# taz.de -- Nídia Minaj beim CTM in Berlin: Ein bisschen mehr Gefühl | |
> Im super tanzbaren Kuduro-Sound von Nídia Minaj kommen Einflüsse aus den | |
> peripheren Stadtvierteln Lissabons zusammen. | |
Bild: Ihre Musik ist komplex, aber eingängig: Nídia Minaj. | |
Zunächst einmal: Nein, der Name ist kein Zufall. Wenn man die | |
aufbrausenden, überspannten, dezent grimmigen Beats von Nídia Minaj hört, | |
ist der bubblegumpinke Popsound von US-Rapperin Nicki Minaj eigentlich | |
keine naheliegende Assoziation. Doch wie so viele ihrer Altersgenossinnen | |
ist auch die 19-jährige Studentin aus Portugal, deren bürgerlicher Name | |
Nídia Borges lautet, großer Fan der Diva. | |
Sie liebe Nicki Minaj, sei inspiriert von deren großem Erfolg in einem | |
überwiegend männlich dominierten Genre, erzählte Nídia Minaj kürzlich dem | |
Musikmagazin Dazed: „Ich bin auch die einzige weibliche Produzentin in | |
meinem Feld und bekomme viel Respekt von Produzenten und DJs, die denselben | |
Style haben wie ich.“ | |
Ihr Style, das ist ein Hybrid verschiedener Einflüsse, die sich in den | |
peripheren Stadtvierteln Lissabons vermengen, wo Nídia Minaj aufgewachsen | |
ist. Ihre Eltern stammen aus Capo Verde und Guinea-Bissau, inzwischen ist | |
Minaj zum Studieren ins französische Bordeaux gezogen. | |
## Das Vinyl war sofort ausverkauft | |
Die freien Stunden während der Ferien verbrachte die Musikerin, die sich in | |
Interviews stets sehr bescheiden und nüchtern gibt, vor dem Laptop, um ihr | |
Debütalbum „Danger“ zu produzieren, das im vergangenen Jahr erschien – u… | |
so einige EDM-Herzen höherschlagen ließ. Die erste Vinylpressung war direkt | |
ausverkauft, zu erwerben ist „Danger“ derzeit nur noch digital. | |
Die Basis für Nídia Minajs adrenalingeladenen, basslastigen und zugleich | |
melodischen Sound bildet der angolanische Musik- und Tanzstil Kuduro (zu | |
Deutsch: harter Hintern). Weltweit bekannt wurde das Genre, das sich aus | |
Batidaklängen, Techno, House sowie westafrikanischen Percussions | |
zusammensetzt, vor rund zehn Jahren durch das Lissabonner Kollektiv Buraka | |
Som Sistema (das unter anderem mit M.I.A. kollaborierte). | |
Als Jugendliche sang und tanzte Minaj in einer Kuduro-Girlband. Bei ihren | |
Soloproduktionen erhält Kuduro nun einen strengen Spin in Richtung | |
Afro-House. Auch die üblicherweise sehr dominanten Toasting-Vocals fallen | |
weg, fließen höchstens mal in Form von ein paar Wortfetzen in den Sound mit | |
ein. Dafür setzt die Produzentin Akzente mit zerhackten | |
Synthesizersinfonien und flächigen, polyrhythmischen Percussions. | |
## Prägnant und enträtselt | |
Ihre Stücke sind keineswegs funktional und werden doch auf fast jedem Floor | |
funktionieren. Die Arrangements wirken komplex, sind aber zugänglich für | |
jedes Ohr. Selten klingt zeitgenössische experimentelle Musik so prägnant | |
und enträtselt wie bei Nídia Minaj. Wer zu ihren Beats nicht mit den Hüften | |
kreist, dürfte sich ernsthafte Sorgen um den Verbleib seiner Seele machen. | |
Doch Nídia Minaj ist bei weitem nicht die einzige Musikerin aus Lissabon, | |
die gerade mit extrem tanzbaren, afrikanisch geprägten Beats Aufsehen | |
erregt. Das Label Príncipe Discos, das auch Minaj entdeckte, hat sich in | |
den vergangenen Jahren einen Namen damit gemacht, ungeschliffene | |
Produktionen aus den Ghettos der portugiesischen Hauptstadt in die Welt | |
hinauszujagen. Das Credo lautet: Authentizität statt Cultural | |
Appropriation. | |
Zu den Aushängeschildern zählen DJ Marfox und DJ Nigga Fox. Mit ihren | |
avantgardistischen DJ-Sets bei den regelmäßig stattfindenden Noite Príncipe | |
bringen sie Jugendliche aus den sozioökonomisch abgeschotteten Vorstädten | |
mit den üblichen Lissabonner Clubgängern im Stadtzentrum zusammen. | |
Welch überragende Qualitäten auch die gerade mal volljährige Nídia Minaj | |
als DJane bei den Noite Príncipe entwickelt hat, bewies ein kürzlich vom | |
Musikmagazin The Fader herausgegebener Mix mit dem schönen Titel: „Do | |
whatever you feel.“ Ein Glück, dass die Musikerin am Donnerstag ihren | |
ersten Deutschland-Gig spielen wird, damit auch hierzulande ein bisschen | |
mehr nach Gefühl, ein bisschen weniger nach Ratio gehandelt wird. | |
3 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Fatma Aydemir | |
## TAGS | |
elektronische Musik | |
elektronische Musik | |
Portugal | |
CTM Festival Berlin | |
Afrika | |
Vinyl | |
CTM | |
Festival CTM | |
CTM Festival Berlin | |
elektronische Musik | |
Folk | |
Transmediale | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Afrikapop meets Eurobass: Hybride digitale Gegenwart | |
Mit seinem Album „African Fabrics“ fusioniert Daniel Haaksman Afrika-Pop | |
mit europäischen Produktionsweisen. Beide profitieren voneinander. | |
Ein Label nur für Singles: Alles, was Radau macht | |
Auf seinem Label Troglodyt veröffentlicht Olé Verstand ausschließlich | |
Lieblingsstücke auf Vinyl-Singles in 500er-Auflage. | |
Berliner Club Transmediale: Der Fluss von Sounds durch die Welt | |
Das CTM Festival mit dem Fokus auf „New Geographies“ hat gezeigt, dass | |
Musik gute Unterhaltung, kulturelle Kreuzung und politischer Akteur ist. | |
Komponistin Pauline Oliveros in Berlin: Unheimlich statt anheimelnd | |
Die Minimal-Music-Pionierin Pauline Oliveros hat das „Deep Listening“ | |
entwickelt. Beim Berliner Festival CTM ist sie gleich dreimal zu erleben. | |
Jerusalem In My Heart beim CTM-Festival: Ihr Stern ist der Atheismus | |
Die kanadisch-libanesische Band Jerusalem In My Heart gastiert beim | |
Festival CTM. Und zeigt, wie sich „moderne arabische Musik“ anhören könnt… | |
Experimentelle Musik im Museum: Was heißt „Weltmusik“ heute? | |
Eine Ausstellung im Kunstraum Bethanien und der Reader „Seismographic | |
Sounds“ überfordern und beflügeln beim CTM-Festival in Berlin. | |
CTM-Festival in Berlin: Vagabunden des Sounds | |
Das von Alan und Richard Bishop gegründete Label Sublime Frequencies ist | |
ein globales Folk-Archiv. Nun kommt Alan Bishop nach Deutschland. | |
Kuratoren des „Club Transmediale“: „Musik ist Transformation“ | |
Eines der wichtigsten Festivals für elektronische Musik findet in Berlin | |
statt. Zwei Kuratoren reden über den Austausch von Musik und künstlerischen | |
Ideen. |