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# taz.de -- Konono No.1 & Batida: Was den Garagensound verzerrt
> Konono No.1 aus Kinshasa hat sich mit dem Angolaner Batida für ein neues
> Album zusammengetan. Nun kommen sie auf Deutschlandtour.
Bild: Laute Garage! V.l.n.r.: Pedro Coquenão (Batida) kniend, Vincent Visi, Pa…
Der Elektronikproduzent Batida (bürgerlich Pedro Coquenão) probiert einen
Echo-Effekt aus. Menga Waku von Konono No.1 drückt Knöpfe auf einem
Midi-Controller, jeder Knopfdruck lässt einen schweren Bass aus den Boxen
dröhnen. In wenigen Stunden werden sie erstmals gemeinsam auf der Bühne
spielen. Eine Woche waren Konono No.1 aus dem Kongo und Batida aus Portugal
zu Gast im französischen La Rochelle, um an der Konzertfassung eines
Experiments zu arbeiten, das kürzlich veröffentlicht wurde: „Konono No.1
meets Batida“.
„Am Ende einer Tour haben wir das Album in Batidas Garage in Lissabon
aufgenommen“, erzählt Augustin Mawangu, Bandleader von Konono No.1. Auch
ihr viertes Werk ist charakterisiert vom Sound der Likembe, einem
Holzbrett, auf dem Metallstäbe montiert sind, die man mit den Daumen
spielt. Vor 50 Jahren hat Augustins Vater Mingiedi Mawangu Konono No.1
gegründet.
Um mit seinem Ensemble den Lärm in Kongos Hauptstadt zu übertönen, hat
Mawangu Miwiengi die Likembes an selbstgebaute Verstärker angeschlossen.
„Alle Einzelteile stammen aus Autos“, erklärt Augustin Mawangu, der nach
dem Tod seines Vaters im Juni 2015 dafür zuständig ist, die Verstärker zu
warten.
## Selbstgebautes Equipment
Das selbstgebaute Equipment macht den Sound von Konono No.1 aus. Die
verzerrten Likembes erzeugen Obertöne und Phantomnoten, die wiederum die
Rhythmen modulieren. Ihr Nachhall hat mindestens so viel mit den
Noisekaskaden von Londoner Post-Punk-Bands gemeinsam wie mit traditioneller
kongolesischer Musik. In Europa wurde die Band deshalb auch zuerst von der
Avant-Rock-Szene wahrgenommen, in ihrer Heimat Kinshasa merken Konono No.1
aber wenig von ihrem weltweiten Ruhm. „Der Markt dort ist vollkommen
anders.
Die großen Stars des Kongo wie der gerade verstorbene Papa Wembe werden
etwa von Telefonfirmen gesponsert“, erklärt ihr Manager Michel Winter. „In
Kinshasa spielen Konono No.1 auf Familienfeiern.“ Die Musik von Konono No.1
wird dort mit der Volksgruppe der Bakongo identifiziert, die an der Mündung
des Kongo die Grenzregion zu Angola bewohnt. „Es wird noch dauern, bis man
zu Hause die Universalität von Konono No.1 erkennt“, sagt Michel Winter.
„Musik kennt keine Grenzen“, widerspricht ihm Augustin Mawangu. „Im Kongo
schon“, entgegnet Winter. Dann kommt es zu einem Wortgefecht, das endet,
als Mawangu seinem Manager „Bourrique“ entgegenschleudert: Dummkopf!
„Ich nehme Konono No.1 als urbane Band wahr“, meint Batida. „Ihre Musik
ist, was entsteht, wenn sich die Stadt in die traditionelle Musik des Kongo
einschreibt.“ Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen der Band aus dem Kongo
und dem in Angola geborenen DJ und Produzenten, der in Lissabon lebt. Beide
interessieren sich für die Pop- und Folktraditionen ihrer Heimatsprachen,
aber wissen, dass sich diese verändern müssen, um gehört zu werden.
## Diggen durch lusophone Popgeschichte
Batida tut dies mit den Mitteln des Nerds: Auf bislang zwei Alben diggt er
sich durch lusophone Popgeschichte. Das Knistern von altem Vinyl triggert
dabei Erinnerungen und Gedächtnislücken zugleich an, die Batida mit
Samples, Elektronik und Live-Instrumenten füllt. So entsteht eine Collage
aus alten Afrobeat-Gitarrenläufen, Soul-Samples und elektronischen
Kuduro-Rhythmen, die den Soundtrack zum Leben in Angolas Hauptstadt Luanda
bilden.
„Konono No.1 meets Batida“ ist eine musikalische Neuvermessung der
Grenzregion zwischen dem Kongo und Angola. „Die Karte dort ergibt keinen
Sinn“, sagt Batida. Im angolanischen Kuduro findet man viele Elemente
kongolesischer Musikstile wie den Soukous oder Ndombolo.“ Gemeinsam lassen
Konono No.1 und Batida die willkürliche Grenzziehung der Kolonialperiode
hinter sich, indem sie die Gemeinsamkeiten der Rhythmen der beiden Staaten
herausschälen. „Wir haben das Album quasi als Konzertsimulation
aufgenommen“, ergänzt Augustin Mawangu.
Geholfen hat ihnen dabei ein elektronisches Schlagzeug, das Vincent Visi,
Drummer und Percussionist von Konono No.1, währenddessen gespielt hat.
Batida konnte so die traditionellen Rhythmen mit Echoeffekten und Samples
alter analoger Drumcomputer anreichern, ohne ihren charakteristischen
Groove zu zerstören. Auch auf „Konono No.1 meets Batida“ dominiert immer
noch der hochtönende, verzerrte Sound der Likembe und ihrer Polyrhythmen,
denen Batida Bassläufe und Drumloops hinzufügt.
## Nähe zu Trance
Konzerte von Konono No.1 sind eine körperliche Erfahrung in der Nähe zur
Trance. Selbst auf den besten Konzertanlagen spielen Konono No.1 so, als
müssten sie immer noch gegen den Straßenlärm Kinshasas anspielen – präzise
und laut zugleich. Beim ersten gemeinsamen Konzert mit Batida in La
Rochelle hält eine neue Subtilität Einzug in den Sound von Konono.
„Deutsche Ingenieurskunst“, sagt Batida lachend. Seine Ableton-Software
synchronisiert sich automatisch zum Konono-Drummer Vincent Visi – selbst
bei Temposchwankungen.
Der neue Hang zum Perfektionismus steht der Band gut. Auf der Leinwand
werden Bananen und Fische projiziert, während ein Drumcomputer einen
synkopischen Rhythmus spielt und die Mitglieder von Konono No.1 in den
A-cappella-Gesang von „Bon Diam“ einstimmen. „Das Stück handelt von der
Wirtschaftskrise“, erklärt Augustin Mawangu. „Unser Label beschwert sich
stets, wie schwierig das Geschäft geworden ist. Im Song verkaufen sie
Bananen und Fische, während wir weiter auf Tour sind.“ Trotz der volatilen
Situation in ihrem Heimatland sind Konono No.1 keine politische Band: Sie
erzählen in Parabeln vom Auf und Ab des Lebens und schmücken ihre auf
Lingala vorgetragenen Geschichten mit Metaphern.
## Lang lebe der Lesekreis!
Batida unterstützte 2011 die Proteste gegen Angolas Alleinherrscher José
Eduardo dos Santos. Während des Stücks „Nzonzing Família“ trägt er eine
Maske mit dem Konterfei des angolanischen Rappers Ikonoklasta, der im März
zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, weil er an einem Lesekreis
teilgenommen hat. Dieser studierte ein Buch über zivilen Ungehorsam. „Er
ist mein Freund“, erklärt Batida. „Ikonoklasta rappt über angolanisches
Bier. Es ist billiger als eine Flasche Wasser.“ Dazu spielen Konono No.1
routiniert ihre Likembe-Patterns, die grenzüberschreitende Geschichte des
Produzenten aus Lissabon und der Band aus dem Kongo entfaltet sich.
Durch die Kollaboration sind alle Beteiligten der Authentizitätsfalle
entkommen, die die Musikindustrie für sie bereithält: dem Platz der
Neo-Primitiven, die eine europäische Tradition experimenteller Popmusik
radikal wiederbeleben. Stattdessen erzählen sie nun eine eigene Geschichte.
Gut so!
15 May 2016
## AUTOREN
Christian Werthschulte
## TAGS
Kollaboration
Kinshasa
Postpunk
London
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Afrika
Afrika
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