| # taz.de -- EU-Flüchtlingsgipfel in Brüssel: Davutoglu hat das letzte Wort | |
| > Die Türkei gibt sich hartnäckig und will Gegenleistungen für ein | |
| > Entgegenkommen in der Flüchtlingskrise. Die Forderungen haben es in sich. | |
| Bild: Auf ihn kommt es an: Ahmet Davutoglu, türkischer Premier | |
| Brüssel taz | Am zweiten Tag des EU-Flüchtlingsgipfels in Brüssel geht es | |
| ums Ganze: Nun müssen die 28 Staats- und Regierungschefs den türkischen | |
| Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu von ihrer Verhandlungsposition | |
| überzeugen. Das könnte schwierig werden – denn Davutoglu gab sich schon vor | |
| seiner Ankunft in Brüssel kämpferisch. | |
| „Die Türkei wird niemals ein Flüchtlingsgefängnis unter offenem Himmel“, | |
| sagte er. Die Türkei werde nur dann Flüchtlinge aus Griechenland | |
| zurücknehmen, wenn im Gegenzug genauso viele Menschen in die EU überstellt | |
| werden. „Unser Angebot liegt weiter auf dem Tisch“, fügte er hinzu. Will | |
| sagen: Die Türkei ist nicht ohne weiteres bereit, von ihren Forderungen | |
| abzurücken. | |
| Und die haben es in sich: Als Gegenleistung für die versprochene | |
| Abschottung der Ägäis und die Rücknahme aller Flüchtlinge – auch der | |
| syrischen Bürgerkriegsopfer – in die Türkei fordert Davutoglu weitgehende | |
| Visa-Erleichterungen für seine 80 Millionen Bürger, schnellere | |
| EU-Beitrittsverhandlungen und nochmals drei Milliarden EU-Hilfen, also eine | |
| Verdoppelung der bisherigen Summe. | |
| Und was bieten die Europäer? Das blieb nach dem ersten Gipfeltag geheim. | |
| Zwar hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Amtskollegen am | |
| Donnerstag auf eine gemeinsame Linie geeinigt. Doch sie wurde nicht | |
| veröffentlicht, angeblich nicht einmal schriftlich fixiert. Transparent ist | |
| das nicht, im Gegenteil. Denn nun kann niemand mehr beurteilen, welche | |
| „roten Linien“ die EU aufgestellt hat – und ob sie am Ende auch halten. | |
| ## „Nicht ganz einfache Verhandlungen“ | |
| Es stünden „nicht ganz einfache Verhandlungen“ mit Davutoglu bevor, sagte | |
| Merkel vage. Zu Details wollte sie sich nicht äußern, auch die deutsche | |
| Position blieb im Dunkeln. Dabei war es Merkel gewesen, die den | |
| Flüchtlingspakt beim letzten EU-Gipfel vor zehn Tagen gemeinsam mit | |
| Davutoglu aus dem Hut gezaubert hatte. Nicht einmal EU-Gipfelchef Donald | |
| Tusk war eingeweiht. | |
| Von einem deutsch-türkischen Coup, sogar von Erpressung und Verrat war | |
| damals die Rede. Damit das nicht wieder passiert, haben sich die EU-Granden | |
| diesmal eine andere Regie ausgedacht. Am Vormittag sollen Tusk, | |
| Kommissionschef Jean-Claude Juncker und der niederländische Regierungschef | |
| Mark Rutte als amtierender EU-Ratsvorsitzender mit Davutoglu sprechen. | |
| Für den Mittag erwartete Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann | |
| Aufschluss über die Antwort der Türkei auf die Position der EU. „Ob etwas | |
| herauskommt, weiß nur ein Hellseher“, sagte er in der Nacht. In Brüssel | |
| richtet man sich schon auf einen langen Verhandlungstag ein. Denn erst beim | |
| Mittagessen sollen alle 28 EU-Staaten gemeinsam mit dem türkischen | |
| Regierungschef sprechen. | |
| Und viele Knackpunkte sind weiter umstritten. So ist unklar, ob sich Zypern | |
| auf die geplante Öffnung neuer Verhandlungskapitel zum EU-Beitritt der | |
| Türkei einlässt. Bisher lässt die Türkei nicht einmal zypriotische Schiffe | |
| in ihren Häfen anlegen, obwohl sie dazu nach den EU-Regeln verpflichtet | |
| wäre. Zypern hat die Beitrittsgespräche daher jahrelang blockiert. | |
| ## Abschiebelager auf Ägäis-Inseln | |
| Unklar ist auch, wie Griechenland seine neue Rolle bewältigen soll. Das | |
| Land soll künftig nicht mehr als Drehkreuz für die Umverteilung von | |
| Flüchtlingen in die EU dienen, worauf es sich in den letzten Wochen | |
| fieberhaft vorbereitet hatte. Nach dem Türkei-Deal soll Athen nun | |
| Abschiebelager auf den Inseln in der Ägäis einrichten, wo im Eilverfahren | |
| über Asylanträge entschieden werden soll. | |
| Doch selbst wenn Hilfsanträge positiv beschieden werden, soll Griechenland | |
| die Flüchtlinge zurück in die Türkei schicken. Nach massiven Protesten der | |
| Uno und von Amnesty International ist nun zwar nicht mehr von | |
| Massenabschiebungen in die Türkei die Rede. Jeder Fall soll „individuell“ | |
| geprüft werden, heißt es in Brüssel. Außerdem soll das | |
| Uno-Flüchtlingshilfswerk mitwirken. | |
| Doch bisher steht nicht einmal die Infrastruktur für das geplante | |
| Flüchtlings-Karussell, das zur Abschreckung der Boat-People dienen soll. | |
| Und die Zustimmung Davutoglus steht auch noch aus. Der türkische | |
| Regierungschef hat das letzte Wort und könnte erneut versuchen, der EU | |
| weitere Zugeständnisse abzuringen. Sicher ist nur eins: Auf Merkels Hilfe | |
| kann er zählen. Wie beim letzten Gipfel. | |
| 18 Mar 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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