Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- CTM-Festival in Berlin: Vagabunden des Sounds
> Das von Alan und Richard Bishop gegründete Label Sublime Frequencies ist
> ein globales Folk-Archiv. Nun kommt Alan Bishop nach Deutschland.
Bild: Alan Bishop mit seiner Band Dwarfs Of East Agouza.
Nein, um eine gewöhnliche Plattenfirma handelt es sich bei Sublime
Frequencies keineswegs. Schaut man sich den Katalog an und klickt sich
durch das umfangreiche [1][Bandcamp-Archiv], finden sich etwa auf Bali
aufgenommenes Grillengezirpe, burmesische Harfenmusik aus den 1920er
Jahren, psychedelische Lautenmusik aus Marrakesch und Volksgesänge aus
China. Das Album „[2][Radio Pyongyang“] ermöglicht eine Auseinandersetzung
mit nordkoreanischer Propagandamusik.
[3][Sublime Frequencies] (“Erhabene Frequenzen“) ist 2003 im Dunstkreis der
Seattle-Band [4][Sun City Girls] entstanden. Die Brüder Alan und Richard
Bishop, die mit dieser Gruppe seit Anfang der Achtziger mehr als 100 Alben
und Kassetten veröffentlicht haben, standen mit ihrer eigenen Musik bereits
für eine Verbindung von US-Psychedelic-Rock und Musiken aus dem Mittleren
Osten und Südostasien.
Die Bishops, Söhne einer Libanesin und eines Amerikaners, riefen neben
ihren Bandprojekten Anfang der nuller Jahre gemeinsam mit Hisham Mayet
Sublime Frequencies ins Leben. Sie alle kannten sich aus den Punk- und
Indieszenen Portlands und Seattles.
## Ein Klangarchiv
Mit dem Label haben sie den Einflüssen, die sie prägten, nachgespürt und
Folk aus aller Welt – vor allem aus Südostasien, Nordafrika und dem
Mittleren Osten – veröffentlicht. Sublime Frequencies ist mit seinen mehr
als 100 Alben zu einem Klangarchiv geworden. Bei einem DJ-Set, das Alan
Bishop im Rahmen des Festivals club transmediale morgen in Berlin spielt,
kann man diesen Klangkosmos endlich auch hierzulande ergründen.
Oft handelt es sich bei den Aufnahmen um Field Recordings, die ihnen aus
aller Welt zugeschickt wurden. „Wir haben dutzende Freunde und Mitarbeiter,
die unsere Projekte unterstützen“, schreibt Bishop in einer Mail.
Schlechte Klangqualität ist Teil des Programms: Die Mitschnitte sollen das
Gefühl transportieren, das etwa auf dem Marktplatz von Marrakesch
vorherrscht – dazu gehören allerhand Beigeräusche. Der ekstatische Sound,
der via Beats und elektrisch verstärkter Laute von Straßenmusikern erzeugt
wird, wirkt unmittelbar.
Sublime Frequencies erscheint einem – gerade wenn man an Aufnahmen aus
Nordkorea oder von Minoritäten aus China denkt – ein bisschen wie ein
kulturelles Bildungsprojekt, aber so will Bishop das keineswegs verstehen:
„Wir sind inspiriert von Musik aus aller Welt und wollen das an
Gleichgesinnte weitergeben. Wir fühlen keinerlei Verantwortung,
irgendjemanden zu ‚bilden‘. Die Leute sollen begeistert sein von der Musik
und sich nach eigenen Vorlieben weiterbilden“, schreibt der 56-Jährige.
Die einfache Übermittlung von Aufnahmen in der digitalen Ära hat ihnen die
Arbeit deutlich erleichtert. Gleichzeitig ist die Wahrnehmung von globaler
Folk-Music heute eine viel höhere – Labels wie Sublime Frequencies oder
[5][Awesome Tapes From Africa], ein vergleichbares Projekt, haben weltweit
Fans, während die Veröffentlichungen früher wohl in der hinteren Ecke des
Schallplattenladens untergegangen wären.
## Vagabundiernde Musiksammler
Dass man sich mit Sublime Frequencies auf die Regionen Südostasien,
Nordafrika und Mittlerer Osten fokussiert, hat damit zu tun, dass die
Labelbetreiber dort am meisten unterwegs waren. Alan Bishop selbst hat an
mehreren Orten in Asien und Nordafrika gelebt, heute wohnt er in Kairo;
seine Frau stammt aus Myanmar. Die Labelgeschichte ist auch eine des
Vagabundendaseins – sowohl Alan als auch Richard Bishop haben während ihrer
Reisen in anderen Ländern immer vor allem eins gemacht: Musik
kollektiviert.
Auch dank der so entstandenen Kontakte hat man inzwischen ein
Labelprogramm, das einem Klänge nahebringt, die die meisten wohl noch nie
gehört haben. Psychedelic Rock aus Malaysia, koreanische Zither-Musik,
algerischen Raï-Underground. Die Bollywood-Soundtracks und der Thai-Soul
sind dazwischen fast schon Mainstream. Mit dem syrischen Musiker [6][Omar
Souleyman], der Folk und elektronische Tanzmusik verbindet, hat das Label
auch einen international bekannten Künstler hervorgebracht.
Die Bishops sind beide bis heute absolute Maniacs, die nebenbei noch
diverse Bandprojekte betreiben. Richard Bishop hat kürzlich ein
Konzeptalbum über Tanger (“Tangier Sessions“) veröffentlicht, Bruder Alan
ist ziemlich beschäftigt: „Ich bin aktuell in zwei ägyptischen Bands, The
Dwarfs of East Agouza und The Invisible Hands“, schreibt er.
Und wenn er nicht gerade an seinem Solo-Projekt Alvarius B arbeite, dann
sei er mit seinen beiden Labels beschäftigt. Denn Abduction Records, das
Label der Sun City Girls, gibt es neben Sublime Frequencies auch noch. „Und
dann wären da noch Millionen anderer Projekte, an denen ich arbeite,
immer“, schreibt er. Gibt ja auch noch einige Millionen Klänge zu
entdecken.
30 Jan 2016
## LINKS
[1] https://sublimefrequencies.bandcamp.com/
[2] https://www.youtube.com/watch?v=guvTHzKPIgc
[3] http://www.sublimefrequencies.com
[4] http://www.suncitygirls.com/
[5] http://www.awesometapes.com/
[6] https://soundcloud.com/omar-souleyman
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Folk
elektronische Musik
CTM
elektronische Musik
Festival CTM
CTM Festival Berlin
elektronische Musik
Transmediale
Marokko
Detroit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debütalbum von Acid Arab: Bedingungslose Liebe
„Musique de France“, das großartige Debütalbum der Pariser Produzenten Ac…
Arab, verbindet elektronische Tanzmusik mit orientalischem Folk.
Berliner Club Transmediale: Der Fluss von Sounds durch die Welt
Das CTM Festival mit dem Fokus auf „New Geographies“ hat gezeigt, dass
Musik gute Unterhaltung, kulturelle Kreuzung und politischer Akteur ist.
Nídia Minaj beim CTM in Berlin: Ein bisschen mehr Gefühl
Im super tanzbaren Kuduro-Sound von Nídia Minaj kommen Einflüsse aus den
peripheren Stadtvierteln Lissabons zusammen.
Komponistin Pauline Oliveros in Berlin: Unheimlich statt anheimelnd
Die Minimal-Music-Pionierin Pauline Oliveros hat das „Deep Listening“
entwickelt. Beim Berliner Festival CTM ist sie gleich dreimal zu erleben.
Jerusalem In My Heart beim CTM-Festival: Ihr Stern ist der Atheismus
Die kanadisch-libanesische Band Jerusalem In My Heart gastiert beim
Festival CTM. Und zeigt, wie sich „moderne arabische Musik“ anhören könnt…
Experimentelle Musik im Museum: Was heißt „Weltmusik“ heute?
Eine Ausstellung im Kunstraum Bethanien und der Reader „Seismographic
Sounds“ überfordern und beflügeln beim CTM-Festival in Berlin.
Kuratoren des „Club Transmediale“: „Musik ist Transformation“
Eines der wichtigsten Festivals für elektronische Musik findet in Berlin
statt. Zwei Kuratoren reden über den Austausch von Musik und künstlerischen
Ideen.
Neues Album von Sir Richard Bishop: Entgrenzt in Tanger
Eigentlich wollte Gitarrist Sir Bishop Richard in Marokko entspannen.
Herausgekommen sind die großartigen „Tangier Sessions“.
Alec Empire über Punk, Acid und Techno: „Jeder Track ist politisch“
Man braucht Tiefe, um aus Computersounds Besonderes herauszukitzeln, findet
Alec Empire. Auf dem CTM Festival in Berlin führt er sein Album „Low on
Ice“ von 1995 auf.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.