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# taz.de -- Interview mit Gregor Hackmack: „Das ist keine Werbung“
> Die Internet-Petitionsplattform change.org hat den Big-Brother-Award
> bekommen, weil sie sich nicht genug um den Datenschutz kümmert
Bild: Auf der Straße werden Demonstranten gegen Freihandelsabkommen schon mal …
Herr Hackmack, wie fühlt es sich an, wenn man den Big-Brother-Award
bekommt?
Gregor Hackmack: Für mich war das total überraschend. Das ist keine
Auszeichnung, die man gerne bekommt.
Plötzlich stehen Sie nicht mehr auf der Seite der Guten.
Ich glaube, das ist ein großes Missverständnis. change.org ist eine
Plattform, die vielen Menschen Super-Aktionen ermöglicht, zum Beispiel
aktuell die Klage von Marianne Grimmenstein gegen das Handelsabkommen
zwischen der EU und Kanada (Ceta) mit über 70.000 Mitklägern.
Welche Vorkehrungen hat Change.org zum Schutz seiner Nutzerdaten getroffen?
Zunächst einmal sind wir die Petitionsplattform in Deutschland, die die
wenigsten Daten speichert. Man braucht bei Change.org nur eine gültige
E-Mail-Adresse. Wir checken nicht den Vornamen oder die Postleitzahl. Wir
fragen nicht die Postadresse oder die Bankverbindung ab. Damit speichern
wir weniger Daten als jeder gemeinnützige Verein.
Sie haben die Daten aber mit den Informationen über die Petitionen der
Nutzer zusammengefügt.
Das ist ein haltloser Vorwurf. Wir bieten den Bürgern an, Petitionen zu
zeichnen und dass sie aufgrund der letzten gezeichneten Petition spannende
Vorschläge für neue Petitionen bekommen. Es werden keine Profile zu
politischen Einstellungen gebildet.
Das heißt, es wird nicht mehr gespeichert als die zuletzt gezeichnete
Petition?
Es werden schon die Petitionen gespeichert, an denen jemand teilgenommen
hat, aber es werden Vorschläge immer nur aufgrund der letzten gezeichneten
Petition zugesandt. Man kann sein Profil auch kontrollieren. Man kann es
komplett löschen und man kann seine Unterschrift für eine einzelne
Petitionen jederzeit löschen.
Wieso werden überhaupt die in der Vergangenheit gezeichneten Petitionen
gespeichert?
Es ist für die User gut zu sehen: Wo habe ich mich engagiert? Wo möchte ich
noch Nachrichten bekommen? Bei uns haben die Initiatoren von Petitionen die
Möglichkeit, alle Unterzeichner immer wieder über ihre laufende Kampagne zu
informieren. Change.org ist eine Möglichkeit für Privatpersonen, einen
Verteiler aufzubauen, um ihre Kampagne voran zu bringen. Und dafür muss man
die Daten halt speichern.
Der Verein Digitalcourage wirft Ihnen vor, Sie könnten mit den Daten die
Meinungsbildung beeinflussen, indem gezielt für Petitionen geworben wird.
Letztendlich entscheiden unsere Nutzer, welche Petition an einen größeren
Verteiler geschickt wird. Wir testen, ob die Leute eine Petition überhaupt
annehmen und wenn der Empfängerkreis sagt, ja, finden wir spannend, geht
das an einen größeren Verteiler. Das ist ganz normale Praxis bei allen
Petitionsportalen.
Wie werden die Personen dieser Liste ausgewählt?
Es wird geschaut, wer ähnliche Petitionen in der Vergangenheit
unterzeichnet hat. Bei jemandem ,der gegen Ceta unterschrieben hat, ist es
wahrscheinlich, dass er sich auch für das transatlantische
Freihandelsabkommen TTIP interessiert.
Personalisierte Werbung ist also für den guten Zweck okay?
Das ist keine Werbung, das ist ein Angebot, eine kostenlose Bürgerpetition
mitzuzeichnen. Die Nicht-Regierungsorganisationen, die gegen eine Gebühr
ihre Newsletter bewerben, werden erst im Nachgang zu einer Bürgerpetition
angezeigt.
Kann ich von vornherein beantragen, dass meine Daten gelöscht werden,
sobald die Petition durch ist?
Letztendlich geht es bei einer Online-Petition doch darum, in einem
öffentlichen Akt Unterschriften zu überreichen. Die Daten zu löschen, hat
politisch doch erst dann einen Sinn, wenn die Unterschriften überreicht
sind. Für die Löschung gibt es keinen Automatismus, aber wir bieten sie
Nutzern in jeder E-Mail an.
Was wollen Sie an Ihrer Praxis ändern?
Datenschutz gehört zu unserem Selbstverständnis. Wir lassen zurzeit alles
genauestens von der Berliner Datenschutzbeauftragten überprüfen. Damit
haben wir auf die Kritik des ehemaligen schleswig-holsteinischen
Datenschutzbeauftragten Thilo Weichert reagiert.
25 Apr 2016
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Datenschutz
change.org
Datenschutz
Online-Petition
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Islamverband Ditib
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Afrika
Schwerpunkt TTIP
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