| # taz.de -- Debatte EU-Türkei-Deal: Die Alternative heißt Idomeni | |
| > Die Brüsseler Kontingent-Pläne sind nicht unproblematisch, aber trotzdem | |
| > richtig. Und humaner als alles, was bisher diskutiert wurde. | |
| Bild: Das Idomeni-Camp an der mazedonischen Grenze am Freitag. | |
| Einen „Game Changer“ nannte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Junker die | |
| Ergebnisse des EU-Gipfels mit der Türkei vom 7. März. Aber mit dieser | |
| Begeisterung steht Juncker weitgehend alleine da. Besonders in Deutschland | |
| gibt es wenig Euphorie über den ambitionierten Plan, den der türkische | |
| Premier Ahmet Davutoğlu mit Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgeheckt haben | |
| soll. Dieser Kleinmut ist bedauerlich, denn Deutschland kommt dabei eine | |
| Schlüsselrolle zu. | |
| Konservative Kritiker und kurdische Organisationen monieren, dass Merkel | |
| der Türkei zu große Zugeständnisse gemacht habe, ja dass sich die Kanzlerin | |
| zur Geisel des türkischen Präsidenten Tayyip Erdoğan mache. | |
| Menschenrechtler werfen ihr vor, den Flüchtlingsschutz praktisch aufgegeben | |
| haben zu haben. Und Skeptiker bezweifeln, dass sich die Pläne überhaupt | |
| umsetzen lassen. | |
| Dabei sind die Grundzüge des Plans richtig und die Ziele vernünftig. Es | |
| gehe darum, die unkontrollierte Massenwanderung, die bislang über den | |
| Trampelpfad der nunmehr verriegelten Balkanroute verlief, in legale | |
| Migration umzuwandeln, betont Merkel. Natürlich geht es auch darum, die | |
| Zahl der Flüchtlinge, die nach Europa kommen, zu verringern. Denn wenn | |
| weiterhin so viele Menschen kommen wie in den letzten Wochen, dann werden | |
| es in diesem Jahr voraussichtlich noch einmal deutlich mehr sein als die | |
| Million, die 2015 nach Europa gekommen ist. | |
| Die Frage ist nicht, ob diese Zahl Europa überfordern könnte. Sondern | |
| vielmehr, welche politischen Folgen der ungebremste Zustrom für den | |
| Kontinent haben würde, ob Regierungen ihn vertreten können und ob die EU | |
| den weiteren Aufstieg rechtspopulistischer Parteien überleben würde. Die | |
| Antwort fällt nicht allzu rosig aus. | |
| ## Idomeni ist keine Alternative | |
| Deshalb sollen Patrouillenschiffe der Nato jetzt die Ägäis kontrollieren | |
| und Flüchtlinge, die in Schlauchbooten nach Griechenland übergesetzt sind, | |
| wieder in die Türkei zurückgeschickt werden. Im Gegenzug sollen, wenn es | |
| nach Merkel und Davutoğlu geht, vor allem Bürgerkriegsflüchtlinge aus | |
| Syrien, die schon seit Jahren in der Türkei ausharren, per Kontingent nach | |
| Europa ausgeflogen werden. Durch diesen Mix aus Abschreckung und Anreiz, | |
| sich für einen Platz im Kontingent zu bewerben, will man möglichst viele | |
| davon abhalten, sich auf eigene Faust aufzumachen. | |
| Zwei Punkte an dem Plan sind höchst problematisch: Erstens macht das | |
| „Eins-zu-eins-Prinzip“, das die Türkei ins Spiel gebracht hat und das | |
| ziemlich nach Kuhhandel klingt, wenig Sinn. Wenn keine Flüchtlinge mehr | |
| nach Griechenland kämen, würde die Türkei nicht entlastet. Besser wäre es, | |
| wenn sich Europa, und allen voran Deutschland, zur Aufnahme eines festen | |
| Kontingents von Flüchtlingen aus der Türkei verpflichten würde. Wo da die | |
| „Obergrenze“ läge, darüber ließe sich streiten. Und zweitens muss klar | |
| sein, dass die Rückführung von Flüchtlingen in die Türkei erst nach einer | |
| rechtsstaatlichen Überprüfung des Einzelfalls erfolgt und nicht willkürlich | |
| nur aufgrund der Herkunft aus einem bestimmten Land. | |
| Auf diese zwei Punkte sollten humanitär gesinnte Kräfte dringen. Und | |
| darauf, dass sich Merkel mit ihrem Plan durchsetzt. Denn was wäre die | |
| Alternative? Sie ist jetzt schon in Idomeni zu besichtigen: dass sich die | |
| Abschottungspolitik eines Victor Orbán durchsetzt, der sich mit Zäunen und | |
| Stacheldraht abriegelt, der keinerlei humanitäre Verpflichtung empfindet | |
| und gewillt ist, Griechenland mit den Flüchtlingen alleine zu lassen. | |
| Statt sich in Fundamentalopposition zu ergehen, sollten sich Linke in | |
| Deutschland dafür einsetzen, dass die Kontingente für Asylsuchende aus der | |
| Türkei möglichst großzügig bemessen werden und möglichst viele Syrer und | |
| Iraker auf direktem Weg nach Deutschland umgesiedelt werden können. Das | |
| würde vielen Menschen das Leben retten, die sich sonst in die Hände von | |
| Schmugglern begeben werden. | |
| 12 Mar 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Bax | |
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