindrops“ eine traditionelle Marimba-Melodie auf. Zwischendurch hört man
Marktgeräusche und einen Straßenchor in Harare – und wie in „Sabado“ und
„Querido“ immer wieder melodische Gitarrenriffs.
Hier schließt sich der Kreis des transatlantischen Kulturaustauschs: Denn
was nach Highlife klingt, ist tatsächlich der kolumbianische Gitarrist
Bulldozer. Dessen Stil ist vom Champeta der Karibikküste seiner Heimat
geprägt, in dem sich wiederum westafrikanische Einflüsse spiegeln. Das
zeigt nur wieder: Die Frage der Authentizität mag sich erübrigt haben, aber
die Kontextualisierung bleibt weiterhin wichtig.
Darum geht es Haaksman auch in der neuen Veranstaltungsreihe „Bomaye!“, die
er gerade zusammen mit dem Berliner Journalisten Florian Sievers unter dem
Motto „Rural to Urban, Drums to Data“ ins Leben gerufen hat. Monatlich wird
im Berliner Acud mit einem Gast über Trends aus Afrika diskutiert und dann
auf die Tanzfläche gebeten, für die DJs frische Sounds auflegen – von
Coupé-Décalé über Gqom bis Zouk Bass.
## Mangas und Mythologie
Zum Auftakt vergangene Woche war der DJ und Regisseur Mbithi Masya von Just
A Band aus Nairobi geladen. Deren Musik, eine Mischung aus Soul und
Deep-House, ist konventionell – spannender sind ihre von japanischen Mangas
wie von afrikanischer Mythologie beeinflussten Videos. In „Usinibore“ sieht
man eine von Polizisten bedrängte Frau, Maskierte mit Breakdance-Moves
verteidigen sie. Dazu raunt ein Chor: „Don’t tell me what I can and can’t
do / I can change the world.“
Um ähnliche Kooperationen, nur auf musikalischer Ebene, geht es Daniel
Haaksman mit „African Fabrics“. Und nach den doch etwas nervigen Sounds des
„Baile Funk“ kommt seine neues Album angenehm entspannt daher. Flummiartig
swingende Beats, bei denen man kaum ruhig sitzen bleiben kann. Musik, die
andere Aspekte des schwarzen Kontinents ins Bewusstsein rückt als jene
negativen, die man so oft mit Afrika verbindet. Und wer sollte gegen solch
hybride Goodtime-Musik schon etwas einzuwenden haben? Die Zeiten sind
schließlich schwer genug.
21 Apr 2016
## AUTOREN
Ole Schulz
## TAGS
Afrika
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