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# taz.de -- Big-Brother-Awards in Bielefeld: Ditib droht Aktivisten mit Klage
> Der türkische Religionsverband Ditib sollte am Freitagabend einen
> Negativpreis bekommen. Nun verleiht er ihn sich selbst.
Bild: Möchte den Preis nicht: Der Islamverband Ditib sagt „Danke“
Berlin taz | Besonders klug war das nun nicht: Eine gewisse Chance hätte es
ja immerhin gegeben, dass die für Freitagabend geplante Preisverleihung der
sogenannten [1][Big-Brother-Awards] dann doch eher jenseits einer breiteren
Öffentlichkeit stattfindet. Dem ist der deutsch-türkische Religionsverband
[2][Ditib] allerdings nun zuvorgekommen – und hat sich mit einem empörten
Brief selbst ins Rampenlicht gestellt.
In einem Schreiben an die Veranstalter droht der Generalsekretär des
Islamverbandes, Bekir Alboga, den Organisatoren indirekt mit einer Klage,
sollte der Negativpreis an den Islamverband gehen.
Mit den sogenannten Big-Brother-Awards zeichnen Datenschützer seit Jahren
Unternehmen, Verbände, Behörden und Institutionen aus, die auf besondere
Weise den Datenschutz von BürgerInnen umgehen oder schädigen. Veranstaltet
wird die Preisverleihung von dem im Bielefeld ansässigen Verein
[3][Digitalcourage], einer altehrwürdigen Institution unter
Datenschutzaktivistinnen und -aktivisten.
Zu den Preisträgern der Negativauszeichnung, die stets mit einer Gala
gefeiert wird, gehörten in den letzten Jahren unter anderem das Bundesamt
für Verfassungsschutz, die Generali-Versicherung oder die
Kampagnenplattform Change.org.
## Wer bespitzelte wen?
In diesem Jahr soll einer der Preise, die in verschiedenen Kategorien
vergeben werden, an den Islam-Dachverband Ditib gehen. Der Verband mit Sitz
in Köln wird unter anderem von türkischen Regierungsgeldern bezahlt und
untersteht der Kontrolle des Amts für religiöse Angelegenheiten in der
Türkei. In Deutschland spielt Ditib eine wesentliche Rolle bei der
Ausbildung von Imamen sowie bei der Entwicklung von Muslimunterricht an
Schulen.
Kritiker werfen Ditib vor, als verlängerter Arm der türkischen Regierung in
deutschen Moscheen Politik zu betreiben. So hatte Ditib etwa nach dem
erfolglosen Putschversuch auf Türkeis Präsident Erdogan unter anderem eine
äußerst umstrittene Predigt verbreiten lassen.
Ende 2016 war bekannt geworden, dass unter dem Dach des Verbandes im
Auftrag der türkischen Regierung auch mutmaßliche Anhänger des Predigers
Fetullah Gülen ausspioniert worden waren. Ditib-Prediger sammelten laut
Medienberichten Daten, schrieben Berichte über Gemeindemitglieder und
sendeten diese in die Türkei. Derzeit ermittelt die
Generalbundesanwaltschaft in der Sache gegen verschiedene Ditib-Imame.
Unter anderem hatte das Bundesfamilienministerium Zahlungen an die Ditib
vorübergehend einbehalten.
## Ein Brief, eine Drohung
Für diese Art der recht unmittelbaren Überwachung will die Jury der Big
Brother-Awards, zu der unter anderem renommierte Aktivistinnen wie Rena
Tangens und Padeluun vom Bielefelder Verein Digitalcourage, aber auch der
Frankfurt Professor Peter Wedde sowie der ehemalige Datenschutzbeauftragte
Thilo Weichert zählen, dem Verband nun den Negativpreis überreichen – und
lud Vertreter des Verbandes zur Preisverleihung nach Bielefeld ein. Ditib
sollte nicht der einzige Preisträger sein, reagierte aber als einziger mit
einer mehr als klaren Botschaft per Brief. Darin droht der Verband mit
einer Klage wegen übler Nachrede.
In dem Brief, der der taz vorliegt, schreibt Ditib-Generalsekretär Bekir
Alboga, die „vordergründigen Vorwürfe und die daraus resultierende
Nominierung fußen auf Tatsachenverdrehung, Falschbehauptung und
unzulässigen Verallgemeinerungen“. Weiter heißt es darin: „Die Imame
pauschalisierend als Spione und Denunzianten zu beschreiben, ist (…) nicht
nur Verleumdung, sondern auch ein Zeichen der Unkenntnis.“
Ditib argumentiert: Nicht die Institution, sondern lediglich „einige wenige
Personen“ stünden im Fadenkreuz der Ermittler. Auch hätten keine
Ditib-Organe oder -Mitarbeiter „irgendwelche geheimen und persönlichen
Informationen eingefordert, gesammelt oder weitergeleitet.“ Das ist nun
wohl Auslegungssache. Bereits in der Vergangenheit hatte Ditib Vorwürfe
stets zurückgewiesen, dann aber auch eingeräumt, einige Imame hätten eine
Anweisung der Religionsbehörde Dyanet wohl fehlinterpretiert.
## Gelassene Reaktion
Jedenfalls: In dem Schreiben an den Verein Digitalcourage fordert
Ditib-Generalsekretär Alboga nun von den Veranstaltern die „umgehende
Revidierung ihres Urteils“ und schreibt, er müsse „in diesem Zusammenhang
auch darauf hinweisen, dass die Kommunikation und Veröffentlichung der
Nominierung sowie eine Preisverleihung Verstöße gegen die nicht
pressemäßige Prüfungs- und Sorgfaltsverpflichtung sind und eine
Strafbarkeit nach § 186 StGB in Betracht kommen würde.“ Dabei geht es um
den Vorwurf der üblen Nachrede.
Was soll das anderes sein als eine Klageandrohung?
Die Veranstalter fassen das Schreiben wiederum als Auszeichnung auf. Sie
blicken einer möglichen Klage laut eigener Aussage gelassen entgegen und
wollen den Preis am Freitagabend verleihen. Nicht nur an Ditib. Aber auch
an Ditib.
5 May 2017
## LINKS
[1] https://bigbrotherawards.de/
[2] http://www.ditib.de/
[3] https://digitalcourage.de/
## AUTOREN
Martin Kaul
## TAGS
Islamverband Ditib
Spionage
Schwerpunkt Überwachung
Recep Tayyip Erdoğan
Digitalcourage
Islam
Terror
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Gülen
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Datenschutz
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