# taz.de -- Datenschutz im Netz: Die Schlacht um Cookies | |
> Wird die E-Privacy-Verordnung der EU beschlossen, könnten Datensammeln | |
> und Nutzerüberwachen im Internet deutlich schwerer werden. | |
Bild: Diese Cookies sind harmlos | |
BERLIN taz | Das Objekt, anhand dessen sich gerade die Zukunft des | |
Internets entscheidet, ist denkbar klein. Ein paar Zeilen Code nur, die der | |
Anbieter einer Webseite beim vorbeisurfenden Nutzer im Browser ablegt. | |
Ungefragt. Unbemerkt. Mit diesen paar Zeilen kann der Anbieter den Nutzer | |
immer wieder identifizieren. Drittanbietern, etwa Werbenetzwerken, ist es | |
so möglich, Nutzer über lange Zeit und über nahezu sämtliche Webseiten, auf | |
denen Werbung steht, zu verfolgen. | |
Doch der Einsatz dieser Cookies soll nun erschwert werden, und deshalb tobt | |
in der EU ein Kampf. Zwischen Werbetreibenden, IT-Unternehmen und Anbietern | |
auf der einen und Daten- und Verbraucherschützern auf der anderen Seite. | |
Vergangene Woche hat der federführende Ausschuss des EU-Parlaments eine | |
erstaunlich nutzerfreundliche Verordnung beschlossen, mit den Stimmen von | |
Sozialdemokraten, Grünen, Liberalen und Linken. Diese Woche sollte das | |
EU-Parlament nun das Mandat erteilen für die kommenden | |
Trilog-Verhandlungen. Doch die Konservativen im EU-Parlament, die die | |
wirtschaftsnahen Positionen vertreten, haben direkt interveniert – und eine | |
neue Abstimmung erzwungen. | |
Jan Philipp Albrecht ist einer von denen, die nicht länger mit ansehen | |
wollen, wie es aktuell läuft. Nämlich: Ein Nutzer ruft eine Webseite auf. | |
Am Rand ploppt ein halbtransparentes Overlay auf, auf dem steht: „Diese | |
Webseite verwendet Cookies. Wenn Sie unseren Service weiterhin nutzen, | |
gehen wir davon aus, dass Sie der Verwendung von Cookies zustimmen.“Und | |
dann hat der Nutzer meistens genau eine Möglichkeit: auf „OK“ zu klicken. | |
## Lobbyisten laufen sich warm | |
„Heute ist die Absicht meist, dem Verbraucher so viele Daten wie möglich | |
aus der Tasche zu ziehen, daher ist das Misstrauen gegen | |
Internetunternehmen so groß“, kritisiert Albrecht. Er ist | |
Schattenberichterstatter der europäischen Grünen für die | |
E-Privacy-Verordnung. Und er hat der Cookie-Inflation speziell und der | |
Überwachung im Netz allgemein den Kampf angesagt. | |
Die entscheidende Abstimmung findet nun am Donnerstag statt: Finden sich | |
genug Kritiker des besseren Verbraucherschutzes, geht der Kampf erst | |
richtig los. Einen Monat lang hätte dann jeder EU-Parlamentarier Zeit, | |
Änderungsanträge einzureichen. Die Lobbyisten laufen sich schon warm. | |
„Gerade aus Deutschland ist der Widerstand sehr groß“, sagt Albrecht. Der | |
Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) zum Beispiel ist einer der | |
erbittertsten Gegner der Verordnung. Seine Mitglieder fürchten: Werbung im | |
Internet wäre nicht mehr möglich. Anbieter, die sich derzeit über | |
Werbeeinblendungen finanzieren, würden ihre Einnahmequelle verlieren. | |
Es sei das „Ende des freien Internets, wie wir es heute kennen“, teilte | |
Verbandsvize Thomas Duhr nach der Abstimmung im EU-Ausschuss mit. Und | |
Sprecher Tim Sausen erklärt: „Es ist unwahrscheinlich, dass Nutzer die | |
durch die Regulierung notwendigen Einwilligungstiraden akzeptieren werden“. | |
Und ohne Zustimmung, so der Plan, künftig kein Tracking mittels Cookies. | |
## Echtes, ausdrückliches Einverständnis | |
Es ist die Sache mit den Cookies, die exemplarisch zeigt, warum die | |
IT-Wirtschaft die neuen Regelungen ablehnt. Wer einen Cookie setzen will, | |
bräuchte künftig das Einverständnis des Nutzers. Und zwar ein echtes, | |
ausdrückliches Einverständnis, nicht ein | |
Ich-habe-keine-Wahl-daher-lasse-ich-es-halt-zu-Einverständnis, wie es heute | |
Standard ist. | |
Einfach Werbung einblenden, ohne die Nutzer zu überwachen? „Damit wird die | |
Werbung weniger wertig, es müsste also entsprechend mehr Werbung | |
ausgespielt werden, um Inhalte finanzieren zu können“, sagt Sausen. Das | |
könne auch niemand wollen. Wahrscheinlich würden die Anbieter Nutzer dazu | |
drängen, Accounts anzulegen, um sich über die Allgemeinen | |
Geschäftsbedingungen das Einverständnis zu holen. Bei großen Anbietern | |
würden sich Nutzer vielleicht darauf einlassen – bei kleinen jedoch nicht. | |
Susanne Dehmel vom IT-Verband Bitkom befürchtet außerdem, dass neue | |
Geschäftsmodelle erschwert würden. Denn die Abgeordneten haben auch in die | |
Verordnung geschrieben, dass Dienste wie WhatsApp oder Facebooks Messenger | |
die Kommunikationsdaten ihrer Nutzer nur mit ausdrücklichem Einverständnis | |
verarbeiten dürfen. Ein Dienst, der E-Mails automatisch übersetzt? Dehmel | |
fürchtet, das wäre nicht mehr möglich. Denn wie sollte der Anbieter die | |
Zustimmung auch des Empfängers einholen? | |
## Starke Ende-zu-Ende-Verschlüsselung | |
In der Verordnung steht noch einiges anderes. Zum Beispiel eine Pflicht, | |
den Browser mit datenschutzfreundlichen Voreinstellungen zu versehen. So | |
dass auch, wer sich nicht in die Tiefen der Einstellungen begeben will, | |
nicht gleich der geballten Überwachung ausgesetzt ist. „Das ist gerade für | |
ältere oder ungeübte Nutzer von Vorteil“, sagt Florian Glatzner vom | |
Verbraucherzentale Bundesverband. | |
Eine starke Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sieht die Verordnung außerdem vor, | |
bei der Staaten nicht etwa von Messenger-Anbietern verlangen können, | |
Hintertüren einzubauen. Und für Verbände ist das Recht festgeschrieben, | |
gegen Verstöße zu klagen. Verlieren die Datenschutz-Befürworter die | |
Abstimmung, stehen all diese Regelungen wieder in Frage. | |
Verbraucherschützer glauben jedoch nicht, dass die neuen Regelungen zu | |
einem massenhaften Anbietersterben führen würden. „Solche | |
Untergangsszenarien kennen wir von Branchen, die auf veraltete Technologien | |
setzen“, sagt Glatzner. Bislang habe es schlichtweg keinen Anreiz gegeben, | |
in Werbeformen zu investieren, die ohne Nutzertracking auskommen. | |
## Nutzer über Log-in identifizieren | |
Das werde sich mit der Verordnung ändern. Natürlich sei es möglich, dass | |
ein Teil der Unternehmen dann verstärkt darauf setzt, Nutzer über ein | |
Log-in zu identifizieren. „Aber ich gehe eher davon aus, dass es | |
datenschutzfreundliche Werbeformen geben wird.“ | |
Albrecht rechnet damit, dass die Unternehmen stärker auf die Nutzer zugehen | |
müssen, wenn die verbraucherfreundliche Position gewinnt. „Sie müssen | |
besser erklären, was sie mit den Daten machen wollen, dann werden auch mehr | |
Nutzer der Verwendung zustimmen.“ | |
Eine Umfrage der EU-Kommission vom Dezember zeigt: Die große Mehrheit der | |
Verbraucher wünscht sich genau das. Datenschutzfreundliche | |
Voreinstellungen, gute Verschlüsselung, Datennutzung nur, wenn sie | |
zustimmen. Ob das auch im EU-Parlament angekommen ist, wird sich zeigen. | |
26 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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