# taz.de -- Vor dem EU-Türkei-Gipfel: Kontingente bleiben unkonkret | |
> Bundeskanzlerin Merkel setzt auf enge Zusammenarbeit mit der Türkei, | |
> trotz der Menschenrechtsverletzungen. Sie stellt sogar mehr Geld in | |
> Aussicht. | |
Bild: Und nun zurück auf den Platz: Angela Merkel nach ihrer Rede. | |
Berlin taz | Angela Merkel gähnt, als sie auf der Regierungsbank im | |
Bundestag sitzt. Sie legt ihren Kopf in den Nacken, blickt nach oben, dort | |
sieht sie Bürger die Kuppel entlanglaufen. Sie schließt die Augen. Für sie | |
ist die Regierungserklärung nur ein kurzer Zwischenstopp, zwischen | |
Telefonaten mit den EU-Kollegen, Gesprächen mit Zypern, Wahlanalysen in der | |
eigenen Partei und Streitschlichtung mit Horst Seehofer. | |
Eben noch hatte sie dem Parlament erklärt, mit welcher Haltung sie in den | |
EU-Gipfel gehen wird. „Auch Deutschland geht es auf Dauer nur dann gut, | |
wenn es auch Europa gut geht – also Europa als Ganzes.“ Das sagt sie mit | |
Blick auf die Kritiker aus den eigenen Reihen, an die EU-Nachbarn gewandt | |
sagt sie: „Es gereicht Europa nicht zur Ehre, sich als Union von 28 | |
Mitgliedstaaten mit 500 Millionen Bürgern bislang so schwergetan zu haben, | |
die Lasten zu teilen.“ | |
Am Donnerstag kommen die Regierungschefs der 28 EU-Länder zusammen, um über | |
das Abkommen mit der Türkei zu verhandeln. Künftig sollen Geflüchtete in | |
der Türkei bleiben oder sogar aus der EU dorthin zurückgeschickt werden – | |
so der Vorschlag der Türkei. Im Gegenzug erhält sie finanzielle | |
Unterstützung und logistische Hilfe vor Ort, fordert gleichzeitig aber eine | |
engere Beziehung zu den EU-Staaten und Visafreiheit für türkische | |
Staatsangehörige. Das Abkommen ist der Kern von Merkels Flüchtlingspolitik. | |
„Wir sind an einem entscheidenden Punkt angekommen“, sagt Merkel über das | |
Treffen. Nur den Ausgang der Verhandlungen könne sie nicht vorhersehen. Es | |
war keine leidenschaftliche Rede der Bundeskanzlerin. Eher eine, in der sie | |
sich bemüht, Ängste zu nehmen. Ja, man müsse mit der türkischen Regierung | |
über die politische Lage im Land reden, nein, ein Beitritt der EU stehe | |
„jetzt wirklich nicht auf der Tagesordnung“. Mit Blick auf die CSU sagt | |
sie, die Türkei müsse bestimmte Bedingungen erfüllen, damit die | |
Visaregelungen liberalisiert werden könnten. Da sei noch viel zu tun. | |
## Gibt es dann Kontingente? | |
Tags zuvor hatte die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt gesagt, ihre | |
Partei lehne eine völlige Visafreiheit ab. Dabei hatten sich die Spitzen | |
der Koalitionsparteien schon im vergangenen November auf eine gemeinsame | |
Linie geeinigt, die so auch auf EU-Ebene verhandelt wird. | |
Merkel betont, dass bei jeder Gelegenheit mit der Türkei über deren | |
innenpolitische Lage gesprochen werden müsse. Angesichts der Verhandlungen | |
könnten Gewalt, Zensur und Angriffe auf Kurden aktuell besser thematisiert | |
werden, sagt sie. Was konkret sie von der Türkei in diesen Fragen erwartet, | |
ließ sie offen. Auch, ob sie etwas erwartet. | |
Offen blieb auch ihre Position in einer anderen, zentralen Frage: Wenn alle | |
Geflüchteten in die Türkei zurückgebracht werden – gibt es dann | |
Kontingente? Merkel erwähnt sie als Teil des türkischen Vorschlags, ohne | |
jedoch ihre Position dazu preiszugeben. | |
Dafür betont sie, dass sie die türkische Forderung, nach größerer | |
finanzieller Unterstützung für „nachvollziehbar“ halte. Sowohl die | |
Gesundheitsversorgung als auch der Zugang zur Bildung müsse für Geflüchtete | |
verbessert werden. Auch Griechenland brauche mehr Unterstützung von der EU. | |
Die dortige Situation nennt Grünen-Politiker Hofreiter „beschämend“. „Wo | |
bleibt da Ihre Hilfe“, fragte er Merkel, „wo bleibt das Signal?“ Hofreiter | |
kritisiert das geplante Abkommen, weil es lediglich für syrische | |
Flüchtlinge einen Weg nach Europa vorsehe. Die Linke forderte, die | |
Verhandlungen mit der Türkei angesichts der Menschenrechtslage gänzlich | |
abzubrechen. Ihr Antrag darauf wurde abgelehnt. | |
16 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Christina Schmidt | |
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