# taz.de -- openPetition über Politik von unten: „Wir sehen uns als Bürgerl… | |
> Petitionsplattformen sind Seismographen: Wie ist die politische | |
> Atmosphäre vor der Wahl? Ein Gespräch mit Konrad Traupe von openPetition. | |
Bild: Die MitarbeiterInnen von openPetition | |
taz: Konrad Traupe, welche Rolle spielen Petitionsplattformen wie | |
openPetition für die Demokratie? | |
Konrad Traupe: Wir versuchen, auf Partikular- oder Allgemeininteressen | |
hinzuweisen, die durch die Quantität der Unterschriften eine Legitimation | |
bekommen. Diese Legitimation durch Stimmen soll zeigen, dass es eine | |
Erschütterung zu einem bestimmten Thema in der Gesellschaft gibt. Wenn | |
diese als Petition eingereicht wird, kann das den parlamentarischen Prozess | |
in einer repräsentativen Demokratie stärken. | |
Sind Onlinepetitionsplattformen Seismographen dafür, was die Gesellschaft | |
bewegt? | |
Öffentliche Sammelpetitionen sind jedenfalls in der Lage zu zeigen, dass | |
ein Thema von Relevanz ist. Bei einer Podiumsveranstaltung zu unserer | |
[1][Kampagne Petitionsrecht 4.0] ist neulich die Stimmung hochgekocht, als | |
es um die Frage ging, wie man ein Thema so weit bekommt, dass es von einem | |
Abgeordneten angehört wird. Das hat viele Leute erzürnt, weil sie schon mal | |
durch die Maschen des Netzes gefallen sind und dadurch Nachteile hatten. | |
Die sind sehr emotional geworden und haben auch uns als Petitionsplattform | |
Vorwürfe entgegengebracht, die typischerweise auf Parteiveranstaltungen | |
kommen. Da wurde gesagt: „Ich habe doch eh keine Chance, mir hört sowieso | |
keiner zu“ oder „Selbst wenn ich eine Petition starte, kann ich das Thema | |
trotzdem nicht auf die Agenda bringen“. Genau da setzen wir an. | |
Das Erstarken der AfD wird auch dem mangelnden Vertrauen in die Politik | |
zugeschrieben, weil Bürger den Abstand zu den Politikern als zu groß | |
empfinden. Schließen Online-Petitionen diese Lücke durch das Gefühl, an der | |
Politik teilhaben zu können? | |
Wir sehen uns in letzter Zeit immer stärker als eine Art Bürgerlobby. Wir | |
können Themen für Parteien und Politik mit den Menschen zusammen | |
aufbereiten. Wir sind ein bisschen wie eine Beratungs- und Anlaufstelle. | |
Wenn unsere Forderungen nach einem erweiterten Petitionsrecht beherzigt | |
würden, könnten wir einen positiven Effekt für die repräsentative | |
Demokratie haben. Petitionen sind ein starkes Beteiligungsinstrument, aber | |
sie könnten noch viel stärker sein, wenn es in bestimmten Bereichen, etwa | |
im parlamentarischen Prozess, klarere Regeln gäbe. Dann könnte auch aus der | |
Zivilgesellschaft stärker mit Petitionen gearbeitet werden. | |
Wie positioniert sich openPetition politisch? | |
Wir haben einen Anspruch auf ein möglichst hohes Maß an Neutralität. Wir | |
hatten auch Fälle, an denen die linkere Sphäre anecken würde. Das gehört | |
aber zu politischen Entscheidungsfindungsprozessen dazu. | |
Wie gehen Sie mit Petitionen um, die zum Beispiel als diskriminierend | |
empfunden werden können? | |
Dafür haben wir unsere Nutzungsbedingungen. Da steht ganz klar drin, dass | |
niemand diskriminiert werden darf und dass wir uns vorbehalten, auch im | |
Nachhinein noch Quellen einzufordern für zweifelhafte | |
Tatsachenbehauptungen. Das recherchiert unsere Redaktion. Parteien, die | |
diskriminierend in der Öffentlichkeit aufgetreten sind, halten meist die | |
Nutzungsbedingungen nicht ein, und diese Petition wird bei uns gesperrt | |
oder mit einem Qualitätsbanner versehen. Ansonsten haben wir die Erfahrung | |
gemacht, dass Petitionen, die versuchen, gegen bestimmte Menschengruppen | |
vorzugehen, eine Zeitlang unterschrieben werden, aber dann lässt das auch | |
ganz schnell nach. | |
Warum? | |
Da gibt es eine gewisse Gruppe, die in einer konzertierten Aktion | |
unterschreibt, und ab einem gewissen Punkt, so bei 5.000 Unterschriften, | |
passiert dann nichts mehr. Meistens versandet so ein Thema, weil die | |
Forderungen absurd sind. | |
Aber Sie schaffen trotzdem Öffentlichkeit für solche Forderungen auf der | |
Plattform. Regulieren sich solche Äußerungen denn wirklich selber? | |
So ein Thema wird höchstens von Populärmedien aufgegriffen, weil es eine | |
schillernde Story darstellt. Der öffentliche Druck, der dabei entsteht, ist | |
nicht vergleichbar mit einem Thema, das die Aufmerksamkeit von größeren | |
Zeitungen auf sich zieht. Öffentliche Sammel-Petitionen im Internet | |
funktionieren vor allem dadurch, dass sie ein Echo haben und ihre | |
Reichweite durch Multiplikatoren vergrößert wird. Das ist bei diesen Themen | |
nicht gegeben, vor allem, wenn sie schlecht argumentiert sind und ihnen | |
eine Nachvollziehbarkeit fehlt. | |
Welche Petitionen werden stattdessen erfolgreich – und warum? | |
Wir merken immer stärker, dass durch die Online-Petitionen auf der Straße | |
mobilisiert wird. Insofern ist die Stereotypisierung, Petitionsplattformen | |
seien Clicktivism, so nicht zutreffend. Nicht nur der öffentliche Druck, | |
der online entstanden ist, ist ausschlaggebend, sondern auch, was im | |
Folgeeffekt auf der Straße passiert. Das beschleunigt sich vor allem, wenn | |
auf der Straße Aktionen laufen und dann auch wieder Bilder online | |
transportiert werden. Als Bivsi, das Mädchen, das mit seiner Familie nach | |
Nepal abgeschoben wurde, im Fernsehen über Skype aus Nepal zugeschaltet | |
wurde, hat das bei ganz vielen Leuten bewegt, dass sie [2][unsere Petition | |
für Bivsi] unterschrieben haben. Inzwischen durfte sie zum Glück wieder | |
zurück nach Deutschland kommen. Der WDR und auch der Landtag NRW haben uns | |
mündlich bestätigt, dass unsere Petition stark dazu beigetragen hat, dass | |
der öffentliche Druck entstanden ist. Die Petition wurde im Landtag NRW | |
eingereicht und von dort ans Auswärtige Amt weitergegeben. Das ist ein | |
schönes Beispiel dafür, was Gemeinschaft gestalten kann. | |
8 Sep 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://www.opendemokratie.de/ | |
[2] https://www.openpetition.de/petition/online/bivsi-und-ihre-eltern-sollen-wi… | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
Elisabeth Kimmerle | |
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