# taz.de -- Hilfe bei polizeilicher Überwachung: Verordnete Sicherheitslücken | |
> Thomas de Maizière will die Hersteller von Alarmanlagen und Autos | |
> verpflichten, der Polizei zu helfen. So könnte leichter abgehört werden. | |
Bild: Kann die Polizei bald Elektrogeräte zur Überwachung nutzen? Nein, sagt … | |
Freiburg taz | Lauschangriffe der Polizei auf Wohnungen und Autos sollen | |
einfacher werden. Innenminister Thomas de Maizière will eine Hilfspflicht | |
für die Hersteller von Alarmanlagen und Fahrzeugen einführen. Das sieht ein | |
Antrag für die Innenministerkonferenz vor, die am Donnerstag beginnt. | |
Die Polizei darf seit 1998 zur Strafverfolgung Verdächtige in ihrer Wohnung | |
akustisch überwachen. Mit diesem „großen Lauschangriff“ sollen etwa | |
mutmaßliche Gangster abgehört werden, wenn sie am Küchentisch über die | |
Aufteilung der Beute sprechen. Außerhalb von Wohnungen dürfen Gespräche | |
schon länger überwacht werden, zum Beispiel, wenn die Verdächtigen zusammen | |
im Auto unterwegs sind. Nach Urteilen des Bundesverfassungsgerichts von | |
2004 und 2016 dürfen aber jeweils keine Gespräche mit Familienangehörigen | |
und Beziehungspartnern abgehört werden. | |
Der große Lauschangriff spielt in der Praxis bisher fast keine Rolle. | |
Bundesweit hat die Polizei im Jahr 2015 nur sechsmal in Wohnungen abgehört. | |
Zwar darf die Polizei in Wohnungen einbrechen, um dort ein Kleinmikrofon | |
anzubringen. Es ist jedoch sehr aufwändig, unbemerkt eine so genannte Wanze | |
in der Wohnung zu installieren. | |
Häufiger sind die Lauschaktionen in Autos. Doch auch beim Eindringen in | |
PKWs hat die Polizei zunehmend Schwierigkeiten. So sorgt neue digitale | |
Sicherheitstechnik bei manchen Fahrzeugen dafür, dass der Eigentümer eine | |
SMS erhält, nachdem jemand die Tür des Fahrzeugs öffnete. Die Polizei | |
ärgert das. So werde ein Verdächtiger gewarnt und ein heimliches Abhören | |
sei kaum noch möglich. Seit 2016 gab es laut Innenministerium schon 25 | |
Fälle, in denen ein richterlicher Beschluss zum Abhören eines Autos nicht | |
umgesetzt werden konnte. | |
## Hilfe „im Einzelfall“ | |
De Maizière schlägt nun vor, dass die Hersteller von Autos und | |
Sicherheitstechnik gesetzlich verpflichtet werden sollen, der Polizei zu | |
helfen. Über diesen Vorschlag hatte erstmals das Redaktionsnetzwerk | |
Deutschland berichtet. Wie diese Hilfspflicht konkret aussieht, will der | |
Minister vorerst offen lassen. Eine Möglichkeit wäre, die Hersteller zu | |
verpflichten, in ihre Technik Schwachstellen einzubauen, die nur die | |
Polizei nutzen darf. | |
Allerdings könnten sich diese Hintertüren schnell auch unter Autodieben | |
herumsprechen. Ein Sprecher de Maizières betonte deshalb, der Minister habe | |
keine „Hintertüren“ vorgeschlagen. Es gehe um Hilfe „im Einzelfall“. | |
Außerdem müsse das Abhören weiterhin vom Richter genehmigt werden. | |
Kritiker von SPD, Grünen und FDP legten de Maizières Vorschlag so aus, dass | |
Verdächtige künftig in ihrer Wohnung von den eigenen Elektrogeräten | |
abgehört werden sollen. Das Bundesinnenministerium wies dies zurück. De | |
Maizière wolle der Polizei nicht den Zugriff auf Mikrofone von Laptops, | |
Tablets und Smart-TVs erleichtern. Die Nutzung der Mikrofone in | |
„informationstechnischen Systemen“ sei der Polizei zum Abhören von | |
Wohnungen und Autos gar nicht erlaubt. Eindeutig ist das aber nicht. Die | |
entsprechenden Paragraphen der Strafprozessordnung (100c und 100f) sprechen | |
ganz neutral von „technischen Mitteln“. | |
Die Diskussion ist aber noch ganz am Anfang. Sollten die Innenminster der | |
Länder am Donnerstag und Freitag de Maizières Vorschlag unterstützen, würde | |
nur die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf vozulegen, | |
zuständig wäre der Justizminister. Amtsinhaber Heiko Maas (SPD) war in de | |
Maizières Vorstoß aber nicht eingeweiht. | |
Im Jahr 2001 hatte die Innenministerkonferenz schon einmal die Einführung | |
einer Hilfspflicht vorgeschlagen. Damals ging es um Hausmeister, Handwerker | |
und Schornsteinfeger, die der Polizei den Zutritt zu Wohnungen ermöglichen | |
sollten. Die damalige Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) lehnte den | |
Vorschlag ab, der Vorstoß versandete. | |
4 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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