| # taz.de -- „Profiling“ im Internet-Fernsehen: Ein Werbespot nur für dich | |
| > Wer über das Internet fernsieht, gibt zahlreiche Daten weiter und | |
| > ermöglicht damit personalisierte Werbespots. Ist das erlaubt? | |
| Bild: Mit den gesammelten Nutzerdaten werden passende Werbespots ausgesucht | |
| Egal, welche Website man aufruft: Hat man zuvor im Netz nach Sandalen | |
| gesucht, dann erscheinen schon bald überall Werbeanzeigen für Schuhe. | |
| Marketing ist individualisierter geworden. Dafür brauchen Werbeunternehmen | |
| möglichst viele Informationen über Verbraucher*innen. Und die bekommen | |
| sie, indem sie deren Bewegungen im Netz auswerten. „Profiling“ heißt dieses | |
| Verfahren. | |
| Dabei werden unbemerkt Daten gesammelt, vernetzt und ausgewertet, um | |
| daraus ein virtuelles Nutzerprofil zu erstellen. Dieses Profil wird vor | |
| allem für Direktmarketing genutzt und damit auch für Kauf- und | |
| Meinungsbeeinflussung. Was statische Anzeigen angeht, ist das nichts Neues. | |
| Aber was ist mit Spots? Und wie weit dürfen Sender und Plattformen gehen, | |
| wenn sie Daten auslesen? | |
| Wenn das Fernsehen über das Web kommt, lässt sich die IP-Adresse des | |
| benutzten Geräts identifizieren. In immer mehr deutschen Haushalten stehen | |
| inzwischen Fernseher mit der Funktion Hybrid Broadcast Broadband TV | |
| (HbbTV), bei der zusätzlich zum Rundfunk- auch ein Internetsignal abgerufen | |
| wird. Damit können Sender den Zuschauer*innen Links mit Zusatzinformationen | |
| parallel zur ausgestrahlten Sendung anzeigen. Ist eine Anmeldung für das | |
| Fernsehen notwendig, wie bei Apple TV, Streamingdiensten oder bei | |
| Livestreams auf Social-Media-Seiten, dann lässt sich sogar feststellen, wer | |
| vor dem Empfangsgerät sitzt. | |
| Wer die IP-Adresse auslesen kann, könnte sie theoretisch auch mit | |
| Datensätzen abgleichen, aus denen hervorgeht, wo mit derselben IP-Adresse | |
| schon gesurft worden ist. Daraus ließe sich ableiten, wofür sich die | |
| Nutzer*in interessiert. Technisch ist es kein Problem, dieselben | |
| personenbezogenen Werbeinhalte in Spotform zu präsentieren, die jetzt schon | |
| in statischer Anzeigenform erscheinen. | |
| Über die Webseiten und App-Angebote von TV-Sendern, aber auch über | |
| Social-Media-Kanäle kann man schon heute online fernsehen. Facebook gab | |
| Ende Juni für den amerikanischen Markt bekannt, in der kommenden Saison auf | |
| der Facebook-Seite von FOX Sports exklusiv 20 Partien der | |
| Uefa-Champions-League per Livestream zu übertragen. Schon zuvor zeigte das | |
| Unternehmen die ersten zwanzig Saisonspiele der Major League Baseball und | |
| Partien der mexikanischen Fußballliga. | |
| ## Ein riesiger Datenpool über die Nutzer | |
| Für Kund*innen des kostenpflichtigen Abo-Dienstes Prime wiederum hat sich | |
| der Onlinehändler Amazon für 50 Millionen US-Dollar die Rechte für die | |
| Football-Liga gesichert. Im Vorjahr soll der Kurznachrichtendienst Twitter | |
| dafür noch 10 Millionen gezahlt haben. | |
| Das Potenzial für Werbekunden aus dem Fernsehbereich liegt auf der Hand: | |
| Alle Plattformen besitzen einen riesigen Datenpool über ihre Nutzer*innen. | |
| Facebook testet seit November letzten Jahres zusammen mit Apple TV und dem | |
| amerikanischen Streamingdienst Roku, wie eine solche Personalisierung von | |
| Spots aussehen könnte. Auf Nachfrage der taz heißt es in einer E-Mail von | |
| Facebook, dass im Moment alle live übertragenen Sportveranstaltungen ohne | |
| Werbung liefen. Allerdings gebe es erste Pläne für kurze Spots. | |
| Es sei aber noch zu früh für Aussagen darüber, „welche Inhalte der | |
| Zuschauer während dieser TV-Werbeunterbrechungen sehen wird“. In jedem Fall | |
| seien es jedoch nicht dieselben Werbefilme wie bei Fernsehübertragungen. | |
| ## Die Werbung der Zukunft | |
| Das ist weder eine Zu- noch eine Absage an personenbezogene Werbespots. | |
| Medienexperten in Deutschland jedenfalls sind sich überwiegend einig. „Das | |
| wird kommen“, sagt Marco Dohmen, Vorsitzender der Fokusgruppe Bewegtbild | |
| des Bundesverbands Digitale Wirtschaft. Ähnlich schätzt der Verband | |
| Privater Rundfunk und Telemedien die Situation ein. Für die dort | |
| organisierten Sender sei es wichtig, neue Werbeformen zu finden und | |
| Kund*innen individuell anzusprechen. Ein Streitpunkt ist indes die Frage, | |
| ob es nach deutschem Recht überhaupt erlaubt ist, Werbespots | |
| personalisiert auszustrahlen. | |
| Zwei Regulatorien stehen beim Web-Fernsehen in Deutschland nebeneinander: | |
| der Rundfunkstaatsvertrag und das Telemediengesetz. Unter Rundfunk fällt | |
| alles, was linear und im Rahmen eines Sendeprogramms empfangen werden kann; | |
| das Telemediengesetz gestaltet dagegen die nichtlineare Verbreitung, also | |
| Onlineangebote auf individuellen Abruf, so wie Streamingdienste und | |
| Videoplattformen. Mediatheken bilden hier die Ausnahme, denn Inhalte der | |
| Öffentlich-Rechtlichen dürfen auch online sieben Tage lang verfügbar sein. | |
| Wenn nun ein Sender sein Angebot live im Netz ausstrahlt und es einen | |
| Sendeplan gibt, „dann gilt das Rundfunkrecht“, erklärt der Hamburger | |
| Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Ralph Oliver Graef. | |
| Das Rundfunkrecht regelt Werbung strenger als das Telemediengesetz. Es | |
| herrscht eindeutige Kennzeichnungspflicht kommerzieller Inhalte, das Verbot | |
| von Schleichwerbung oder das Blockwerbegebot. | |
| ## Eine Frage der Auslegung | |
| Trotz der unterschiedlichen Vorschriften im Telemedien- und Rundfunkbereich | |
| gilt laut Medienrechtler Graef in beiden Fällen: Im Netz darf man | |
| individuell angepasste Spots ausstrahlen, wenn eine Nutzer*in der | |
| Verwendung persönlicher Daten für Werbezwecke bei den Nutzungsbedingungen | |
| einwilligt und Unternehmen die Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags | |
| beziehungsweise des Telemediengesetzes einhalten. | |
| Ganz anders schätzt Thilo Weichert, Vorstandsmitglied der Deutschen | |
| Vereinigung für Datenschutz, die rechtliche Situation ein. „Es ist | |
| strittig, ob es für eine Einwilligung schon ausreicht, dass man | |
| Nutzungsbedingungen akzeptiert.“ Hinzu kommt, dass im Rundfunkstaatsvertrag | |
| – wie übrigens auch im Telemediengesetz – nur zulässig ist, was explizit | |
| erlaubt ist; alles andere ist verboten. „Im Rundfunkstaatsvertrag gibt es | |
| definitiv keine Regelung, die personalisierte Werbung erlaubt“, sagt | |
| Weichert. | |
| Auch zweifelt Weichert, ob Gerichte den Rundfunkstaatsvertrag als Grundlage | |
| heranziehen würden, wenn soziale Netzwerke mit Fernsehsendern kooperieren. | |
| „Das Netzwerk selbst ist nicht Anbieter, sondern nur Weiterverbreiter.“ | |
| Deutsche Gerichte würden das Telemediengesetz anwenden, so Weichert. Und | |
| das erlaubt personenbezogene Werbung, sofern Nutzer*innen der Verwendung | |
| ihrer Daten für Werbezwecke auch widersprechen können und sie der | |
| Diensteanbieter über diese Möglichkeit auch unmissverständlich informiert. | |
| Das Problem bei der rechtlichen Frage ist, dass der Rundfunkstaatsvertrag | |
| und das Telemediengesetz aus einer Zeit stammen, in der man Rundfunk und | |
| Telemedien noch sauber voneinander trennen konnte. Durch die zunehmende | |
| Zusammenarbeit von TV-Sendern mit Diensteanbietern wie Facebook & Co. „ist | |
| das heute aber so nicht mehr möglich“, sagt Weichert. „Die Grenzen sind | |
| fließend.“ | |
| Inwiefern sich die Gesetzeslage in Bezug auf die Anpassung des | |
| Rundfunkstaatsvertrag und das Telemediengesetz ändern wird, bleibt | |
| abzuwarten. Doch ab dem 25. Mai 2018 gilt die | |
| EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO). Dann gelten künftig in der | |
| gesamten EU die gleichen Datenschutzstandards. Zum anderen verbietet die | |
| EU-DSBVO laut Datenschützer Weichert das Werbeprofiling eindeutig, also das | |
| Erstellen von virtuellen Nutzerprofilen zu Werbezwecken. | |
| Die Vorstellung von personalisierten Werbespots, wie sie aktuell zumindest | |
| im Bereich von rechtlichen Grauzonen noch möglich ist, wäre damit passé. | |
| 7 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Johanna Feckl | |
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